Wahlkampf in Luzern

Wohnungsnot: Plötzlich ist es auch ein Thema der Grünen

Mit viel Elan in den Wahlkampf, hier im Januar 2023. Das Thema Wohnungsnot spielt hier offensichtlich noch keine Rolle. (Bild: Grüne Luzern)

Die Grünen-Fraktionen im Stadt- und Kantonsparlament reichen ein ganzes Paket an Vorstössen zur Wohnungsnot ein. Doch der Zeitpunkt der Vorstösse wirft Fragen auf. Ist es wirkliches Engagement – oder purer Opportunismus?

Die Wohnungsnot ist in der Schweiz das Thema der Stunde. Kein Tag vergeht, an dem in Zeitungen nicht vorgerechnet wird, wie viele Wohnungen in den nächsten Jahren fehlen werden und an dem Politikerinnen nicht ihre Rezepte gegen das Problem empfehlen.

Grüne kritisieren Regierung

Die Diskussion ist an den Grünen in der Stadt und im Kanton Luzern nicht vorbeigegangen. Auch sie wollen das Thema für sich beanspruchen und haben dazu eine ganze Reihe von Vorstösse auf städtischer und kantonaler Ebene eingereicht. Unter anderem fordern sie von der Regierung, das Gesetz über die Wohnbau- und Eigentumsförderung umzusetzen. Dies ermöglicht es der Regierung, Wohnbaugenossenschaften finanziell zu unterstützen und so preisgünstige Wohnungen zu fördern.

In einer entsprechenden Medienmitteilung wird der Kantonsrat Gian Waldvogel mit scharfer Kritik in Richtung Regierung zitiert: «Wir haben eine Wohnungskrise mit Ansage – die Luzerner Regierung hat das Thema verschlafen.»

Gian Waldvogel_Kantonsrat
Gian Waldvogel sitzt für die Grünen im Kantonsrat und führt die Geschäftsstelle der Kantonspartei. (Bild: zvg)

Harsche Worte von einer Partei, die in der Stadt Luzern just vor zwei Tagen bei der Airbnb-Abstimmung, gemeinsam mit allen anderen Parteien ausser der SP, eine herbe Schlappe einzog. Mit Genugtuung hielt Yannick Gauch nach der Abstimmung gegenüber zentralplus fest, dass die SP die einzige Partei sei, die sich konsequent für Mieterinnen einsetze. Die Grünen hingegen hätten sich beim Thema Wohnpolitik unglaubwürdig gemacht (zentralplus berichtete).

Das steckt hinter den Vorstössen

Nun ist es unwahrscheinlich, dass die Grünen als Reaktion auf die Abstimmungsniederlage in der Stadt innerhalb von 24 Stunden gleich vier Vorstösse formuliert und eingereicht haben. So bestätigt auch Gian Waldvogel am Telefon: «Das Thema ist seit Langem in vielen Regionen des Kantons Luzern, auch weil sich die Situation mit der Inflation und den steigenden Mieten zuspitzt.»

«Wir Grünen setzen uns für eine soziale Politik ein und dazu gehört ganz klar auch bezahlbarer Wohnraum für alle.»

Gian Waldvogel, Kantonsrat Grüne

Gleichzeitig sei die Diskussion aktuell sehr polemisch. Berichte über Mieter in Windisch, denen die Wohnung gekündigt wurde, um dort Flüchtlinge unterzubringen, haben für Aufruhr gesorgt. Blitzschnell hat die SVP das Thema aufgegriffen und für ihre Asyl- und Zuwanderungspolitik benutzt. Gian Waldvogel sagt: «Wir wollen die polemische Debatte mit unseren Vorstössen wieder sachlicher gestalten.»

Wohnungsnot ist das heisseste Wahlkampfthema

Deren Zeitpunkt wirft aus Luzerner Perspektive dennoch Fragen auf. Denn hier ist die Wohnungsnot kein neues Problem. Im September des vergangenen Jahres publizierte der Kanton die aktuelle Leerwohnungsziffer von 0,9 Prozent. So tief war sie seit 2014 nicht mehr, weshalb der Mieterinnenverband unmittelbar von einem Schock sprach.

Seither ist ein halbes Jahr vergangen, ohne dass die Grünen aktiv wurden. In drei Wochen finden in Luzern die kantonalen Wahlen statt. Der Verdacht liegt nahe, dass die Grünen das aktuell brennendste Thema benutzen, um damit Wahlkampf zu betreiben. Dieser Verdacht erhärtet sich beim Anblick der offiziellen Wahlkampfthemen der Grünen, welche zu einem Zeitpunkt definiert wurden, als das Thema Wohnungsnot auf nationaler Ebene noch kaum jemanden interessierte. Für den Klimaschutz wollen sich die Grünen einsetzen, für eine nachhaltige Mobilität und eine offene Gesellschaft – doch vom Thema Wohnpolitik fehlt jegliche Spur.

