Emotionale Gemeindeversammlung in Unterägeri

Zum Lachen: Wenn die SVP der CVP Populismus vorwirft

Der aktuelle Gemeinderat von Unterägeri mit dem Gemeindeschreiber (2. v. l.).

(Bild: zvg/Fotomontage von zentralplus)

Busverbindung, Kleinklassen, Kinderhotel contra Alterswohnungen – bereits vor der Gemeindeversammlung am Montagabend in Unterägeri war klar: Einfach Abnicken der Traktanden ist nicht. Und tatsächlich gingen die Wogen hoch. Auch der Gemeinderat sah sich zu Verteidigung gezwungen.

Die Traktandenliste für die Gemeindeversammlung in Unterägeri versprach am Montag mächtig Zunder. Auf dem Plan standen unter anderem eine Motion der SVP bezüglich der Erhaltung respektive Wiedereinführung der Kleinklassen sowie jeweils eine Motion der FDP und CVP zu einer direkten Busverbindung zwischen dem Ägerital und Menzingen.

Die rund 300 Anwesenden am Montagabend in der Ägerihalle wurden nicht enttäuscht. Obwohl in einer Ecke ruhend und grün angestrahlt auch noch eine Tanne den Weg in die Halle gefunden hatte, wollte nicht so recht weihnachtliche Stimmung aufkommen.

Kein lockerer Beginn

Bereits zu Beginn gab es ein erstes «Störmanöver» durch CVP-Mann Arthur Walker. Er wollte die beiden Motionen, welche die direkte Busverbindung vom Ägerital nach Menzingen betreffen, bereits vorziehen, da sie budgetrelevant sind.

Daraufhin übernahm Gemeinderat Fridolin Bossard (FDP) den Lead und erklärte den durch den Gemeinderat erzielten Fortschritt, da die Motionen bereits bei der letzten Gemeindeversammlung eingereicht wurden.

Welche Busvariante darf es sein?

Der Gemeinderat habe Verhandlungen mit verschiedenen Parteien geführt, unter anderem mit dem Kanton und der ZVB. Dabei wurden drei Varianten geprüft. Ein Schulbussystem für die Kantonsschule Menzingen, welches die Gemeinde selbst berappen müsste, als Option numero uno. Kostenpunkt: 285’000 Franken.

Zweite Variante: Eine neue Linie zwischen Oberägeri und Menzingen. Auch dem hat der Kanton, welcher für das Angebot des öffentlichen Verkehrs zuständig ist, eine Absage erteilt. Die Gemeinde hätte also wiederum die 171’000 Franken selbst bezahlen müssen.

Der Glaube fehlt

Bleibt noch Option drei. Eine Integration ins aktuelle System. Darin enthalten sind Verstärkungskurse zu Stosszeiten, um für Entlastung zu sorgen. Nach Abzug des Betrags, welchen der Bund übernimmt, wären es noch 31’500 Franken. Das Geld dafür hat der Kanton bereits zur Verfügung gestellt.

Seit die Turnhalle in den 1950er erbaut worden ist, wurde bisher kaum etwas daran modernisiert.

Hier soll ein Holzschulhaus entstehen.

(Bild: Reto Jehli)

Der Gemeinderat unterstützt letztere Variante, wobei der Regierungsrat mit der Umsetzung beauftragt ist. Doch Walker gab sich damit nicht zufrieden. «Mir fehlt der Glaube an einer Ausführung des Auftrags vom Gemeinderat. Die betroffenen Kantischüler werden zu wenig ernst genommen und sind an einer Lösung nicht beteiligt», so Walker.

Der CVP eilts

Die CVP Unterägeri wolle pragmatische Lösung mit einer direkten Linie zu Stosszeiten, so Walker weiter. Bereits Anfang Januar 2019 könne eine gute Lösung eingeführt werden für 25’000 Franken – die freilich für den Gemeinderat anfallen würden.

Gemeindepräsident Josef Ribary (FDP) mahnte daraufhin, man solle nun keinen Schnellschuss tätigen. Zudem seien die Gelder von kantonaler Seite her schon gesprochen.

Das letzte Wort hatte das Volk. Resultat: 99 der Anwesenden wollten die 25’000 Franken ins Budget 2019 aufnehmen als Anschubfinanzierung für je eine zusätzliche Buslinie morgens und abends. Doch 145 erteilten dem Ansinnen eine Absage.

Weiter ging es darum, ob das Volk mit einem Steuerfuss von 64 Prozent einverstanden ist. Bis auf eine Person war dies der Fall.

