Politologe analysiert Luzerner Wahlen

Wohnungsnot in aller Munde – trotzdem stagniert die Linke

Ylfete Fanaj und David Roth (beide SP) beobachteten die Zwischenresultate am Wahlsonntag gespannt. (Bild: Emanuel Ammon / Aura)

Die Luzerner SVP legt an den Wahlen in Luzern zu, die SP tritt auf der Stelle. Dies, obwohl die derzeit diskutierten Themen insbesondere die Sozialdemokraten beflügeln müssten. Politologe Tobias Arnold erklärt, wieso.

Wohnungsnot, steigende Mieten, sinkende Kaufkraft: Derzeit grassieren viele Themen, die den linken Parteien in die Karten spielen sollten. Trotzdem konnte die Luzerner SP am Wahlsonntag ihre Sitze nur halten, die Grünen mussten einige abgeben (zentralplus berichtete). Gleichzeitig rückt das Kantonsparlament etwas nach rechts.

Insgesamt ist das Parlament des bürgerlichen Kantons Luzern also noch bürgerlicher geworden. Die SVP hat auf Kosten von Mitte und Grünen fünf Sitze zugelegt. Doch weshalb hat die SVP an diesen Wahlen derart überzeugt?

Gemäss dem Luzerner Politologen Tobias Arnold vom Forschungsinstitut Interface hat das vor allem mit der aktuellen Themenlage zu tun. In den vergangenen Wochen und Monaten hätten die Energieversorgung und Flüchtlinge die Schlagzeilen dominiert. Gleichzeitig seien wichtige Themen der Wahlen 2019, wie etwa das Klima, in den Hintergrund gerückt.

«Derzeit sind vor allem Themen, welche die SVP intensiv bewirtschaftet, im Vordergrund. Daher konnte die SVP ihre Wähler eher mobilisieren.» Dies zeigt sich auch bei Wahlen in anderen Kantonen: etwa in Zürich, Baselland und Genf.

In der Stadt profitieren Parteien von Listenverbindungen

Auffällig dabei: Die SVP konnte auch in der sonst linksdominierten Stadt Luzern punkten. Trotz des Wechsels ihres bisherigen Kantonsrats Thomas Schärli in den Wahlkreis Luzern-Land konnte die SVP ihre drei Sitze in der Stadt halten. Grosse Gewinner in diesem Wahlkreis ist jedoch die FDP. Gemäss Tobias Arnold hat sie hier vor allem von der umstrittenen Listenverbindung mit der GLP profitiert (zentralplus berichtete). «Bei Listenverbindungen profitiert vor allem eine Partei. Beim Wahlkreis Luzern-Stadt hat es vor allem der FDP genützt.»

Dies bestätigen auch neueste Auswertungen von Lustat. Die Freisinnigen haben rund 4660 Panaschierstimmen erhalten – womit sie trotz eines Verlusts von 1,9 Prozentpunkten einen Sitz gewinnen konnten.

«In unsicheren Zeiten halten die Leute viel eher an älteren Werten und bürgerlicher Politik fest.»

Tobias Arnold, Politologe bei Interface

Die GLP musste in der Stadt einen Kantonsratssitz abgeben, der bisherige Kantonsrat András Özvegyi wurde nicht wiedergewählt. Arnold hält jedoch fest: «Dieser dritte SVP-Sitz ist weniger gesichert als die anderen zwei. Bei den nächsten Wahlen könnte dieser wieder wackeln.»

Politologe: Inflation und CS verunsichern die Bevölkerung

Am anderen politischen Pol sieht es weniger sonnig aus. Die Grünen büssen Sitze und Parteistärke ein, die SP kann ihre Sitze zumindest halten. Was verwundert, da auch SP-dominierte Themen derzeit stark diskutiert werden. So etwa die Wohnungsnot. Im Zuge dessen konnte die SP in der Stadt Luzern erst kürzlich entgegen aller Erwartungen die Abstimmung der Airbnb-Initiative gewinnen (zentralplus berichtete). Wieso konnte die SP trotzdem nicht zulegen?

