Willkürliche Verletzung der Bürgerrechte? Beat Villiger spielt auf Zeit
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Das Verbot einer friedlichen Mahnwache in Zug hat einigen Staub aufgewirbelt. Sicherheitsdirektor Beat Villiger plant, Gras über die Sache wachsen zu lassen. Ein Begehren auf Akteneinsicht von zentralplus wurde abgelehnt. Für die Beantwortung eines parlamentarischen Vorstosses darf er sich lange Zeit lassen.
Am Donnerstag wurde sie überwiesen: Die Interpellation der Zuger Kantonsräte Philip C. Brunner (SVP), Barbara Gysel (SP), Anna Spescha (SP) Andreas Lustenberger (ALG) und Tabea Zimmermann Gibson (ALG). Die wollen von der Regierung wissen, ob die Zuger Polizei die Ausübung von verfassungsmässigen Rechten verhindert hat, als sie Mitte Oktober dem Zuger Stadtrat Urs Raschle (CVP) ans Herz legte, eine geplante Mahnwache gegen den Krieg in Nordsyrien zu verbieten (zentralplus berichtete).
Die Parlamentarier wollen genaue Auskunft darüber, welche konkreten Hinweise oder Ansatzpunkte zur Nichtbewilligung der Mahnwache führten. Und wie der geplante Einsatz von Polizeikräften beim EVZ-Match am gleichen Abend die Empfehlung beeinflusste, die Mahnwache zu verbieten.
Der Verdacht liegt auf der Hand: Der Polizei kam die Veranstaltung einfach ungelegen, die Empfehlung für Raschle war administrativen Erfordernissen geschuldet. Das Korps ist personell schwach dotiert und leistet Überstunden.
Ein halbes Jahr lang Bedenkfrist
Sicherheitsdirektor Beat Villiger (CVP) kann sich namens des Regierungsrats vor einer Beantwortung dieser Fragen nicht grundsätzlich drücken: Er muss «die konkreten Gründe» nennen, warum «die Zuger Polizei nicht die Kapazitäten zu haben scheint, die Sicherheit bei einem ‹Kleinanlass› wie dieser Mahnwache mit Kerzen gewährleisten zu können».
Aber er kann sich sechs Monate Zeit lassen, die Fragen schriftlich zu beantworten. Bis dahin ist viel Gras über die Sache gewachsen.
Wie sah die Lagebeurteilung aus?
Bislang lässt sich seine Direktion in dieser Angelegenheit auffällig viel Zeit. zentralplus wollte nämlich ebenfalls wissen, ob der Zuger Polizei irgendwelche Erkenntnisse vorlagen, die auf eine Gefährdungssituation schliessen liessen und verlangte am 24. Oktober, gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz, Einblick in die Lagebeurteilung der Zuger Polizei.
Nun muss man wissen, dass der Kanton Zug das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung sehr zurückhaltend auslegt. Als zentralplus im Februar von der Baudirektion amtliche Dokumente im Zusammenhang mit einem umstrittenen Schliessungsentscheid für eine Kinderkrippe beantragte (zentralplus berichtete), wurde das Begehren binnen einer Woche abgeschmettert.
Rechtliches Gehör
Nicht so die Sicherheitsdirektion: Lange nach Eingang des Antrags wurde zentralplus der Entwurf einer Verfügung zugestellt. Mit Verweis aufs kantonale Polizeigesetz sollte die Einsicht verweigert werden. Jedoch erhielt zentralplus rechtliches Gehör in der Sache und konnte so darlegen, dass die Bestimmungen im Polizeigesetz Ermessensentscheide ermöglichten. Und dass es nicht in Ordnung ist, dass übergeordnetes Recht, also die Verfassung, geringer geachtet würden als die Polizeitaktik und die Frage, wie sich die Zuger Polizei organisiert.
Nach einer schriftlichen Nachfrage verfügte der Rechtsdienst der Sicherheitsdirektion am 20. November, dass die Einsicht ins gewünschte Dokument verweigert wird. Mit einer geänderten Begründung. Gemäss dem Öffentlichkeitsgesetz «dürfen amtliche Dokumente erst zugänglich gemacht werden, wenn der politische und administrative Entscheid, für den sie die Grundlage bilden, getroffen ist», hiess es nun.
Geheimdienstinformationen
Das ist zwar längst geschehen. Bekanntlich verweigerte der Stadtzuger Stadtrat wegen einer polizeilichen Empfehlung, die sich auf die verlangte Lagebeurteilung stützte, die Bewilligung der Mahnwache. Doch die Sicherheitsdirektion stellt sich auf den Standpunkt, dass die Lagebeurteilung auch eine Entscheidungsgrundlage für die Regierung darstellt, damit sie die Interpellation der fünf Kantonsräte beantworten kann.
Verwunderlich ist diese Begründung vor allem deswegen, weil es durchaus ein Gesetz gibt, das eine Geheimhaltung nahelegt. Das Nachrichtendienstgesetz des Bundes sagt, dass der Geheimdienst polizeiliche Organe auf Anfrage über Gefährdungssituationen unterrichtet. Aber diese «sind verpflichtet, gegenüber Dritten über das Ersuchen und die allfällige Auskunft Stillschweigen zu bewahren» wie im Gesetz steht.
Zwei Erklärungsmöglichkeiten
Wenn sich die Sicherheitsdirektion nun – anders als im ersten Entwurf der Verfügung – nicht mehr aufs Nachrichtendienstgesetz beruft, kann das zweierlei bedeuten. Erstens: Die Zuger Polizei hat sich tatsächlich für ihre Lagebeurteilung nie um nachrichtendienstliche Erkenntnisse bemüht, weswegen man dies auch nicht verschweigen kann.
Oder aber die Regierung wird bei der Beantwortung der Interpellation darauf Bezug nehmen. Die Geschäftsordnung des Kantonsrates verplichtet sie zwar zur Beantwortung der Interpellation, aber auch dazu, Geheimhaltungspflichten zu beachten.
Mehr Stellen für die Polizei
Im Kantonsrat stellte Villiger am Donnerstag eine «baldige Beantwortung» des Vorstosses in Aussicht. Ausserdem wurde ein Beitrag dafür geleistet, dass sich die angespannte Personalsituation der Zuger Polizei ein wenig entspannt.
Dem Korps wurden vom Zuger Kantonsparlament 7,5 zusätzliche Stellen bewilligt – und zusätzlich 150'000 Franken die zur Schaffung einer weiteren Stelle für Pädokriminalität verwendet werden sollen.
CVP-Kantonsrat Pirmin Andermatt, der den Verband der Zuger Polizei präsidiert fand, das sei immer noch zu wenig. Schliesslich hätten die Polizisten allein 2018 7000 Überstunden geleistet. Er wollte eine nochmalige Aufstockung des Budgets um 150'000 Franken. Da nur die Linke und Teile der CVP dafür waren, scheiterte der Antrag.
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