Nur auf dem Papier sieht es gut aus

Zuger Regierung bekennt sich zu LGBTQ – vordergründig

Im Bild: Eine Aktion zum Pride Month der Juso Zug – sowie die beiden Kantonsrätinnen Virginia Köpfli und Jill Nussbaumer.

Queerfeindlichkeit, Homo- und Transphobie ist für viele Alltag. Die Regierung in Zug will nun eine Anlaufstelle für die LGBTQ-Community schaffen, wo sich deren Zugehörige bei Diskriminierung melden können. Die Sache klingt gut – hat aber einen Haken.

Beleidigt, bedroht und erniedrigt: Für viele Menschen aus der LGBTQ-Community ist dies keine Seltenheit (zentralplus berichtete).

Schweizweit nehmen Feindseligkeit, Hass und Gewalt gegenüber lesbischen, schwulen, bisexuellen sowie trans Personen zu. Die LGBT+-Helpline hat letztes Jahr insgesamt 92 Fälle registriert, in denen queere Menschen feindlich angegangen wurden. Das sind doppelt so viele Fälle wie im Vorjahr.

Zuger Kantonsrätinnen wollen Lesben und Schwule besser schützen

Die Problematik beschäftigt auch Kantonsrätinnen im Kanton Zug. Deswegen haben Virginia Köpfli (SP), Anna Bieri (Die Mitte) und Andreas Lustenberger (ALG) im letzten Sommer ein Postulat eingereicht. Sie forderten die Regierung damit auf, die bestehenden Massnahmen zum Schutz von lesbischen, schwulen und bisexuellen Menschen zu überprüfen und zu verstärken.

Die drei Parlamentarierinnen haben sich dabei auf den Schutz für Menschen mit verschiedener sexueller Orientierung fokussiert. Dies, weil das Schweizer – und auch das Zuger – Stimmvolk vor zwei Jahren deutlich Ja zur Erweiterung der Anti-Rassismus-Strafnorm gesagt hat. Um damit Lesben, Schwule und Bisexuelle vor Hass und Diskriminierung besser zu schützen.

«Doch ein Gesetz auf nationaler Ebene allein reicht nicht aus, es sind konkrete Massnahmen nötig», schrieben die Parlamentarierinnen. Ihre Forderung: Die erweiterte Strafnorm sollte nun mit geeigneten Präventions- und Sensibilisierungsmassnahmen begleitet werden. Nur so könne das Gesetz seine volle Wirkung entfalten.

Zuger Regierung sieht nicht viel Handlungsbedarf …

Nun liegt der Bericht und Antrag der Regierung vor. Auch der Regierung gibt zu denken, dass queere Menschen in der Schweiz immer mehr Diskriminierung und Gewalt erleben. Sie beobachte das mit «Besorgnis». «Die steigenden Fallzahlen erfordern erhöhte Wachsamkeit auch im Kanton Zug, der im Moment noch wenig davon betroffen scheint», schreibt die Regierung.

Die Regierung führt aus, dass sie bereits einiges mache. So lernen die Schülerinnen gemäss Lehrplan, Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung kritisch zu betrachten. So werden sie auf das Thema sensibilisiert. Und bei der Opferberatungsstelle können sich auch Menschen melden, die aufgrund ihrer Geschlechtsidentität oder ihrer sexuellen Orientierung Opfer von Gewalt wurden. Darum sieht die Regierung keinen Handlungsbedarf im Bildungsbereich, beim Opferschutz und in der Strafverfolgung.

… ausser in der Schaffung einer LGBTQ-Anlaufstelle

«Ein kantonales Angebot für LGBTQ-Personen und -Fragestellungen existiert aber nicht», räumt die Regierung ein. Und genau das möchte sie nun ändern.

Die Regierung will aber nicht eine spezialisierte LGBTQ-Stelle schaffen – sondern eine solche in einer bestehenden Anlaufstelle unterbringen. Denn es gibt im Kanton Zug bereits eine Anlaufstelle für Migrantinnen, die Diskriminierung erfahren.

