Blick in die Geschichte

Wie ein Friedenspreis für Putin Zug aufrüttelte

Ausriss der «Neuen Zuger Zeitung» vom 11. Oktober 2002 über den Boykott – vor 20 Jahren wurde Wladimir Putin in Zug ein Friedenspreis verliehen. (Bild: Landesmuseum Bern)

Wladimir Putin – der aktuell die Welt mit atomaren Drohungen in Angst und Schrecken versetzt – ist heute vor zwanzig Jahren in Zug ein Friedenspreis verliehen worden. Weil er sich für die nukleare Abrüstung einsetze.

«Zuger Regierung sagte Njet zu Putin.» Mit diesen Worten warb die Lokalzeitung der Region im Oktober 2002 an den Kiosken um Leserinnen. Nur wenige Tage zuvor war bekannt geworden, dass dem russischen Präsidenten Putin im Casino Zug ein Friedenspreis verliehen werden sollte. Ausgerechnet für seine «Initiative zur Vernichtung von Atomwaffen».

Wer die Schlagzeilen von damals liest, weiss nicht, ob er lachen oder weinen soll. Von einem «Stirnrunzeln über Zuger Friedenspreis» berichtete der «Bund». Von «Streit um Friedenspreis» die «NZZ». Von einem «Friedenspreis mit dubiosem Hintergrund» die «Aargauer Zeitung». Die «Sonntagszeitung» nannte das Kind beim Namen und titelte «Atomlobby verleiht Friedenspreise in Zug».

«Obskure» Organisation verleiht Putin einen Friedenspreis

Was war passiert? Die Verleihung ins Leben gerufen hatte das Nuclear Disarmament Forum AG (NDF). Der offizielle Firmenzweck: Die Schaffung eines internationalen Forums zur Förderung der weltweiten Abrüstung. Selbst die wirtschaftsfreundliche «NZZ» bezeichnet die Organisation in aktuellen Berichten als «obskur».

«Die Zuger Veranstaltung vom 12. Oktober 2002 war eine Putin-Operation.»

Josef Lang

Gründungsmitglied ist Franz Hoop, ein bekannter Atomlobbyist. Er hatte für die Schweizer Kernkraftwerke eine Absichtserklärung unterschrieben, die den Export von Atommüll nach Russland ermöglichen sollte. Der Russe Andrei Bykow – einer der vier Wirtschaftsberater von Wladimir Putin – hatte die Firma zwei Jahre zuvor in Zug gründen lassen.

Nur mit diesen Besitzverhältnissen lässt sich erklären, dass irgendjemand auf die Idee kommen konnte, Wladimir Putin einen Friedenspreis zu verleihen. Der russische Präsident führte zu der Zeit Krieg gegen Tschetschenien. Nachdem in Moskau 1999 zwei Bomben hochgegangen waren, machte Putin Terroristen für diese Taten verantwortlich und erklärte Tschetschenien daraufhin den Krieg. Die Parallelen zum heutigen Ukrainekrieg sind offensichtlich.

Josef Lang rief zum Boykott auf

An die Preisverleihung eingeladen war die gesamte Zuger Polit-Prominenz – vom Regierungsrat bis zum Stadtrat (zentralplus berichtete). Viele der politischen Vertreter hatten bereits zugesagt, als der damalige SGA-Kantonsrat Josef Lang seine Ratskolleginnen darüber informierte, dass an jenem Abend der russische Präsident geehrt werden sollte. Er forderte alle auf, den Anlass zu boykottieren.

Umgehend reagiert hat der damalige Zuger Landammann Hanspeter Uster. Er hatte sich im Jahr 2000 aktiv an einer Mahnwache gegen den Tschetschenienkrieg beteiligt. Nachdem er die Teilnahme zur Preisverleihung abgelehnt hatte, zog die Regierung nach.

