Neuester Vorfall in Buchrain

Bankomat-Sprengungen: Zahl der Attacken steigt enorm

Gesprengte Bankomaten wie hier in Buchrain sind in der Schweiz keine Seltenheit mehr. (Bild: Luzerner Polizei)

Schon wieder hat in der Nacht auf Montag eine Diebesbande einen Raiffeisen-Bankomat gesprengt. Diesmal in Buchrain. Solche Attacken kommen in der Schweiz immer häufiger vor – inzwischen fast alle zwei Wochen. Es winkt das schnelle Geld.

Der Montag beginnt in Buchrain mit einem Knall. Unbekannte Täter sprengen den Raiffeisen-Bankomaten bei der Landi. Die Diebe entkommen (zentralplus berichtete). Wie Urs Wigger, Mediensprecher der Luzerner Polizei, sagt, ist das kein Zufall: «Die Täter sind sehr professionell. Sie hinterlassen in der Regel kaum Spuren.»

Sprengungen von Bankomaten haben sich in drei Jahren versechsfacht

In Luzern ist das der zweite Vorfall innert kürzester Zeit. Ende Dezember 2021 haben Unbekannte im Bahnhof Luzern einen Cler-Bankomaten in die Luft gejagt (zentralplus berichtete). Während solche Attacken in Luzern bisher ein neues Phänomen sind, sieht die Sache gesamtschweizerisch anders aus. «Seit 2019 kann in der Schweiz eine Häufung von Fällen festgestellt werden», sagt Florian Näf, Mediensprecher beim Bundesamt für Polizei fedpol. Besonders Grenzgebiete sind betroffen.

2018 waren es noch vier, 2021 bereits 24 Fälle von Bankomat-Sprengungen. Bei 17 davon setzten die Täter Sprengstoff ein, bei sieben Gas. Die Unterscheidung wird gemacht, weil bei Angriffen mit Sprengstoff fedpol den Lead der Ermittlungen übernimmt. Hinzu kommen immer mehr Bankomatangriffe durch elektronische Manipulation des Geldautomaten oder Angriffe mit Rammbock-Fahrzeugen gesammelt.

Mögliche Gründe, wieso die Schweiz vermehrt ins Visier gerät, ist die Kleinräumigkeit und das dichte Bankomaten-Netz, vermutet Näf. Ein weiterer Grund: die hohe Beute die winkt: Bei einer Raiffeisen-Bankomat-Sprengung 2019 in Sevelen (SG) haben Täter rund 126'000 Franken eingesackt.

Wie hoch die Beute in Buchrain ist, sagt Polizeisprecher Urs Wigger nicht, da die Ermittlungen noch laufen. Auch die Raiffeisenbank will sich aus «sicherheitstechnischen Gründen» nicht zu diesem und weiteren Fällen äussern.

In transnational vernetzten Gruppen unterwegs

Wie Näf erklärt, sind Bankomat-Sprengungen in ganz Europa ein Phänomen. «Material, Logistik und Tätergruppierungen sind transnational organisiert und aktiv.» Gemäss den bisherigen Ermittlungen seien in der Schweiz mehrere Gruppierungen aktiv, die gezielt Serien-Angriffe verüben. Nach ersten Hinweisen läuft deren Organisation übers Ausland.

Die Sprengungen selbst werden von Kleingruppen von drei bis vier Personen verübt. Die Täter stammen insbesondere aus Osteuropa, Benelux-Staaten und Frankreich. Dabei gehen sie höchst organisiert vor: Jedes Mitglied sei auf seine jeweilige Aufgabe spezialisiert.

Für den Angriff und die Flucht werden oft mehrere gestohlene Fahrzeuge mit falschem oder fehlendem Kennzeichen genutzt. Um die Ermittlungen zusätzlich zu erschweren, werden «bewusst Kantons- oder Landesgrenzen überquert.»

Auch Urs Wigger erklärt, dass Ermittlungen sehr aufwändig sind und viel Zeit in Anspruch nehmen. «In solchen Fällen machen wir eine Spurensicherung, eine Spurenauswertung, analysieren Überwachungsbilder und machen Spurenvergleiche mit anderen Straftaten dieser Art.» Das ganze benötige viel Zeit. So sind die Täter zum Vorfall im Dezember noch immer unbekannt.

Sicherheitsmassnahmen sind kostspielig

Um weitere Angriffe zu verhindern, installieren Banken teils Farbpatronen in den Bankomaten, die bei einer Explosion die Geldscheine einfärben. Weit verbreitet ist dieses System jedoch noch nicht. Peter Villiger, Geschäftsführer der Villiger Security Solutions AG, schätzt gegenüber «Pilatus Today», dass rund 20 Prozent der Bankomaten solche Farbpatronen installiert haben. Seine Firma vertreibt solche Systeme.

Einen Grund dafür sieht er in den teuren Anschaffungskosten: pro Geldautomat fallen rund 10'000 Franken an. Weiter sei die fehlende Sensibilisierung Schuld: «Die Schweiz war lange in einem Dornröschenschlaf, deshalb brauchte es auch nur selten solche Sicherheitssysteme. Jetzt haben die Sprengungen aber zugenommen.»

«Drei Sprengungen und der Bankomat verschwindet», sagt Raiffeisen Genf

Eine Bank, die bereits mehrmals von solchen Bankomat-Sprengungen betroffen wurde, ist die Raiffeisenbank Schweiz. Der Präsident der Zweigstelle Genf sagte im Interview mit «Tribune de Genève», dass sie bereits einige ihrer Automaten mit diesem System ausgestattet hätten.

Wenn ein Bankomat jedoch dreimal in einem Jahr Ziel eines Angriffs wird, schliesse die Bank den Automaten. Der Mediensprecher der Raiffeisenbank Deutschschweiz sagt zu den Sicherheitsmassnahmen: «Die Sicherheitsstandards der Raiffeisenbanken sind branchenüblich und auf dem aktuellsten Stand.»

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