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Der Zuger Kantonsratssaal ist krachend versenkt worden. Das Projekt fügt sich in eine Reihe von Scherbenhaufen ein. Das sollte ein Weckruf sein, findet unsere Autorin.
Autsch. Es hätte ein grosser Wurf sein sollen – nun ist der neue Zuger Kantonsratssaal vorerst Geschichte (zentralplus berichtete). Der Grosse Gemeinderat hat am Dienstag einen dafür nötigen Tauschvertrag einstimmig abgelehnt. Noch bevor überhaupt klar war, wie das Projekt ausgesehen hätte.
Damit ist erneut ein Bauprojekt der Zuger Behörden krachend gescheitert. Der Kantonsratssaal fügt sich in eine Reihe von Fehlgriffen und Klatschen der jüngsten Zeit ein:
- Der Kanton Zug plant zwei Tunnel für eine Milliarde Franken – und scheitert. Obwohl die Mehrheit des Kantonsrats, Gewerbeverbände und Co. dafür waren (zentralplus berichtete).
- Das geplante Schulhaus im Arbach-Quartier an der Gemeindegrenze zu Baar. Nach deftiger Kritik wurden die Pläne wenige Monate nach der Vorstellung gekübelt (zentralplus berichtete).
- Die Stadt Zug hat die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der Wohnsituation unterschätzt – und der 2000-Wohnungs-Initiative keinen Gegenvorschlag gegenübergestellt. Dann wurde sie angenommen (zentralplus berichtete). Inzwischen klagt die Stadt, dass der Bau von günstigen Wohnungen nicht mehr vorankomme (zentralplus berichtete).
- Zuerst wollte der Zuger Stadtrat der Bevölkerung nur einen Teil der Kosten für den Neu- und Ausbau des Schulhauses Herti vorlegen (zentralplus berichtete). Nach heftiger Kritik durfte die Bevölkerung dann doch über Neubau, Umbau und Sanierung abstimmen (zentralplus berichtete).
Diese Beispiele sollten der Stadt und dem Kanton Zug eigentlich eine Lehre sein. Und daraus liesse sich ableiten, was für ein gutes Projekt wichtig wäre.
Bevölkerung frühzeitig einbeziehen
Beim Kantonsratssaal waren Fachleute, Denkmalpflege, Stadt und Kanton Zug beteiligt – aber die Bevölkerung blieb auf der Strecke. Oder um es in den Worten von SP-Gemeinderätin Marilena Amato Mengis zu sagen: «Mit diesem Geschäft lassen Stadtrat und Regierung jedes Gespür für die Bedürfnisse der Bevölkerung vermissen.» Immerhin müssten die Stadtzugerinnen einen Teil ihres beliebten Freiraums am See aufgeben, die Anwohner einen Teil ihrer Aussicht. Sie wurden vor vollendete Tatsachen gestellt – was sie gar nicht goutierten. Innert kürzester Zeit machte sich Widerstand breit. Gleiches Spiel beim Schulhaus Arbach.
Wären Anwohnerinnen oder die Bevölkerung bereits früher einbezogen worden, hätte die Verwaltung das Projekt vielleicht besser erklären und schmackhaft machen können. Mit einem Versprechen für eine neue öffentlich zugängliche Buvette ist es nicht getan. Oder aber Zug hätte die Sorgen und Bedürfnisse der Bevölkerung aufnehmen können und verstanden, dass dieser Platz schlicht keine Chance hatte. Etwa, weil viele Stadtzuger emotional an der Voliere hängen. Oder mit dem Landsgemeindeplatz viele Erinnerungen und Veranstaltungen verbinden.
Wer weiss, vielleicht hätten sich an einem offenen Treffen oder während einer Vernehmlassung gar Ideen ergeben, die weder Stadt noch Kanton auf dem Schirm hatten? Kommt hinzu: Nicht mal die Meinung und Bedürfnisse des Zuger Kantonsrats wurden für «ihren Saal» sauber abgeklärt. Also: einige Wochen oder Monate investieren, um der Bevölkerung den Puls zu fühlen. Lieber ein etwas verzögertes Projekt als ein gescheitertes.
Bevölkerung will keine Katze im Sack
Ja, sowohl Stadt als auch Kanton Zug haben Geld. Was aber nicht heisst, dass deswegen teure Projekte einfach durchgewunken werden. Wenn der Kanton Zug eine Milliarde Franken in Tunnel investieren will, will die Bevölkerung auch genau wissen, was sie dafür bekommt. Sind wichtige Punkte unklar – wie etwa flankierende Massnahmen –, wächst die Skepsis (zentralplus berichtete).
Zudem haben die Skizzen des Kantonsratssaals und der weisse Klotz nicht unbedingt Begeisterung in der Bevölkerung ausgelöst. Kommentare unter den zentralplus-Artikeln kritisierten etwa den «Klotz am Wasser», andere fragten sich, welche Standorte überhaupt geprüft worden sind – und wieso der Kanton dies verschwieg. Erst mit dem Bericht der Geschäftsprüfungskommission konnte die Öffentlichkeit sehen, welche Standorte überhaupt infrage kamen.
Das zeigt: Die Bevölkerung fordert Transparenz. Sie will wissen, wieso der Stadtrat sich für einen Standort oder Projekt entscheidet und welche Alternativen es gegeben hätte. Am besten möglichst früh, nicht erst nach Wochen des Werweissens. Schön klingende Worte und Worthülsen wie «Begleitmassnahmen» oder «flankierende Massnahmen» sollten möglichst schnell mit konkreten Projekten hinterlegt werden. Damit die Zuger auch genau wissen, was sie für den teuren Griff ins Portemonnaie erhalten. Und Projekte einfordern können, wenn sich diese verzögern oder nicht wie versprochen umgesetzt werden.
Eile mit Weile
Der Schulraum ist knapp, die Situation kritisch, der Kantonsratssaal heiss, und die Zuschauerinnen kleben an der Wand. Das sind unbequeme Tatsachen, und es ist löblich, dass der Zuger Stadt- und Regierungsrat sich dem annehmen will. Doch: Dringende Probleme entbinden die Behörden nicht vor sorgfältigen Abklärungen.
Eine Vernehmlassung, um herauszufinden, ob der Kantonsrat und die Bevölkerung einen neuen Kantonsratssaal wollen. Denkmalpflegerische Abklärungen, um zu wissen, ob der bestehende Bau nicht doch abgerissen und neu gebaut werden kann – bevor eine grüne Wiese beim Schulhaus Guthirt verbaut wird (zentralplus berichtete). Auch die Stadt Luzern wollte einen teuren Theaterneubau haben, noch bevor die Debatte geführt wurde, ob das Theater mit seinen drei Sparten Theater, Oper und Tanz so Zukunft hat.
Die Mühlen der Behörden mahlen langsam. Trotzdem ist es wichtig, Steine und Stöcke aus dem Getriebe zu entfernen, damit sie die Mühle nicht blockieren.
- Teilnahme GGR-Sitzung am 29. April
- Medienarchiv zentralplus