Gorbatschow hatte ein «gutes Gewissen»

Verliehen wurden die Friedenspreise von keinem Geringeren als dem letzten Präsidenten der Sowjetunion: Michail Gorbatschow. Putin holte den Preis nicht ab. Gorbatschow beeindruckte die Kritik wenig. Gegenüber der «Neuen Zuger Zeitung» sagte er, er könne Präsident Putin mit «gutem Gewissen» den Preis verleihen. Putin habe der nuklearen Abrüstung in Russland neuen Wind eingehaucht, «nachdem in den Neunzigerjahren unter Boris Jelzin der Prozess praktisch zum Stillstand» gekommen sei. Zudem treibe er die Öffnung zum Westen voran – heute sind das leider Tempi passati.

Das Geld kam von der Atomlobby

Das Geld für die Preisverleihung – geschätzte 500'000 Franken – erhielt die NDF von westlichen AKW-Betreibern, wie Eigentümer Andrei Bykow gegenüber dem Schweizer Fernsehen einräumte. Diese würden das Forum unterstützen, «weil sie billigen Brennstoff kaufen möchten». Die NDF hatte die Idee, waffenfähiges Plutonium in Brennstäbe zu konvertieren, die in westlichen Kernkraftwerken zum Einsatz kommen sollten.

Für den damaligen Zuger SGA-Kantonsrat Josef Lang ist heute klar: «Die Zuger Veranstaltung vom 12. Oktober 2002 war eine Putin-Operation.» Diese stehe im Zusammenhang mit dem Rohstoffhandelsplatz. «Ich sehe einen Zusammenhang zwischen dieser Operation und der massiven Zunahme von russischen, insbesondere putinnahen Firmen in den kommenden Jahren.»

Die ALG bezeichnet die Geschehnisse von damals in einer Medienmitteilung als «propagandistische Friedenspreis-Verleihung». Bereits 1999 sei Gazprom nach Zug gekommen. Tatsächlich folgten 2004 und 2005 mit Rosukrenergo und NordStream zwei weitere Riesen.

Verwendete Quellen
  • Artikel in der «Neuen Zürcher Zeitung»: Als Wladimir Putin einen Friedenspreis erhielt – wie die Nuklearindustrie Fäden zwischen der Schweiz und Russland knüpfte
  • Artikel in der «Neuen Zuger Zeitung»: Ein Schirmherr mit Sorgen
  • Artikel in der «Neuen Zuger Zeitung»: Uster und Profos melden sich ab
  • Artikel in der Wochenzeitung (WOZ): Mogelpackung
  • Artikel in der «Neuen Zürcher Zeitung»: Streit um Friedenspreis für Putin in Zug
  • Artikel im «Bund»: Stirnrunzeln über Zuger Friedenspreis
  • Artikel in der «Aargauer Zeitung»: «Friedenspreis» mit dubiosem Hintergrund
  • Telefonat und Mailaustausch mit Josef Lang
  • Medienmitteilung ALG
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4 Kommentare
  • Profilfoto von Armando
    Armando, 06.03.2023, 19:35 Uhr

    Der Kanton Zug entpuppt sich je länger desto mehr als Kolonie des Moskauer Kremls. Kein Wunder mit den willfährigen Putin-Handlangern in der Zuger Regierung, allen voran H. Tännler.

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  • Profilfoto von Roli Greter
    Roli Greter, 12.10.2022, 15:37 Uhr

    In einer Welt in welcher Barack Obama den Friedensnobelpreis erhält ist alles möglich.

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  • Profilfoto von Nico
    Nico, 12.10.2022, 11:37 Uhr

    Auch nicht verwunderlich, wenn schon ein Drohnen-Killer den Friendensnobelpreis erhält.

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  • Profilfoto von Kommentarschreiber
    Kommentarschreiber, 12.10.2022, 08:32 Uhr

    Danke für diesen erhellenden Artikel! Nicht verwunderlich, dass der Kanton Zug den russischen Stallgeruch einfach nicht mehr los wird……

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