Die Lokalpolitik soll in Hünenberg der Schweizer Demokratie zuwiderlaufen, sagt eine Bürgerin. Sie fordert jetzt mittels einer Aufsichtsbeschwerde Konsequenzen.
«Ich sehe ein demokratisches Recht bedroht», erzählt Marie-Theres Annen gegenüber zentralplus. Sie ist Urheberin einer jüngst bei der Zuger Regierung eingereichten Aufsichtsbeschwerde gegen den Gemeinderat Hünenberg. Letzterer verletzt ihrer Meinung nach das Gemeindegesetz des Kantons Zug.
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weshalb eine Hünenbergerin eine Aufsichtsbeschwerde eingereicht hat
Seit 30 Jahren beobachte sie als Bürgerin das Politgeschehen in der Gemeinde Hünenberg. Seit einigen Jahren falle ihr auf, dass der Gemeinderat von Bürgern eingereichte Motionen als ungültig erkläre oder verändert der Gemeindeversammlung vorlege.
Dieses Vorgehen ist für Annen «demokratisch gefährlich». Man müsse «handeln, bevor es einreisst», – daher die Aufsichtsbeschwerde, welche zentralplus vorliegt. Mit dieser fordert sie die Zuger Regierung dazu auf, den Hünenberger Gemeinderat dazu zu verpflichten, eingereichte Motionen dem Stimmvolk unverändert zur Abstimmung vorzulegen. Weiter soll er die diesbezügliche Einhaltung des Gemeinderechts für die nächsten zehn Jahre aktiv kontrollieren.
Verletzung demokratischer Rechte an Gemeindeversammlung?
Annen ist Co-Präsidentin der IG Zythusplatz und an den Gemeindeversammlungen gemäss eigenen Angaben in der Regel präsent. Auch bei einer von ihrer Interessengemeinschaft eingereichten Motion seien jüngst demokratische Rechte verletzt worden. Sie verweist in der Anklageschrift auf die Gemeindeversammlung vom 17. Juni dieses Jahres.
Der Gemeinderat habe den betreffenden Motionstext zwar beinahe korrekt vorgelegt, doch habe er es verpasst, den Antrag als solchen zu kennzeichnen. Der Gemeinderat habe bloss den eigenen Antrag zum Thema als solchen erkenntlich gemacht.
Als Sprecherin der Motionäre habe Annen begonnen, das Anliegen während der Gemeindeversammlung zu begründen. Nach zwei Minuten solle die Gemeinderatspräsidentin sie mit der Frage, ob sie oder sonst jemand einen Antrag stellen wolle, unterbrochen haben. Für Annen unverständlich – der Antrag mit der Motion sei ja zu diesem Zeitpunkt vorgelegen.
Weiter soll auch beim nachfolgenden Traktandum der Gemeindeversammlung – einer Motion eines Bürgers – seitens des Gemeinderats gepfuscht worden sein. Der vorgelegte Motionstext sei mit Anliegen der Gemeindeexekutive vermischt worden, der Originalantrag sei somit schwer erkennbar, so Annens Vorwurf.
Annen: Gemeinderat setzt sich über gültiges Recht hinweg
Wieso dies passiere, ist für Annen klar: «Wenn dem Gemeinderat eine Motion eines Bürgers nicht bequem ist, setzt er sich über das gültige Recht hinweg.» Oder verstehen die Behörden diesen Punkt des politischen Systems auf Gemeindeebene nicht, fragt Annen? Dies wäre laut der Hünenbergerin eine weitere denkbare Erklärung.
Denn: Die GemeindeversammlungHünenberg besitze kein Parlamentsbüro. Deswegen seien Motionen beim Gemeinderat einzureichen, blieben aber an die Gemeindeversammlung gerichtet und seien dieser unverändert vorzulegen. Die Rolle der Exekutive sei es, eine Stellungnahme sowie allfällige zusätzliche Anträge zur Motion zu erarbeiten.
Beobachtung scheint kein Einzelfall zu sein
Annen hofft, dass der Zuger Regierungsrat durch ihre Aufsichtsbeschwerde dieses im Einklang mit dem Gemeinderecht stehende Vorgehen in Hünenberg garantiere. Die Entscheidung des Regierungsrats könne aber auch Risiken bergen. Ihr persönliches Horrorszenario: eine durch die Beschwerde angestossene Änderung des Gemeindegesetzes, mit welcher der Gemeinderat die Praxis der vergangenen Jahre fortsetzen könnte.
Auf die Frage, wieso sie gerade jetzt mit ihrer Aufsichtsbeschwerde an die Öffentlichkeit tritt, antwortet Annen: «Kürzlich erklärte der Gemeinderat eine weitere Motion für ungültig – da hat es mir den Hut gelupft.» Hierbei handelt es sich um die von der IG Bösch Eigentümer eingereichte Motion zur Verschiebung der Ortsplanungsrevision im Arbeitsgebiet Bösch.
In der Stellungnahme der Interessengemeinschaft zur Ungültigkeitserklärung schreibt diese, es sei bedauernswert und bezeichnend, dass der Gemeinderat zum wiederholten Male versuche, Motionen der Bevölkerung aus der Welt zu schaffen. Annens Beobachtung scheint also kein Einzelfall zu sein. Die IG schliesst ihre Stellungnahme damit, dass sie unter keinen Umständen eine vollständige Ungültigkeitserklärung akzeptieren könne. Zu dieser Uneinigkeit liege zurzeit eine anwaltliche Beschwerde beim Regierungsrat vor, weiss Annen.
Ende November erklärt sich der Gemeinderat
Wie geht es jetzt also weiter mit Annens Aufsichtsbeschwerde und allfälligen daraus entstehenden Konsequenzen für die Hünenberger Politik? Die Hünenbergerin erklärt, dass sie ihre Beschwerde am 10. September eingereicht habe.
Lukas Langhart, Mediensprecher der Zuger Direktion des Inneren, bestätigt gegenüber zentralplus, dass eine Aufsichtsbeschwerde gegen den GemeinderatHünenberg vorliege. Laut Annen hat der Gemeinderat eine Fristerstreckung beantragt – eine Stellungnahme soll bis zum 30. November vorliegen.
Gegenüber zentralplus bezieht der ins Visier genommene Hünenberger Gemeinderat bereits jetzt kurz Stellung. Er sagt zu den Vorwürfen, dass er die bemängelten Punkte «umfassend geprüft» habe. Sein Fazit: «Geltendes und zwingendes Recht wurde und wird voll umfassend eingehalten.»
ist seit Sommer 2024 als Praktikant für zentralplus tätig. Der gebürtige Luzerner schrieb in seiner Zeit als Geschichtsstudent vorwiegend über Vergangenes in fernen Ländern. Bei zentralplus findet er die zeitliche und geographische Nähe zur Heimat wieder und berichtet am liebsten über lokale Kuriositäten.