Baar will Steuern nicht weiter senken

«Wir haben keinen Appetit auf Steuernomaden!»

In Baar bleibt die Kirche im Dorf – und der Steuersatz bei 53 Prozent. Damit ist Baar noch immer besser als die Stadt Zug mit 54 Prozent und gleichzeitig die steuergünstigste Gemeinde in der Schweiz.

(Bild: woz)

Baar, schon heute die steuergünstigste Gemeinde der Schweiz, heizt den Wettbewerb nicht weiter an. Die Mehrheit der 350 Stimmbürger votierte an der Gemeindeversammlung für den momentanen Steuersatz von 53 Prozent. Die Finanz- und Investitionspolitik wurde teils heftig kritisiert.  

Baar ist jetzt schon die steuergünstigste Gemeinde in der Schweiz. Dies hat angesichts der anhaltend sprudelnden Steuereinnahmen von Privatpersonen und Firmen weitere Begehrlichkeiten geweckt. Während der Gemeinderat nämlich einen Steuerfuss von 53 Prozent für 2019 vorschlug, forderten an der Gemeindeversammlung vom Mittwoch nicht nur die FDP und SVP einen noch tieferen Steuersatz.

«Die Gemeinde Baar sollte nicht noch mehr Steuern auf Vorrat einnehmen.»

Thomas Gwerder, Präsident der RGPK

Sogar die Rechnungs- und Geschäftsprüfungskommission (RGPK) scherte aus und hat einstimmig einen Steuerfuss von 51 Prozent empfohlen. Grund: Es sollen nicht mehr Steuergelder gehortet werden.

«Die Gemeinde Baar sollte nicht noch mehr Steuern auf Vorrat einnehmen, wenn das Eigenkapital bereits heute mehr als 190 Millionen Franken beträgt und auch in den nächsten Jahren kontinuierlich weiter wächst», sagte Thomas Gwerder, Präsident der RGPK. Die zu erwartenden operativen Gewinne in den nächsten fünf Jahren Jahren würden mit einem Steuerfuss von 53 Prozent rund 57 Millionen Franken betragen, und für das Jahr 2018 werde ein Ertragsüberschuss von 21,7 Millionen Franken erwartet.

Genügende Reserven vorhanden

«Mit einem Steuerfuss von 51 Prozent können unseres Erachtens immer noch Vorfinanzierungen in Höhe von rund 35 Millionen aus operativen Ertragsüberschüssen getätigt werden», so Gwerder weiter. Zudem sei die Gemeinde Baar durch die Steuerausgleichsreserve von 55 Millionen Franken bereits heute ausreichend finanziell abgesichert, um einen Steuerfuss von 51 Prozent langfristig zu halten.

Der Baarer Gemeinderat will jedoch die Steuern nicht weiter senken. Grund: Der Steuerfuss soll langfristig planbar und volkswirtschaftlich vernünftig sein sowie der gemeindlichen Finanzstrategie entsprechen.

«Wir wollen den Steuerwettbewerb in der Schweiz und im Kanton Zug nicht weiter anheizen.»

Andreas Hotz, Gemeindepräsident Baar

Gemeindepräsident Andreas Hotz konkretisierte: «Der 4,9 Millionen Franken hohe Ertragsüberschuss im Budget 2019 ist wieder ein erfreulicher Abschluss. Baar ist jetzt schon die steuergünstigste Gemeinde in der Schweiz, und wir wollen den Steuerwettbewerb nicht weiter anheizen, um auch nicht weitere Disparitäten im Kanton Zug zu schaffen.»

Der einzige Platz in Baar, der richtig funktioniert: der Bahnhofsplatz. Er soll künftig noch akzentuierter über eine parkähnliche Nutzung mit der Dorfstrasse verbunden werden.

Der einzige Platz in Baar, der richtig funktioniert: der Bahnhofsplatz. Er soll künftig noch akzentuierter über eine parkähnliche Nutzung mit der Dorfstrasse verbunden werden.

(Bild: woz)

Erstaunlich viele Redner schlossen sich in der Debatte dem Votum des Gemeinderats an – nicht ohne gleichzeitig die Finanzpolitik der Gemeindeexekutive zu kritisieren. Alois Gössi von der SP etwa monierte, dass das Baarer Problem eigentlich sei, dass «man zu viel Geld in der Gegenwart, dafür aber zu wenig Geld in der Zukunft hat.« Sprich: ab 2025 blühten Baar 126 Millionen Franken Miese in der Investitionsrechnung.

«Mehr familienfreundliche Investitionen»

Wie wenig eine weitere Steuersenkung für die Baarer bringen würde, rechnete Rita Arnold von der GLP der Gemeindeversammmlung vor. «Das sind gerade mal 20 bis 50 Franken mehr – mir wäre es lieber, Baar wäre mehr als nur die steuergünstigste Gemeinde und würde stattdessen mehr familienfreundliche Investitionen tätigen.»

Dazu passte auch die Kritik von Anna Lustenberger von der Alternativen–die Grünen Baar. «Es wäre toll, wenn die Schule für alle Kinder kostenlos ist, und das Betreuungspersonal an den Schulen richtig angestellt wäre und nicht nur per Stundenlohn bezahlt würde.»

