Asylzonen: Gemeinden fürchten um Autonomie

Zuger Regierung allein auf weiter Flur

Wo Asylzentren gebaut werden sollen, will die Zuger Regierung zukünftig im Richtplan festlegen. Im Bild: Das Bundesasylzentrum Gubel in Menzingen.

(Bild: Fabian Duss)

Der Zuger Baudirektor Urs Hürlimann will den Gemeinden bei der Suche nach Asyl-Unterkünften unter die Arme greifen. Neu soll der Kantonsrat im Richtplan spezielle Zonen für Asylzentren festlegen. Was gut klingt, löst allerdings nicht überall Begeisterung aus. Die Mehrheit der Zuger Gemeinden kann mit dem Regierungs-Vorschlag nämlich herzlich wenig anfangen.

Das mediale Echo war gross. «Zuger Regierung geht neue Wege», «Kanton Zug plant Asyl-Sonderzonen» und ähnliche Schlagzeilen waren in den letzten Tagen zu lesen. Konkret geht es darum, dass Asylzentren in Zug künftig nicht mehr auf Gemeindeebene, sondern über den kantonalen Richtplan auf den Kanton verteilt werden sollen (zentralplus berichtete). So liesse sich verhindern, dass es für ein konkretes Projekt eine Umzonung braucht, die von einer Gemeindeversammlung bewilligt werden müsste. Dieser Vorschlag der Zuger Regierung wäre eine schweizweite Premiere.

Grosse kantonale Zentren und weniger Kosten

Im Kanton Zug sind Asylsuchende und Flüchtlinge heute meist in kleineren oder mittelgrossen Unterkünften untergebracht. Das alte Kantonsspitalareal in Zug, das ehemalige Altersheim Waldheim, das Salesianum und weitere provisorische Unterkünfte stehen für diesen Zweck nur befristet zur Verfügung.

«Für diese Unterkünfte wird es Ersatz brauchen», sagt Baudirektor Hürlimann. Er ist der Meinung, dass mittel- bis langfristig grosse und zentrale Unterkünfte für Asylsuchende gebaut werden sollen. Den Ort dieser Zentren will die Regierung im Richtplan festlegen und insgesamt drei Standorte bestimmen. Damit werde der Kanton namentlich bei der Betreuung der Personen Kosten sparen können. Ausserdem stellt Hürlimann klar, dass nicht jede befristete Unterkunft das von ihm angedachte Verfahren durchlaufen müsse. «Es wird nur für grosse kantonale, definitive und zentrale Unterkünfte für 200 Personen und mehr notwendig sein.»

«Wir wollen den Gemeinden eine Hilfestellung in dieser stets emotionalen Angelegenheit bieten», begründet Regierungsrat Urs Hürlimann (FDP) das Vorhaben. Weiter betont er, dass es dabei nur um wenige grosse und zentrale Unterkünfte für Asylsuchende gehe, welche allenfalls temporäre oder befristete gemeindliche Unterkünfte dereinst ablösen sollen (siehe Box). Wenn das Kantonsparlament die Standorte festlege, sei der Entscheid viel breiter legitimiert, meint der Zuger Baudirektor.

Keine Entlastung in Sicht

So weit die Theorie. In der Praxis sieht das Ganze allerdings etwas anders aus. Denn im Gegenzug hätten die Gemeinden schlicht weniger zu allfälligen Standorten zu sagen. «Es ehrt Regierungsrat Urs Hürlimann, wenn er in dieser emotionalen Frage Verantwortung übernimmt», sagt der Zuger Stadtpräsident Dolfi Müller (SP) auf Anfrage. «Letztlich müssen aber doch die jeweiligen Gemeindebehörden für ihre Asyl-Standorte hinstehen.» Müller glaubt nicht, dass sich die Probleme auf diese Weise lösen lassen. Denn schliesslich könne spätestens die Baubewilligung für ein Asylzentrum auf juristischem Weg bekämpft werden.

«Der Druck wird kanalisiert statt weggenommen.»

Pius Meier, Gemeindepräsident von Oberägeri

Diesen Punkt greift auch Pius Meier (FDP), Gemeindepräsident von Oberägeri, auf: «Was auf den ersten Blick nach einem möglichen Lösungsansatz aussieht, wird bei genauerem Hinsehen sehr schnell relativiert.» Und weiter: «Denn auch kantonale Richtplan-Erlasse unterliegen einem öffentlichen Mitwirkungsverfahren, dabei wird der Druck auf die Gemeindebehörde auf diese Verfahrensebene kanalisiert statt weggenommen.» Da die Baubewilligungszuständigkeit bei den Gemeindebehörden liege, sei eine Entlastung dieser gar nicht möglich.

Eingriff in Gemeindeautonomie

Bei Andreas Hotz (FDP), dem Gemeindepräsidenten von Baar, fällt das Verdikt eindeutig aus: «Persönlich finde ich die Idee falsch und nicht zielführend. Die Autonomie der Gemeinden wird durch dieses angedachte Vorgehen in Frage gestellt beziehungsweise krass verletzt.» Die Gemeinden seien sehr wohl in der Lage, emotionale Herausforderungen zu meistern. Zudem würden die Gemeindebehörden und Exekutiven die lokalen Strukturen am besten kennen, fügt Hotz an.

«Das Problem wird dadurch nicht gelöst, auch emotional nicht.»

Tobias Hürlimann, Gemeindepräsident von Walchwil

Dem regierungsrätlichen Vorschlag ebenfalls nichts abgewinnen kann Tobias Hürlimann (CVP), Gemeindepräsident von Walchwil. Er glaubt nicht, dass das Vorhaben seines Namensvetters gross etwas bringen wird: «Das Problem wird dadurch nicht gelöst, auch emotional nicht.» Was es brauche sei eine faire, sachliche Kommunikation, findet der CVP-Politiker. «Und eine ganzheitliche Denkweise, nicht nur die Direktionsansichten», fügt er an.

Vertieft will sich der Walchwiler Gemeindepräsident zur Sache momentan nicht äussern. Man warte nun erst einmal die Vernehmlassung ab und sehe sich die Details genauer an. «Dann können wir auf der Sachebene antworten, wir wollen keine Polemik verbreiten», meint er – und lässt nicht unbetont, dass man in Walchwil bis anhin nie über das Vorhaben des Regierungsrats informiert worden sei.

Kommt Zeit, kommt Rat

Für andere Zuger Gemeinden ist es schlicht zu früh, um Aussagen zum Thema Asyl-Sonderzonen zu machen. «Im Rahmen des Vernehmlassungsprozesses werden wir die Pros und Contras abwägen», heisst es aus Hünenberg. Der Chamer Gemeinderat wird die Vernehmlassung voraussichtlich erst in einigen Monaten verabschieden. Abwarten will man auch in Steinhausen und Neuheim.

Diese Zurückhaltung ist nicht ganz unbegründet. Denn die Asyl-Sonderzonen sind Teil der vom Kanton vorgesehenen Revision des Planungs- und Baugesetzes. Bis Ende September können sich Gemeinden, Parteien und Gruppierungen zur Thematik äussern. «Wir sind gespannt, wie die Idee ankommt», sagt Baudirektor Urs Hürlimann. Schon jetzt zeigt sich allerdings, dass er mit viel Gegenwind rechnen muss.

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