«Es gibt praktisch gar keine Massnahmen, welche die Regierung vorschlägt, sondern nur leere Worthülsen.»

Virginia Köpfli, SP-Kantonsrätin Zug

Die Direktion des Innern prüft nun, wie sie diese Anlaufstelle in eine allgemeine «Fachstelle für Diskriminierungsfragen» erweitern kann. Dass die Anlaufstelle also künftig nicht nur für Migranten, sondern auch für Menschen da ist, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität diskriminiert werden.

Doch: Die bestehenden Ressourcen der Anlaufstelle will die Regierung nicht aufstocken.

Kantonsrätinnen hätten sich griffigere Massnahmen gewünscht

SP-Kantonsrätin Virginia Köpfli ist mit der Analyse der Regierung insofern zufrieden, als diese das Problem erkannt hat. «Umso ernüchternder sind die Massnahmen, welche die Regierung vorschlägt. Praktisch gibt es gar keine, sondern nur leere Worthülsen.» Dabei wäre jetzt viel Sensibilisierungsarbeit nötig, um die erweiterte Strafnorm entsprechend umzusetzen.

Gerade im Bereich der strafrechtlichen Verfolgung und bei der Polizei. Köpfli bemängelt, dass wegen des neuen Gesetzes keine Schulungen oder Sensibilisierungskonzepte innerhalb der Polizei umgesetzt würden. «Es wäre entscheidend, dass queere Menschen Vertrauen in die Polizei gewinnen, um Hass und Hetze zur Anzeige zu bringen.»

LGBTQ-Anlaufstelle: Diskriminierung ganzheitlich angehen

Und was sagen die beiden Kantonsrätinnen und LGBTQ-Organisationen zur vorgeschlagenen Diskriminierungs-Fachstelle?

Gemäss Transgender Network Switzerland (TGNS) spricht nichts dagegen, Diskriminierung ganzheitlich anzugehen. «Gerade queere Migrantinnen und Migranten sind ja eine besonders verwundbare Gruppe, weshalb eine Zusammenarbeit ohnehin nicht auszuschliessen ist», schreibt Janna Kraus von TGNS auf Anfrage.

«Es macht meiner Meinung nach Sinn, nicht noch mehr Schubladen zu schaffen, sondern bestehende Strukturen zu nutzen und zu erweitern.»

Jill Nussbaumer, FDP-Kantonsrätin Zug

FDP-Kantonsrätin Jill Nussbaumer sagt: «Den Ansatz der Regierung, Diskriminierung als Ganzes anzugehen, begrüsse ich. Es macht meiner Meinung nach Sinn, nicht noch mehr Schubladen zu schaffen, sondern bestehende Strukturen zu nutzen und zu erweitern.»

Und Roman Heggli von Pink Cross, der Dachorganisation schwuler und bisexueller Männer, bringt die Schaffung einer Fachstelle für Gleichstellung aufs Tapet. Diese Forderung taucht immer wieder auf, seitdem der Kanton 2010 die Gleichstellungskommission abgeschafft hat (zentralplus berichtete). «In meinen Augen wäre die Schaffung einer Fachstelle für Gleichstellung zielführender als eine allgemeine Anlaufstelle für Diskriminierungsbetroffene.»

Ressourcen geben zu reden

Zu reden geben hingegen die Ressourcen. Janna Krause von TGNS schreibt: «Es muss klar sein, dass die Einrichtung einer Anlaufstelle ohne strategische Aufstellung, ohne personelle Ressourcen und ohne spezifische Expertise kaum etwas ausrichten kann.»

Dem schliesst sich Nussbaumer an. Sie hätte sich gewünscht, dass die Regierung konkreter darauf eingegangen wäre, wie die Fachstelle genau erweitert werden sollte. «Zudem muss sichergestellt werden, dass sie entsprechende Fachkenntnisse und Ressourcen hat.» In diesem Fall mache es aber Sinn, da solche Präzisierungen normalerweise nach der Erheblichkeitserklärung im Kantonsrat definiert würden. Und der Regierungsrat in seiner Antwort vor allem eine Stossrichtung vorgibt, wie Nussbaumer erläutert.

