Zuger SP und Alternative liefern sich Schlammschlacht
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Schlammschlachten sind nicht nur in der Politik beliebt. Symbolbild von einer touristischen Veranstaltung in Korea.
(Bild: Facebook Boryeong Mud Festival)Eigentlich hätten die Zuger Linken das Wählerpotenzial, um zwei von sieben Sitzen in der Regierung zu besetzen. Wenn sie es gescheit anstellen. Aber anstatt sich strategisch abzusprechen, geraten sich SP und die Alternativen – die Grünen des Kantons Zug öffentlich in die Haare.
Das Schlachtfeld im Vorwahlkampf für den kommenden Herbst liegt derzeit in den Leserbriefspalten der «Zuger Zeitung». «So schaffen wir Linken uns selbst ab» überschrieb der SP-Kantonsrat Zari Dzaferi dort kürzlich eine Wutrede.
Erzürnt hat den Lehrer aus Baar das Verhalten der alternativen Noch-Regierungsrätin Manuela Weichelt-Picard, die gerade mal ein halbes Jahr vor den Wahlen entschied, nach drei Amtszeiten nicht wieder anzutreten (zentralplus berichtete). Und die so die strategische Planung von politischen Freunden zunichtemachte.
(Bild: mam)
SP-Kandidaten kaltgestellt
Die SP, die sich im Wahlkampf mit den Alternativen absprechen wollte, um gemeinsam den zweiten Sitz im Regierungsrat wiederzugewinnen, den die Linke von 1991 bis 2010 besass, sieht sich ausgekontert. Denn nun sind ihre beiden profiliertesten Vertreter kaltgestellt: Barbara Gysel, Präsidentin der SP-Kantonalpartei, die sich Ende Februar darauf festgelegt hat, für den Zuger Stadtrat und für das Stadtpräsidium zu kandidieren.
Und Dzaferi selber, der als politische Nachwuchshoffnung in verschiedenen Wahlen der letzten Jahre gut abgeschnitten hatte. Er hat ebenfalls schon kundgetan, dass er diesmal den Sprung in den Baarer Gemeinderat versuchen will.
(Bild: wia)
Ein böser Plan?
Man habe von der SP aus bereits im letzten Herbst regelmässig nachgefragt, was die Alternativen planten, macht Dzaferi geltend. Manuela Weichelt-Picard habe es aber versäumt, ihre Karriereplanung rechtzeitig an die Hand zu nehmen, und so der gesamten Linken geschadet, findet der Sozialdemokrat.
«Wenn wir vor der ALG nominiert hätten, hätte man uns vorgeworfen, dass wir den Sitz von Manuela Weichelt angreifen wollten», ist Dzaferi überzeugt. Deshalb habe man möglichst früh eine Antwort von Manuela Weichelt erbeten. Ihre Auskunft habe jeweils gelautet: «Zum aktuellen Zeitpunkt werde ich kandidieren», sagt der Baarer SP-Mann.
Möglicherweise sei dies ja absichtlich geschehen, um die SP als politische Wettbewerber auszuschalten, mutmasst Dzaferi. Mit einer versteckten Agenda habe man erreicht, dass die SP ihre Hoffnungsträger für die Gemeindewahlen aufstellt, um so lange den eigenen Kronprinzen – ALG-Kantonsrat Andreas Hürlimann – weiter aufzubauen und im rechten Augenblick als Regierungsratskandidaten aus dem Hut zu zaubern, glaubt Dzaferi.
(Bild: zvg)
Es tut halt jeder, was er will
«Es gibt keine versteckte Agenda», sagt hingegen Andreas Lustenberger, der Präsident der Alternativen – die Grünen des Kantons Zug. Manuela Weichelt-Picard habe sich für ihre Entscheidung Zeit bis April ausbedungen. Dies habe man der SP auch so mitgeteilt. «Natürlich wäre es auch für uns leichter geswesen, bereits im Herbst mit Sicherheit planen zu können», meint er.
Jedoch sei die ALG seit jeher eine basisdemokratische Partei. «Bei uns kann der Präsident dem Parteivolk nicht einfach sagen: hier gehts lang», so Lustenberger. Dazu besässe er gar nicht das nötigen Instrumentarium und wolle diese auch nicht. Auch Andreas Hürlimann habe sich auf die Situation eingestellt. Deshalb hätten die Steinhauser Grünen ihre Nomination vertagt, bis Weichelt ihren Entschluss gefasst hatte.
«Fahrlässig unverantwortlich»
Dzaferi mag das nicht besänftigen. «Eine sorgfältige Planung ist das A und O in jedem Wahlkampf. Diese wurde nun massiv erschwert. Ob für ALG und SP oder nur für die SP, muss jeder für sich beurteilen.»
Man solle sich bewusst sein, «dass dieses fahrlässige, unverantwortliche Handeln den einzigen links-sozialen Sitz in der Regierung massiv gefährdet», findet Dzaferi und hat somit die Schuldige für eine mögliche Wahlniederlage der Linken im Herbst schon gefunden: Manuela Weichelt-Picard.
