Rückblick auf eine rein bürgerliche Legislatur

Zugs Alt-Stapi: «Erfolgsmodell wird schleichend entsorgt»

Stramm bürgerlich kommt sie seit vier Jahren daher: Die Zuger Regierung. (Bild: zvg)

Was passierte mit einer rein bürgerlich besetzten Regierung wie im Kanton Zug in den letzten vier Jahren? Während wirtschaftsnahe Personen das naturgemäss positiv sehen und keinen grossen Unterschied zu vorher sehen, wird von linker Seite klare Kritik geäussert.

Zugegeben, die aktuelle Legislatur, die sich in Zug nun zu Ende neigt, ist alles andere als normal. Zunächst mussten sich mit Florian Weber, Andreas Hostettler (beide FDP) sowie Silvia Thalmann-Gut (Mitte) gleich drei neue Räte einarbeiten. Kurz darauf kam Corona, die Exekutive musste auf den Notfallmodus umschalten.

Dasselbe wiederholte sich im März dieses Jahres nach Ausbruch des Ukraine-Krieges mit der unverhofften Aufnahme unzähliger Geflüchteter, in der die Regierung schnell und geschlossen reagieren musste. Und dies auch tat. Für die normale Bürgerin war es in diesen Phasen schwierig, die tatsächlichen Haltungen des Regierungsrats herauszuspüren.

Wirtschaftskammer lobt Nähe der Regierung

Der Ansicht, dass die bestehende Regierung seit 2019 einen guten Job macht, ist Ivo Flüeler. Der CEO der Arisco Holding AG ist im Vorstand der Zuger Wirtschaftskammer und sagt auf Anfrage: «Als Unternehmer habe ich, gerade in den Krisenzeiten, sehr gute Erfahrungen gemacht mit der Regierung. Auch wenn unsere Firma nicht direkt von Kurzarbeit betroffen war und keine Covidkredite beanspruchen musste.»

Die Rückmeldungen betroffener Zuger Firmen seien jedoch sehr positiv. «Solche Fälle wurden in Zug sehr schnell und professionell gelöst», sagt er. «Auch ich habe die Zusammenarbeit in den letzten vier Jahren als sehr konstruktiv und zielorientiert erlebt. Die Regierungsräte, mit denen ich in Kontakt bin, sind zudem sehr nahbar.»

Der Mensch ist wichtiger als die Partei

Dass ein Unternehmer die Arbeit des rein bürgerlichen Regierungsrats lobt, ist nicht erstaunlich, mag man denken. Aber, so Flüeler: «Für mich (ist) weniger die Partei der Mitglieder entscheidend, sondern vielmehr die Person.» Auch Politiker aus dem linken Spektrum können wirtschaftlich denken, umgekehrt gebe es Bürgerliche, die das weniger tun.

Ivo Flüeler ist Vorstandsmitglied der Zuger Wirtschaftskammer. (Bild: zvg)

Besonders in einer Situation ist der Regierungsrat, insbesondere Finanzdirektor Heinz Tännler und Volkswirtschaftsdirektorin Silvia Thalmann-Gut, jedoch medial schlecht weggekommen. Nämlich beim Umgang mit der Frage, was mit russischen Oligarchen respektive mit deren Firmen in Zug passieren soll (zentralplus berichtete). Glaubt Flüeler, dass die stoische Haltung des Gesamtregierungsrats dem Image des Kantons schadet?

«Keiner der Kunden oder Lieferanten hat sich von mir abgewendet, weil er nichts mit einer Zuger Firma zu tun haben möchte.»

Ivo Flüeler, Unternehmer und Vorstandsmitglied der Zuger Wirtschaftskammer

«Ich bin mit meinem Unternehmen schweizweit tätig. Keiner der Kunden oder Lieferanten hat sich von mir abgewendet, weil er nichts mit einer Zuger Firma zu tun haben möchte», sagt Flüeler. «Doch tatsächlich habe ich mir Gedanken gemacht darüber, was aus der Debatte entstehen könnte.»