«Zwar grassieren derzeit tatsächlich SP-Themen», bestätigt Arnold. «Doch gerade die SVP hat es geschafft, diese Probleme mit ihrem Kernthema in Verbindung zu setzen. Beispielsweise die Wohnungsnot mit Überbevölkerung und Migration.» Während die SP mehr Staat und mehr Regulierung fordere, verorte die SVP die Lösung des Problems an den Grenzen.

Zudem seien diese Wahlen auch von einer unsicheren Wirtschaftslage geprägt. Noch immer herrsche Inflation und auch die Übernahme der Credit Suisse verunsichere die Bevölkerung. Arnold: «Die Geschichte zeigt immer wieder: In unsicheren Zeiten halten die Leute viel eher an älteren Werten und bürgerlicher Politik fest.» Bei Rezessionen oder Inflation würden vermehrt wirtschaftsliberale Politiker gewählt.

Kantonale Wahlen als Seismograph

Am 14. Mai steht der zweite Wahlgang der Regierungsratswahlen an, im Oktober die Neuwahl der National- und Ständeräte. Was sagt der Luzerner Wahlsonntag über die kommenden Wahlen aus? «Kantonale Wahlen sind wie ein Seismograph. Vieles deutet auf einen Rechtsrutsch hin», sagt Politologe Arnold. Grosse Veränderungen erwartet er jedoch nicht. «Im Grossen und Ganzen werden wir eine Zementierung der bestehenden Verhältnisse haben, also klar bürgerlich.»

Politologe Tobias Arnold vermutet, die bürgerlichen Parteien werden auch bei den nationalen Wahlen im Herbst gut abschneiden. (Bild: zvg)

Noch sei jedoch viel Zeit bis zu den Wahlen. Die Themen könnten bis dahin wieder zugunsten der Linken drehen. Beispielsweise durch einen extrem trockenen Sommer, der das Klimathema wieder in den Fokus rücke. Entscheidend sei jedoch, dass die SP und die Grünen ihre Wähler mobilisieren können. Denn gerade in der Stadt und der Agglomeration, wo die Linke viele Stimmen holt, ist die Stimmbeteiligung deutlich tiefer als auf dem Land.

«Wichtig ist für die Parteien, die eigenen Sympathisantinnen an die Urne zu bringen.» Ob der SP das gelingt, wird sich spätestens am 14. Mai zeigen, wenn ihre Kandidatin Ylfete Fanaj voraussichtlich um einen Regierungssitz kämpft.

Hinweis: Der Artikel ist mit Erkenntnissen von Lustat Statistiken ergänzt worden, die den Nutzen der bürgerlichen Listenverbindung in der Stadt besser einordnen. Zudem ist die Aussagen Arnolds korrigiert worden, der sich in dem betreffenden Zitat auf die FDP bezogen hat.

Verwendete Quellen
  • Wahlresultate des Kantons Luzern
  • Artikel «Tages-Anzeiger»
  • Telefongespräch mit Tobias Arnold, Politologe beim Forschungsinstitut Interface
  • Lustat Statistiken zum Stimmenaustausch während den Wahlen 2023
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14 Kommentare
  • Profilfoto von Nico
    Nico, 05.04.2023, 06:40 Uhr

    Niemand glaubt, dass die Linke ernsthaft die Probleme lösen können. Schliesslich ist die Linke Politik stark mitverantwortlich daran: Unbegrenzte Einwanderung, ständig neue Auflagen und Einsprachen welche Bauprojekte behindern und verteuern. All das treibt Kosten und Mieten in die Höhe.

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    • Profilfoto von tore
      tore, 06.04.2023, 11:38 Uhr

      Wer hat die Mehrheit im Luzerner Kantons-Parlament, im eidgenössischen Parlament und im Bundesrat?