Martin Stuber schlägt zurück
Mit seinen Vorwürfen haut Dzaferi in dieselbe Kerbe wie mehrere Generationen von SP-Politikern vor ihm. Der Streit zwischen SP und Alternativen, der in der Vergangenheit regelmässig vor oder nach den Wahlen ausbrach, verläuft nämlich immer ähnlich.
Die Sozis werfen den Grünen vor, eigennützig zu handeln und nicht an einer gleichberechtigten politischen Partnerschaft interessiert zu sein. So argumentiert auch Dzaferi: «Hätte die ALG wirklich mit der SP zusammenarbeiten wollen, so hätte möglichst früh klargemacht werden müssen, dass sie mit einem Mann antreten werden, damit die SP früh eine Frau nominieren konnte. So wären zwei linke Sitze möglich gewesen.»
(Bild: mam)
Die Alternativen hingegen warfen der SP jeweils vor, ihre politischen Hausaufgaben als politische Partner zu vernachlässigen und nicht genügend zu einer Zusammenarbeit beizutragen. Auch diesmal giftet der frühere grün-alternative Kantonsrat Martin Stuber aus Zug via Leserbrief zurück.
Wo sind die Polittalente geblieben?
Der als Informatik-Koordinator im Departement von Manuela Weichelt angestellte Haudegen macht den Sozialdemokraten den Vorwurf, sich ungenügend um den politischen Nachwuchs zu kümmern und zu wenige Ersatzkandidaten aufzubauen. Die Personaldecke sei «für diese Liga zu dünn», so Stuber.
In der Tat sind verschiedene sozialdemokratische Talente der mittleren Generation in den letzten Jahren weitgehend von der politischen Bildfläche verschwunden. Zum Beispiel die Psychologin Christina Huber Keiser, die einst für die Chamer SP im Kantonsrat sass. Oder die Lehrerin Simone Hutter, die früher die SP-Ortspartei in Baar präsidierte. Martin B. Lehmann, ein Banker aus Unterägeri, starb 2011.
Andere fähige Leute konnten die Sozialdemokraten nicht überzeugen, sich vermehrt zu engagieren: zum Beispiel die Volkswirtschaftlerin Alexandra Arnold Breitenmoser, welche in der Rechnungsprüfungskommission der Stadt Zug mittut und im Vorstand der SP-Stadtpartei sitzt – aber nicht zu Wahlen antreten mag.
Zeiten des Regierungsproporzes sind vorbei
Doch vielleicht sollte sich die Linke zusammenreissen und sich nicht mehr öffentlich selbst zerfleischen. Zumal dazu auch wenig Anlass besteht, seit Parteiabsprachen für gemeinsame Listen passé sind und taktische Spielchen an Bedeutung verloren haben.
Um zwei von sieben Regierungsratssitze zu erobern, braucht es theoretisch 28 Prozent aller Stimmen. Dieses Wählerpotenzial konnten die Zuger Linksparteien in jüngerer Vergangenheit bei Nationalratswahlen knapp mobilisieren.
Bei Kantonsratswahlen lagen sie jeweils ein paar Prozentpunkte darunter. Daraus folgt: Es braucht bei der Linken eine gemeinsame Kraftanstrengung mit guten Kandidaten, um das überaus ambitionierte Wahlziel von zwei Sitzen bei Regierungsratswahlen zu erreichen. Sonst bleiben die Linken bei einem Sitz stehen, oder purzeln ganz aus der Zuger Regierung raus.
Josef Lang rät zur Einigkeit
«Einige Leute haben noch nicht realisiert, was das neue Zuger Wahlsystem bedeutet», sagt der ehemalige grün-alternative Nationalrat Josef Lang. Der Regierungsrat werde mittlerweile im Majorzsystem gewählt. Vorgedruckte Listen gäbe es keine. Die Bürgerinnen und Bürger erhielten einfach einen leeren Zettel, auf den sie maximal sieben Namen schreiben können. Brauchte es früher gemeinsame Listen, heisse Einigkeit heute: «Die Linksparteien unterstützen sich gegenseitig, indem sie ihre Kandidaten wechselseitig zur Wahl empfehlen».
Dzaferi findet das eigentlich auch und meint dazu, dass die SP in Baar bereits bei der Nomination angekündigt hatte, Berty Zeiter von den Alternativen als Gemeindepräsidentin zu unterstützen. Allerdings störe ihne der versöhnlich-staatsmännische Ton von Josef Lang. «Lang hat selten eine Situation ausgelassen, um die SP frontal anzugreifen», sagt Dzaferi und verweist auf ein Interview von Josef Lang, das kürzlich bei zentralplus erschienen ist.
Junge wollen nicht mehr streiten
Viele Linke sind von den traditionellen Zwistigkeiten zwischen SP und Alternativen wenig begeistert – gerade in der jüngeren Generation. Andreas Lustenberger etwa will «nicht Teil der alten Geschichten» werden und beschwört eine neue Kultur der Kooperation. «In einigen Gemeinden funktioniert die Zusammenarbeit zwischen SP und Alternativen ja schon lange sehr gut», gibt er zu bedenken. Beispielsweise in Baar, wo sich SP und Alternative die Kommissionssitze teilten, oder auch in Steinhausen.
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