Luzern: Walter Stierli über scheiternde Projekte

«Wenn die Politik von Anfang an mitredet, wird eine Lösung unendlich schwer»

Walter Stierli an einem Golfturnier zu gunsten des FC Luzern Nachwuchses.

(Bild: freshfocus/ Martin Meienberger)

Wäre der Bau eines Fussballstadions in Luzern heute noch möglich? Nein, glaubt der frühere FCL-Präsident Walter Stierli. Zu sehr hätten sich die Prioritäten und politischen Mehrheitsverhältnisse verändert. Für Visionen wie die Salle Modulabe oder das Parkhaus Musegg fehlten heute Leidenschaft und Umsetzungsvermögen.

Salle Modulable: Schiffbruch. Parkhaus Musegg: sehr dunkle Wolken. Spange Nord oder Tiefbahnhof: Wann, wo, wie und überhaupt, steht in den Sternen. Grosse Würfe in der Stadt Luzern sind schwierig. Bei der Salle versetze zwar der Kantonsrat den Todesstoss, bestes Beispiel ist aber das Parkhaus Musegg. Dieses wurde durch die sogenannte «Öko-Allianz» im Stadtparlament versenkt. Böse bürgerliche Zungen warfen ihren politischen Gegnern im Nachgang vor, sich lieber um begrünte Innenhöfe zu kümmern, statt Visionen für die Stadt in die Tat umzusetzen.

Ist die Zeit der grossen Würfe tatsächlich vorbei? Was wäre die Stadt heute ohne KKL? Klar, es ginge, aber trotzdem würde der Stadt ein liebgewordenes kulturelles Wahrzeichen fehlen plus 75 Millionen Franken Wertschöpfung pro Jahr.

Den Sportfans kommt natürlich sofort die 2011 eröffnete swissporarena in den Sinn. Die FCL-Fans dürfen sich mit dieser Heimstätte glücklich schätzen. Man denke an die Stadionposse in Zürich. Oder die bemitleidenswerten Aarauer, die seit gefühlten 20 Jahren auf die Neueröffnung warten.

Ex-FCL-Präsident Walter Stierli darf getrost als Vater des Stadions bezeichnet werden. Er war erster Ansprechpartner des Vereins und ging Anfang der 2000er-Jahre für die SVP ins Stadtluzerner Parlament, um seine Ideen des Stadionneubaus zu forcieren. zentralplus hat ihm schriftlich Fragen zur damaligen Zeit gestellt und ihn zur aktuellen Grosswetterlage in der Stadt befragt.

zentralplus: Walter Stierli, warum klappte es damals mit dem neuen Stadion?

Walter Stierli: Meine Stärke war, dass ich eine Begeisterung wecken konnte für dieses Projekt. Der Stadtrat zeigte sich zudem kooperativ. Er sagte mir, er stünde hinter der Stadionidee, aber ich müsse das Präsidium des FCL übernehmen. Sie haben gesagt: «Du musst unser Partner sein beim FC Luzern, sonst wird das politisch schwierig umzusetzen sein.» Wir können heute absolut stolz sein darauf. Alle Vorgaben konnten umgesetzt werden. Es gibt keine Hypothek auf dem Stadion, das doch einen Wert von 80 bis 85 Millionen hat. Es ist unglaublich, wie viele Leute sich für das Stadion eingesetzt haben.

zentralplus: Wäre es bei den aktuellen politischen Mehrheitsverhältnissen noch möglich, ein neues Fussballstadion zu bauen?

Stierli: Ich denke, eher nein. Um ein solches Projekt umzusetzen, braucht es Leidenschaft, Begeisterung und Umsetzungsvermögen. Der heutige Stadtrat hat andere Prioritäten gesetzt. Kommt dazu, dass die damaligen Protagonisten in der Stadt Luzern gegen 100 Veranstaltungen besucht und das Projekt dem Stimmvolk erläutert haben.

Walter Stierli als «Mr. Stadion» auf einer Autogrammkarte.

Walter Stierli als «Mr. Stadion» auf einer Autogrammkarte.

(Bild: zVg)

zentralplus: Teilen Sie die Einschätzung, dass es Grossprojekte immer schwieriger haben? Woran liegt das?

Stierli: Es braucht Vertrauen und Visionen. Und irgendwie eine Besessenheit, die ansteckend wirkt. Was die Swissporarena anbelangt, hatte ich zuerst einen Traum, dann eine Vision und irgendwann, mit vielen Stolpersteinen, wurde die Swissporarena Realität.

zentralplus: Aber «nur» Leidenschaft wird wohl nicht genügt haben?