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  • Profilfoto von Gruesse vom Einhorn Schlachthaus
    Gruesse vom Einhorn Schlachthaus, 04.04.2023, 13:58 Uhr

    Wohnungsnot, Krankenkassenprämien, Teuerung und BVG-Abzocke ist das eine.
    Fehlgeleitete Identitätspolitik, Cancel Culture, Paternalismus, Migrations- und Europapolitik ist das andere.
    Die Linke könnte, ja müsste ihre eigene Dogmatik aufbrechen und auf die konkreten Bedürfnisse der Wählerschaft eingehen. Dann kommen schlagartig die Wählerinnen und Wähler zurück. Aber so. Unbeweglich bleiben und niedergehen…

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    • Profilfoto von Kasimir Pfyffer
      Kasimir Pfyffer, 04.04.2023, 18:04 Uhr

      Nö. Die angebliche Cancel Culture ist ein Hors-Sol-Problem, das von den «bürgerlichen» Parteien und Zeitungen liebevoll gezüchtet und gehegt wird.
      Die wahre Tragik liegt darin, dass die Leute das Gekrähe, Angstmachen und allgemeine Theater nicht durchschauen. Sie fallen auf plumpe Parolen wie «Freiheit» oder «Leistung muss sich lohnen» rein, wählen die Abzockerparteien und damit tiefere Löhne, schlechtere Altersvorsorge, höhere Mieten und eine gnadenlose Umweltzerstörung.

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      • Profilfoto von Gruesse vom Einhorn Schlachthaus
        Gruesse vom Einhorn Schlachthaus, 05.04.2023, 06:58 Uhr

        Ach ja? Das ist bloss Ihre Sicht der Dinge. Und nicht der Wahrheit letzter Schluss. Sie sollten doch eigentlich von der perspektivischen Sichtweise schon mal was gehört haben und folglich über die Subjektivität der Dinge Bescheid wissen. Davon ist selbstverständlich auch mein Beitrag nicht ausgenommen. Ändert aber nichts daran, dass Links nur noch laviert und stetig Unterstützung verliert. Ihre sog. «plumpen Parolen» sehe ich meinerseits viel eher dort beheimatet, wo von multikultureller Bereicherung, Diversität (LGBTQ+), willfährige Förderung und Forcierung einer unkontrollierten Massen- und Armutsmigration, kulturmarxistisch geprägtem Feminismus und Hass auf alles, was mit Heimat zu tun hat. Die heutige Linke (sie war mal anders!) ist ein Fall für den Seelenklemptner, nicht für die Politbühne. Gänzlich ungeeignet, die Bedürfnisse und Wünsche des «kleinen Mannes» aufzugreifen und politisch zu verwerten!

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      • Profilfoto von A. Tamzarian
        A. Tamzarian, 05.04.2023, 07:15 Uhr

        Ihre verzerrte Wahrnehmung ist beispiellos. Die Suche nach den wahren Schuldigen absolut lächerlich.
        Die schlechtere Altersvorsorge und die Erosion von sozialstaatlichen Transferleistungen aus Sozialhilfe und IV z.B., sind darin begründet, dass ein wachsendes Heer von Menschen diese Leistungen beziehen, ohne vorgängig je auch nur einen roten Heller in diese Kassen geleistet zu haben. Und ja, diese Menschen müssen auch eine Wohnung beanspruchen. Und nein, am Staatshaushalt beteiligen sie sich ebenfalls nicht.

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        • Profilfoto von tore
          tore, 06.04.2023, 11:45 Uhr

          Glauben Sie wirklich, was Sie schreiben oder ist das einfach ein Rundumschlag? «(…) wachsendes Heer von Menschen diese Leistungen beziehen, ohne vorgängig je auch nur einen roten Heller in diese Kassen geleistet zu haben.» etc.

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      • Profilfoto von Kasimir Pfyffer
        Kasimir Pfyffer, 05.04.2023, 09:13 Uhr

        Herzliche Dank Ihnen beiden für die ausführliche Bestätigung meines Kommentars! 🙂

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        • Profilfoto von A. Tamzarian
          A. Tamzarian, 05.04.2023, 14:25 Uhr

          Die schulmeisterliche und selbstgefällige Art, beherrschen Sie aus dem höhlengereiften effeff. Ein schönen Tag!

