Junge Grüne übernehmen Sicht der Luzerner Besetzer

Wie viel Nähe zu den Gundula-Aktivisten ist erlaubt?

Die Luzerner Polizei räumte am Dienstag die besetzte Villa an der Obergrundstrasse 101.

(Bild: pze)

Der offene Brief der Gundula-Aktivisten von letzter Woche enthält massive Vorwürfe von Polizeigewalt. In der Zwischenzeit tauchen an dieser Version aber zunehmend Zweifel auf. Dennoch wiederholen die Jungen Grünen die Sicht der Hausbesetzer in einem offenen Brief beinahe ungefiltert. Leidet da die Glaubwürdigkeit der Jungpartei?

Die Räumung der Obergrundstrasse 101 und die dabei vorgenommenen Festnahmen geben zu reden. Die Vorwürfe an die Polizei, welche im Raum stehen, sind happig: Man spricht von übertriebener Polizeigewalt und Verletzung von filmenden Passanten (zentralplus berichtete). Dabei bestätigte aber Polizeisprecher Kurt Graf gegenüber zentralplus, dass die festgenommenen Personen noch in keiner Form Verletzungen oder Beschwerden wegen übertriebener Gewalt seitens der Beamten zu Protokoll gaben.

Dennoch: Die Jungen Grünen übernahmen in ihrem offenen Brief an Polizeichef Adi Achermann beinahe ungefiltert die Anschuldigungen der anonymen «Gundula»-Gruppe. Warum springt die Jungpartei in dieser Art für die Besetzer in die Bresche? Wie verbandelt ist die Jungpartei mit den Aktivisten und schadet dies nicht der Glaubwürdigkeit der Partei?

Von keiner Seite zum offenen Brief aufgefordert

Jona Studhalter, Co-Präsident der Jungen Grünen, sagt: «Die Gruppe Gundula ist klar keine parteipolitische Bewegung und will meines Wissens nach auch nicht mit Parteien zusammenarbeiten. Die Jungen Grünen haben keine Verbindungen mit der Gruppe Gundula.» Was die Parteimitglieder aber in ihrer Freizeit machten, sei nicht Sache der Partei. Weiter erklärt Studhalter: «Die Jungen Grünen haben zwar Sympathien für die ‹Gundula›-Aktivisten, jedoch wurden wir zu keiner Zeit von irgendeiner Seite zu diesem offenen Brief aufgefordert.»

«Laut unseren Quellen gab es eine mittelschwere Körperverletzung.»

Jona Studhalter, Co-Präsident der Jungen Grünen

Die Jungen Grünen nehmen darin auch den Vorwurf auf, dass ein filmender «Passant» von der Polizei angegangen wurde. Zufällig war die Person allerdings gemäss Polizei nicht vor Ort. Kurt Graf sprach gegenüber zentralplus von «Sympathisanten» der Demonstranten. Untertreiben die Jungen Grünen absichtlich – oder soll die Polizei öffentlich diffamiert werden? Studhalter verneint: «Wenn wir die Polizei schlecht machen wollten, dann würden wir keinen offenen Brief mit Fragen an die Polizei schreiben.»

Die Jungen Grünen wollen mit dem Brief ein Symbol setzen, dass man nicht alles hinnehme, was ihres Erachtens nicht korrekt sei, so Studhalter. Das explizite Wording «Passant» habe denn auch einen anderen Grund. Studhalter erklärt: «Die Wortwahl dient zur Klarstellung, dass die Person sich nicht im Gebäude befunden hat.»

Warum wurde Verletzung nicht gemeldet?

Der Brief sei denn auch aus «intrinsischer Motivation» entstanden, so Studhalter. Er führt aus: «Uns wurde zugetragen, dass die besagte Person erst am Boden festgehalten wurde, bevor sie zur Personenkontrolle aufgefordert wurde.» Und das sei unzimperlich vonstatten gegangen. Studhalter: «Laut unseren Informationen gab es eine mittelschwere Körperverletzung.» Mehr könne er aufgrund des Quellenschutzes nicht sagen.

Die Aktivisten wehrten sich vor dem besetzten Haus mit Parolen gegen die anwesende Polizei.

Die Aktivisten wehrten sich vor dem besetzten Haus mit Parolen gegen die anwesende Polizei.

(Bild: uze)

Aber die Frage bleibt: Warum hat die betroffene Person während der Vernehmung keine Aussagen bezüglich dieser Vorfälle gemacht? Die Polizei ist verpflichtet, in einer Einvernahme der beschuldigten Person die Möglichkeit dieser Aussage zuzugestehen. Studhalter kann darauf keine Antwort geben: «Dies ist Sache der betroffenen Person.»

Reichen anonyme Quellen aus, um die Polizei derart harsch zu kritisieren? Oder schaden sich die Jungen Grünen am Ende selbst? Jona Studhalter verneint: «Es schadet der Glaubwürdigkeit einer Partei, wenn man wegen übler Nachrede schuldig gesprochen wird. Die Jungen Grünen sind schon immer – und bleiben hoffentlich auch immer – die Stimme der Schwächeren. Es ist also kein Glaubwürdigkeitsbruch, dass wir hier Stellung beziehen, im Gegenteil.»

Beschwerde immer noch möglich

Inwiefern die Anschuldigungen der «Gundula»-Aktivisten haltbar sind, könnte die Staatsanwaltschaft nur untersuchen, wenn gegen die Polizei eine Beschwerde vorliegt. Insofern gelten die Anschuldigungen offiziell als haltlos – das ist auch Polizeichef Achermann klar. Eine Antwort auf den offenen Brief folge in den nächsten Tagen, lässt man verlauten.

Aber auch wenn dies bei der Einvernahme (aus welchen Gründen auch immer) versäumt wurde: Eine Beschwerde seitens der festgenommenen Personen wäre noch immer möglich. Die «Gundula»-Aktivisten waren für eine Stellungnahme nicht zu erreichen, ob künftig eine Beschwerde geplant sei.

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Hans Peter Roth
    Hans Peter Roth, 18.04.2017, 17:53 Uhr

    Ungereimtheiten in diesem Bericht: War es nun eine Personenkontrolle des filmenden Passanten/Sympathisanten oder war es ein polizeiliches Verhör, dem er unterzogen wurde? Aus Erfahrungen weiss man mittlerweile, dass die Luzerner Polizei nicht zimperlich ist mit Gewaltanwendung gegen missliebige Personen. Deshalb hätte es mehr Sinn gemacht, wenn der Autor bei der Polizei etwas nachgehakt hätte, anstatt zu versuchen, die Jungen Grünen in die Ecke der Märchenerzähler zu drängen.

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    • Profilfoto von Christian Hug
      Christian Hug, 18.04.2017, 20:43 Uhr

      Guten Tag, die angesprochene Nachfrage bei der Polizei ist bereits zu einem früheren Zeitpunkt erfolgt. Sie finden diese unter:
      https://www.zentralplus.ch/de/news/gesellschaft/5531504/Nach-Festnahme-Die-Luzerner-Polizei-filmen-darf-man-das.htm
      Doch wenn die erwähnte Gewaltanwendung weder zu Protokoll gegeben wird noch eine Strafanzeige eingereicht wird, dann ist es ebenso unsere Pflicht nachzuhaken, wie man mit einer solchen Behauptung umgehen soll. zentralplus versucht kritisch zu sein, aber nicht voreingenommen.

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