Das hölzerne Schulhaus

Bereits das nächste Traktandum gab wieder Anlass zu reichlich Diskussionen: Der Planungskredit für den Neubau des Schulhauses Acher Mitte mit Turnhalle und Singsaal.

Im Mittelpunkt stand das Holz. Denn Ribary betonte, dass man sich an das neue Waldgesetz halten müsse, was die Konstruktion inklusive ökologischer Kriterien anbelangt. Doch einem beachtlichen Teil der Unterägerer scheint dies zu wenig weit zu gehen.

Sie wünschen sich ein Schulhaus aus Holz – was das Gesetz eben nicht garantiert. Es muss bloss in die Evaluation einbezogen werden. Schliesslich wurde gar der Antrag gestellt, nur die Holzvariante vom siegreichen Architektenteam weiter verfolgen zu lassen.

Gemeinderat braucht Auszeit

Auch hier ging es em Ende um die Anzahl in die Höhe gereckter Arme, nachdem sich der Gemeinderat gar einige Minuten Bedenkzeit geben musste, um über das weitere Vorgehen zu beraten.

Das Resultat war, dass der Gemeinderat den zuständigen Architekten den Auftrag erteilen muss, zwei Varianten zu prüfen. Einmal die Holzvariante, einmal die Architektenvariante.

Gemeinderat gegen SVP-Motion

Eindeutig am höchsten gingen die Wogen bei Traktandum fünf. Die SVP-Motion zur Beibehaltung respektive Wiedereinführung der Klein- und Werkklassen (zentralplus berichtete). Die Kleinklasse zählt übrigens dieses Schuljahr sieben Kinder. Nächstes Jahr wären es noch drei. Die Werkklasse musste letztes Jahr aufgelöst werden.

Bildungsvorsteher Beat Iten (SP) warb für die sogenannte Schulinsel, wo Kinder die Regelklasse besuchen mit Ausnahme jener Fächer, wo Lernprobleme bestehen. Die Schulinsel solle ausgebaut werden. Entsprechend weibelte der Gemeinderat für eine Unerheblicherklärung der Motion. Die SVP-Fraktion in der hintersten Reihe um Thomas Werner, Trix Iten und Esther Monney hielten dagegen.

«Gelebte Integration»

Die Lerninsel sei nur ein effizientes Instrument, wenn ein Kind bloss in einzelnen Fächern Lernprobleme hat, so Trix Iten. Bei genereller Lernschwäche sei die Kleinklasse jedoch effektiver.

Monney schob nach, dass ein Kind dadurch im Dorf bleiben könnte – die Kleinklasse sei also gelebte Integration. Ein Schulpsychologe hielt mit dem Argument dagegen, dass die Kinder durch die Kleinklasse stigmatisiert würden.

SVP sorgt für Heiterkeit

So ging es hin und her, bis SVP-Kantonsrat Thomas Werner schliesslich die Lacher auf seiner Seite hatte. Denn er beschuldigte die CVP des Populismus, dass sie die Motion so vehement bekämpft, sie als Familienpartei. Dann grätschte der inzwischen ungeduldige Ribary dazwischen: «Es geht hier um ein Sachthema und nicht um die CVP.»

Die SVP stellte anschliessend den Antrag auf eine geheime Abstimmung. Nur 16 Anwesende unterstützten dieses Anliegen – abgelehnt also. Und so erging es auch der Motion. Sie wurde durch die Bevölkerung als nicht erheblich erklärt.

Sankt Anna bleibt ein Thema

Bevor zum wohlverdienten Apéro übergegangen werden konnte, stand zuerst noch Traktandum sieben an. Die Interpellation zur verwaltungsrechtlichen Vereinbarung der Einwohnergemeinde Unterägeri mit der Bonainvest AG. Eingereicht vom Verein Pro Sankt Anna (zentralplus berichtete).

Die Antworten zu den von Vereinspräsidenten Thomas Hess eingereichten Fragen wurden vom Gemeinderat präsentiert. Es ging dabei unter anderem um allfällige Konsequenzen für Bonainvest, sollte sie sich nicht an die verwaltungsrechtliche Vereinbarung halten.

Obwohl das Thema zuletzt emotional diskutiert wurde, scheinen sich die Gemüter zu diesem Zeitpunkt bereits wieder beruhigt zu haben. Denn ausser den mahnenden Worten von Hess in Richtung Gemeinderat gab es keine weiteren Wortmeldungen. So fand denn eine emotionale Gemeindeversammlung ihren Schlusspunkt bei Speis und Trank.

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