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    • Profilfoto von Claudio Birnstiel
      Claudio Birnstiel, 06.04.2023, 14:50 Uhr

      @Grüsse vom Einhorn Schlachthaus
      Wie kommen Sie darauf, dass die Linke Wähler:innen verloren hätte? 1995 hatten SP und Grüne auf nationaler Ebene zusammen 26.8% Wähler:innen-Anteil. Bei den letzten eidgenössischen Wahlen waren es zusammen notabene 30%.
      Sie sehen: damit waren die beiden linken «Schwesterparteien» nach den ersten zwei Jahrzehnten des 21. Jahrhunderts national betrachtet zusammen stärker als die SVP – trotz des laut Ihnen offenbar falsch ausgerichteten Themenfokus. Zudem weist neueste (internationale) Forschung darauf hin, dass es derzeit keine Indizien dafür gibt, dass sich das in der Schweiz, auch mit den aktuellen linken Themen, kurzfristig ändern sollte. Die Daten weisen sogar darauf hin, dass es genau die von Ihnen monierten Themen sind, welche der Linken ihre heutige Stärke beschert. Kombiniert mit einer «pointiert linken Wirtschaftspolitik für die traditionelle Wählerschaft».

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  • Profilfoto von Rudolf Schweizer
    Rudolf Schweizer, 04.04.2023, 13:29 Uhr

    Leider haben die linken und grünen keine richtigen Lösungen um die Wohnungsnot zu lindern auch die bürgerlichen nicht. Wir von den Parteilosen Schweizern fordern schon seit sieben Jahren Mietzinsobergrenzen. Warum man das nicht macht hat auch mit der Stadtverwaltung die ja links ist zu tun, denn sie Wissen genau das man mit der Preistreiberei und dem Spekulatentum über Handänderungssteuern usw grosse Kasse machen kann. Mit dem Abkassieren werden CEO der Stadtverwaltung fürstliche entlohnt und auch die Gewählten im Stadtrat langen da schon lange tüchtig zu, kommt noch der Umstand dazu das dann die Übereinkommen der StadträteInnen wieder zur Quersubventionierung der eigenen Parteien Dient.
    So macht man keine gescheite Politik sondern verhindert nur, saugt dem Kleinbürger das Geld aus der Hosentasche, treibt die Preise in die Höhe. Das gleiche gilt beim Klimawandel, will nun ein StadtluzernerIn sein Haus Klimaneutral umstellen, dann wird zur Verzögerungstaktik in der Stadtverwaltung umgestellt. Den Machern wird dann möglichst viele Hindernisse in den Weg gestellt, damit sie noch lange teuren Strom und Gas aus dem überbezahlten CEO EWL beziehen müssen. Die Links/Grüne Regierung der Stadt Luzern verdient das Prädikat eines Kaktus.

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    • Profilfoto von Marie-Françoise Arouet
      Marie-Françoise Arouet, 04.04.2023, 18:07 Uhr

      Dieser Kaktus trägt einen Namen.

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    • Profilfoto von Nico
      Nico, 05.04.2023, 06:38 Uhr

      Eine Mietzinsobergrenze würde den Anstieg der Mieten stoppen, aber ebenso den Bau neuer Wohnungen solange die Kosten für Land und Bauen weiter steigen. Solche Markteingriffe gehen meistens schief und das Ergebnis wäre eine Katastrophe für Mieter.

      Was es braucht ist günstigeres Bauland, weniger Auflagen, schnellere Verfahren und weniger Einsprachemöglichkeiten damit mehr Wohnungen gebaut werden können. Mit mehr Angebot sinken die Mieten automatisch.

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    • Profilfoto von Urs Eggler
      Urs Eggler, 05.04.2023, 12:34 Uhr

      CEO der Stadtverwaltung?
      Stadträte langen tüchtig zu?
      Stadtverwaltung verhindert Umstellung auf klimaneutral?

      Das tönt für mich nach Verschwörungstheorien.

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