Auf den Punkt brachte es schliesslich Heini Schmid von der CVP. «Wir haben keinen Appetit auf Steuernomanden». Es sei viel wichtiger für Baar, Grossprojekte zeitnah umzusetzen und zu schauen, dass Baar über eine optimale Infrastruktur verfüge. Die 350 anwesenden Stimmbürger votierten schliesslich mit einer klaren Mehrheit für die Beibehaltung des Steuerfusses von 53 Prozent.

«Baar wird eine Stadt und bleibt ein Dorf.»

Satz aus dem Grundlagenpapier Baar5x5

Baar ist aber nicht nur in puncto tiefer Steuern eine echte «Boomtown» geworden. In den letzten 30 Jahren ist die Gemeinde geradezu bevölkerungsmässig explodiert. Konkret ist Baar seit 1990 um rund 8’000 Personen gewachsen und zählt nun etwas über 24’000 Einwohner. 2040 sollen es 30’000 Baarer sein.

Im gleichen Zeitraum hat auch bei den Beschäftigten eine beträchtliche Entwicklung stattgefunden. Deren Anzahl hat sich mehr als verdoppelt und ist in den letzten 30 Jahren um 10’000 auf über 23000 angewachsen. Somit leben und arbeiten in Baar fast gleich viele Personen.

Nicht nur Verdichten: Freiräume wichtig

Da wird es immer enger in Baar, das laut neuester Definition im Grundlagenpapier Baar 5×5 ja «zur Stadt wird – um auch weiterhin ein Dorf zu bleiben». Planerisches Handeln sei angesichts dieser Herausforderung gefragt.

Für die Durchführung einer neuen Ortsplanungsrevision 2020 beantragte der Gemeinderat vom Souverän die Zustimmung für einen Planungskredit in Höhe von 560’000 Franken. Dieser wurde einstimmig angenommen.

Mehr Grünflächen und Bäume sollen in Baar helfen, die Konsequenzen der Klimaerwärmung zu mildern. Eine entsprechende Motion der Alternatriven–die Grünen Baar wurde nicht für erheblich erklärt.

Mehr Grünflächen und Bäume sollen in Baar helfen, die Konsequenzen der Klimaerwärmung zu mildern. Eine entsprechende Motion der Alternatriven–die Grünen Baar wurde nicht für erheblich erklärt.

(Bild: woz)

Allerdings wiesen einige daraufhin, wie Martin Zimmermann von der GLP etwa, dass man bei der nächsten Ortsplanungsrevision schon genau hinschauen müsse, um die Bedürfnisse der 6’000 bis 7’000 Zuzüger abzuklären. «Man sollte nicht nur ans Verdichten denken und alles zubetonieren, sondern vor allem auch Frei- und Grünräume berücksichtigen.»

Motion «Grüne Stadt» abgelehnt

Apropos Grün. Damit wurde die Tür weit aufgestossen für die Motion der Alternative–die Grünen Baar. Diese forderten angesichts der Klimaerwärmung mit ständig steigenden Temperaturen, dass sich auch Baar daran beteilige, die Auswirkungen lokal zu lindern – indem etwa mehr Bäume gepflanzt und mehr Grünräume geschaffen werden.

Bauchef Paul Langenegger – der übrigens ebenso wie Andreas Hotz und Hans Steinmann als «Gemeinderäte mit 60 Jahren Exekutiverfahrung» (Zitat Hotz) verabschiedet wurde –, argumentierte indes, dass in der Ortsplanungsrevision bereits eine entsprechende Grünplanung einfliesse. Die Motion der Alternativen «Grüne Stadt» wurde am Ende mit 187 zu 88 Stimmen für nicht erheblich erklärt.

Wie viele Sportplätze braucht es im Lättich?

Ja, und dann war noch Martin Pulver mit seiner Motion zu einem forcierten Ausbau der Sportmöglichkeiten für Jugendliche im Lättich. Der bei den Wahlen gescheiterte Gemeinderatskandidat und Präsident des FC Baar stellte mit teilweise langwierigen Ausführungen die Geduld der Besucher der Gemeindeversammlung auf die Probe.

Er hatte mit seinen Forderungen jedoch so viel Erfolg, dass die Gemeinde jene Teile seiner Motion für erheblich erklärte, in denen es darum geht, die Erstellung eines «gesamtheitlichen Infrastrukturprojekts für die Sportanlage Lättich» im Rahmen des gemeindlichen Masterplans Sportanlagen zu klären. Zudem soll es schnell ein Provisorium für fehlende Duschen und Garderoben im Clubhaus des FC Baar geben.

Vorerst keine Traglufthalle

Für die Abklärung, ob es allerdings ein Traglufthalle über einem Kunstrasenfeld im Lättich braucht, zog Pulver den Kürzeren. Dafür konnte er bei der zuvor stattgefundenen Budgetdebattte durchsetzen, dass der Finanzposten für die Jugendförderung wieder um 38’000 Franken erhöht wurde.

Und Pulver sowie FC Baar-Torwartlegende Pius Hotz schafften es schliesslich, Gemeinderat Jost Arnold in die Bredouille zu bringen. Mit der Frage nämlich, warum eigentlich Sporthallen in Baar bis zu 12 Wochen im Jahr einfach geschlossen werden. Die Antwort steht noch aus. 

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