Und weiter: «Im Umgang mit diesem heiklen Thema sollte die Regierung grundsätzlich mit hohem Sensorium agieren und kommunizieren, Kritik von aussen ernstnehmen. Aber, wo nötig, auch mit harten Fakten argumentieren, wie das Heinz Tännler übrigens getan hat.»

Hätte der Regierungsrat anders reagieren sollen? Dazu sagt Flüeler: «Die Frage, wie man mit Oligarchen umgehen sollte, ist durch die vom Bund initiierten Wirtschaftssanktionen geregelt. Die damit verbundene konsequente Umsetzungspflicht der Kantone ist dabei zentral.»

Ausserdem gibt er zu bedenken: «Die Arbeit einer Regierung sollte über die ganze Legislaturperiode von vier Jahren beurteilt werden und nicht nur aufgrund eines ausserordentlichen Ereignisses.»

Alt-Stapi kritisiert Umgang mit Autokraten

Viel kritischer über die Politik des Regierungsrats äussert sich Dolfi Müller, gerade zum Umgang mit dem Ukrainekrieg. Der Zuger Alt-Stapi und Sozialdemokrat sagt: «Dieser Krieg hat eine Zeitenwende eingeläutet. Da hätte ich gerade von der Zuger Regierung mehr erwartet.» Und zwar? «Dass man die alte Zuger Gewissheit hinterfragt, mit fast jeder Firma zu geschäften, so lange sie dem Kanton Vorteile einbringt.»

«Selbst Bürgerliche wie Gerhard Pfister haben die bedenkenswerte Frage gestellt, wann Neutralität unanständig werde.»

Dolfi Müller, Zuger Alt-Stapi

Dies sei jedoch nicht passiert. «Eine souveräne Antwort zum Umgang mit Autokraten fehlt mir von der Regierung. Natürlich ist das schwierig, doch selbst Bürgerliche wie Gerhard Pfister haben die bedenkenswerte Frage gestellt, wann Neutralität unanständig werde.»

Dolfi Müller nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn es um die bürgerliche Kantonsregierung geht. (Bild: wia)

Die Zuger Exekutive wird wohl längerfristig grundsätzlich bürgerlich bleiben. Was würden da eine oder zwei linksgrüne Stimmen ändern? «Das ist für mich der entscheidende Punkt. In einer Regierung, die stramm bürgerlich ist, gibt es im Grundsätzlichen keine kritische Gegenstimmen.» Und er ergänzt sogleich: «Aus der Arbeit in der städtischen Exekutive weiss ich jedoch, wie wichtig solche Gespräche sind.»

Müller warnt vor «Entsorgung» der Konkordanzdemokratie

Dolfi Müller weiter: «Die Fürsten im Mittelalter hatten ihre Hofnarren. Wir bräuchten eher linke Querdenkerinnen, welche die richtigen Fragen stellen, damit sich die Ratsmitglieder nicht gegenseitig bestätigen.»

Dass die Linke derzeit nicht im Regierungsrat vertreten ist, sieht er als grundsätzliches Problem. «Die Schweiz versteht sich ausdrücklich als Konkordanzdemokratie, die auch in der Regierung für Interessenausgleich sorgt. Wenn ein Viertel der Bevölkerung nicht in der Exekutive vertreten ist, wird dieses Erfolgsmodell im Kanton Zug schleichend entsorgt.»

Mit den Wahlen vom 2. Oktober könnte sich eine leichte Verschiebung der politischen Kräfte im Regierungsrat einstellen. Für die Alternative – die Grünen geht Kantonsrätin Tabea Zimmermann-Gibson ins Rennen.

Sie versucht, den freiwerdenden Sitz von Mitte-Regierungsrat Beat Villiger zu erobern. So viel ist jedoch klar: Einfach wird das nicht. Denn neben Zimmermann liebäugelt auch die Mitte (Laura Dittli) mit dem Sitz. Ausserdem die GLP (Tabea Estermann) und Adi Hadodo von «Aufrecht Zug».

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