Hat die Partei das Thema verschlafen und korrigiert diesen Fehler nun mittels des erwähnten Vorstosspaketes, mitten im Wahlkampf?

Keine Vorstösse auf kantonaler Ebene

Gian Waldvogel erwidert: «Bezahlbarer Wohnraum ist für uns seit Jahren ein wichtiges Thema. Nur weil es kein offizielles Wahlkampfthema ist, heisst das nicht, dass wir uns nicht damit beschäftigen.» Und er fügt an: «Wir Grünen setzen uns für eine soziale Politik ein und dazu gehört ganz klar auch bezahlbarer Wohnraum für alle.»

Die Partei habe dazu immer wieder Vorstösse eingereicht. Und mit Nationalrat Michael Töngi und Kantonsrat Fabrizio Misticoni seien zwei Parteimitglieder im Vorstand des Mieterverbands auf nationaler respektive auf regionaler Ebene.

«Die Regierung verfügt über Instrumente, die eine grosse Wirkung haben können.»

Gian Waldvogel, Kantonsrat Grüne

Doch ein Blick auf die Liste der Vorstösse der aktuellen Grünen Kantonsräte zeigt ein anderes Bild. Hier findet sich nur ein Vorstoss von Kantonsrätin Monique Frey zum Thema Wohnen. Selbst Mieterverband-Vorstandsmitglied Misticoni hat seit seiner Wahl in den Kantonsrat 2019 keine Vorstösse zum Thema eingereicht – bis auf die jetzigen. Auf städtischer Ebene gibt es vereinzelte Vorstösse der Grünen Fraktion, welche die Wohnraumpolitik zum Thema machen.

Gian Waldvogel sagt: «Im Herbst haben Grüne Nationalräte zahlreiche Vorstösse zur Wohnpolitik eingereicht.» Doch der Bundesrat fühle sich für das Problem offenbar nicht verantwortlich. «Darum werden wir jetzt auf kantonaler Ebene aktiv.»

Mit den jetzigen Vorstössen fordern sie die Regierung auf, das Thema aktiv anzugehen. Denn der Kantonsrat ist überzeugt: «Die Regierung verfügt über Instrumente, die eine grosse Wirkung haben können.» Ob sich die Vorstösse auch auf das Wahlergebnis der Grünen auswirken wird, zeigt sich am 2. April.

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5 Kommentare
  • Profilfoto von Margarete
    Margarete, 18.03.2023, 23:04 Uhr

    Betroffene Immobilien Besitzer heulen jetzt laut auf. Was, wo und wieviel sie vor der Abstimmung mit AirBnB kassiert haben, wollen sie nicht transparent machen.

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  • Profilfoto von Beat Keiser
    Beat Keiser, 17.03.2023, 16:32 Uhr

    Immer schärfere Gesetze und immer weniger Rendite machen nicht gerade viel Mut für Investoren mehr Wohnungen zu bauen. Diese sind ja bei rot/grün sowiso immer die Buhmänner und Abzocker. Warum sol man da nohWohnungen bauen. Auch die Annahme der Airbnb-Initiative kann leicht zum Bumerang werden. Konnte man drei, vier Wohnungen als Airbnb vermieten, konnte man damit die Mietwohnungen quer subventioniren und zu einem niedrigeren Preis vermieten.

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  • Profilfoto von Marie-Françoise Arouet
    Marie-Françoise Arouet, 17.03.2023, 10:49 Uhr

    Wenn diese Leute nicht ausgebremst werden, sieht es bald überall so aus wie auf dem Foto: Unbrauchbares Sperrmüllmobilar soweit das Auge reicht. Über das Wetter, das sie uns bescheren möchten, wagt man angesichts dieses tristen Bildes gar nicht nachzudenken.

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  • Profilfoto von Christian Scherrer
    Christian Scherrer, 17.03.2023, 10:10 Uhr

    Wohnkrise? Wohl kaum bei den grünen Baumversteher vom Wesemlin oder den Designerbike-Fahrer vom Bramberg.

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    • Profilfoto von Marie-Françoise Arouet
      Marie-Françoise Arouet, 17.03.2023, 10:20 Uhr

      Fliegt denn die ganze Heuchelei jetzt krachend auf?

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