Roman Heggli von Pink Cross findet deutliche Worte: «Wenn die Regierung dem Schutz von LGBTQ-Personen wirklich einen hohen Stellenwert beimessen will, so muss sie auch entsprechend Geld in die Hand nehmen.»

Köpfli spricht von einem gewichtigen Entscheid im Zuger Kantonsrat

Köpfli, Nussbaumer und Heggli hätten sich insbesondere eines gewünscht: dass die Regierung nicht nur über die Regenbogen-Community spricht, sondern auch mit ihr. Heggli sagt, dass es vertiefte Abklärungen benötige, um den tatsächlichen Handlungsbedarf zu erkennen. «Die Regierung hätte sich mit LGBTQ-Organisationen an einen Tisch setzen müssen», sagt auch Köpfli. «Hier hat sie ihren Job nicht gemacht.»

Die beiden Kantonsrätinnen sind überzeugt, offene Fragen bei der Parlamentsdebatte vom 7. Juli klären zu können. Köpfli spricht von einem gewichtigen Entscheid. «Der Kantonsrat könnte einen Schritt vorwärts machen und einen wichtigen, symbolischen Entscheid für Homo- und Bisexuelle im Kanton Zug treffen.»

Verwendete Quellen
  • Bericht und Antrag der Regierung
  • Telefonat mit Virginia Köpfli
  • Telefonat mit Jill Nussbaumer
  • Schriftlicher Austausch mit Janna Krause, TGNS
  • Telefonat mit Roman Heggli, Pinkcross
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5 Kommentare
  • Profilfoto von Hans Baumann
    Hans Baumann, 06.07.2022, 23:59 Uhr

    ein grosses Thema ,aber es ist in der ganzen Schweiz nicht besser ,meine Bilanz in rund 20 Jahren QUERR UND LGBTQ 8 mal zusammmengeschlagen ,2 fast gebrochene Finger , verklopfte Zähne 6 mal , 4 mal in den Brunnen geworfen , x mal Kleider zerissen ,3 mal überfallen um 24 uhr ,alle sozialen Kontakte verloren , für die Mitmenschen der letzte Dreck , Lokaverbote und Rauswürfe , keiner will mit mir was zu tun haben ,werde als asozial und bekloppt angeschaut , zudem von den drohungen gegen mich nicht zu reden ,kurz ,willst du den SOZIALEN SUPERGAU willst du alle Kontakte verlieren ,willst du überall in Vereinen usw rausgeworfen werden ,willst du das du dich verleugnen musst sonst keiner mehr mit dir was zu tun haben will ,willst du bedroht oder verhauen bis zum , zum Glück nicht eingetretten , bitteren Ende gehen dann OUTE dich den so machst du dich Garantiert am schnelsten kapuut

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  • Profilfoto von Hans Flüe
    Hans Flüe, 03.07.2022, 19:26 Uhr

    Da braucht es wohl mehr.

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  • Profilfoto von Jacques
    Jacques, 03.07.2022, 19:21 Uhr

    Ein bestimmtes Verhalten kann nur bestraft werden, wenn das Gesetz dieses Verhalten ausdrücklich unter Strafe stellt. Wer sich diskrimiert, beleidigt etc. fühlt, erstattet Anzeige, und die Justiz macht ihren Job. Ganz einfach. Apropos: Was ist mit den «alten weissen Männern», «OK Boomer», die gerade von Links-Grün immer mal wieder ausgegrenzt und verächtlich gemacht werden?

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    • Profilfoto von Albert von Hasle
      Albert von Hasle, 03.07.2022, 20:16 Uhr

      Hast du den falschen Artikel kommentiert? Es geht hier unter anderem um Gewalttaten – sind solche in Ordnung?

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