Stierli: Beim Stadion und auch bei der Umsetzung der Sportstätten Allmend brauchte es viele Protagonisten: Bernhard Alpstäeg, die damaligen Stadträte mit ihren Departementen, die Totalunternehmer, Visionär Fredy Becker von der Messe und auch die Migros mit ihrem Bekenntnis zum Standort Allmend. Später waren für den Unterhalt des FCL und des Stadions die Investoren matchentscheidend. Die wohl schönste Sportstätte der Schweiz hat also viele Väter.

«Dass das Parkhaus Musegg bereits im Parlament versenkt wurde, finde ich gegenüber den Initianten stil- und anstandslos»

zentralplus: Warum klappt das heute nicht mehr – man denke an das Parkhaus Musegg?

Stierli: Ein Parkhaus umzusetzen, ist natürlich viel schwieriger, weil man nicht mit Emotionen wirken kann.

zentralplus: Was denken Sie generell zum Projekt?

Stierli: Ich finde es in der heutigen, politischen Zeit grossartig, dass es für ein solches Parkhaus eine Privatinitiative gibt. Dass das Projekt bereits im Parlament versenkt wurde, finde ich gegenüber den Initianten stil- und anstandslos. Für ein solches Projekt muss die Verantwortung beim Volk und nicht beim Parlament liegen. Schliesslich ist eine solche Projektierung immer mit viel Geld verbunden.

zentralplus: Die Sorgen der Gegner – in diesem Fall der politischen Mehrheit – muss man aber auch beachten.

Stierli: Seien wir doch ehrlich, die Stadt Luzern ist wohl der schönste Ort der Schweiz und viele Personen leben hier vom Tourismus. Und dieser Cartourismus braucht Parkplätze, die vom Schwanenplatz her innert kurzer Zeit erreichbar sind. Eine optimale Lösung gibt es nie, aber das Parkhaus Musegg löst viele Probleme. Ich glaube, dass dies viele Stimmbürger bei einer Abstimmung auch so sehen würden.

Fritz Studer, langjähriger CEO der Luzerner Kantonalbank (Mitte), hat den Lead im Initiativkomitee Parkhaus Musegg.

Fritz Studer, langjähriger CEO der Luzerner Kantonalbank (Mitte), hat den Lead im Initiativkomitee Parkhaus Musegg.

(Bild: mbe.)

zentralplus: Arbeiten die politischen Kräfte in der Umsetzung solcher Projekte schlechter zusammen als zu Ihrer Zeit?

Stierli: Nach anfänglichem Zögern hat sich der damalige Stadtrat voll hinter das Projekt Sportstätte/Messe Allmend gestellt. Es entwickelte sich ein grosses Vertrauensverhältnis. Und die heutige Allmend ist dank dem Wegfall der Schiessanlagen grüner als früher, bietet mehr Erholungsmöglichkeiten. So muss ein Grossprojekt ablaufen – es muss ein Gewinn für alle da sein.

zentralplus: Also war es früher anders?

Stierli: Naja, das muss man schon etwas relativieren. Die Umsetzung des KKL war nun wirklich auch nicht einfach. Doch auch dort gab es viele Protagonisten, die mit viel Herzblut Geld gesammelt und die grossartige Idee umgesetzt haben.

zentralplus: Welche Rolle spielt der heutige Stadtrat?

Stierli: Selbstverständlich trägt der Stadtrat die politische Verantwortung. Was aber die Stadt meiner Meinung nach braucht, sind Visionen. Diese Visionen muss der Bürger spüren. Wie bewegt sich der Verkehr in 20 Jahren? Denken wir in grösseren Dimensionen. Heute merkt der Bürger nichts davon. Man liest nur, wie viele Parkplätze wieder aufgehoben werden.

zentralplus: Sie hätten also andere Rezepte?

Stierli: Wir brauchen doch unzweifelhaft den öffentlichen Verkehr. Wir brauchen aber auch Strassen, die dem Gewerbe dienen und die Stadt entlasten, wir brauchen Parkhäuser, die den Verkehr beruhigen und lenken, wir brauchen auch ein Velofahrnetz. Hand in Hand, alle für eine gute Lösung. Auch in Zukunft gibt es wohl niemanden, der einen gekauften Fernseher von der Altstadt in die Neustadt trägt.

zentralplus: Das tönt alles sehr harmonisch und es ist ja nicht so, dass der Stadtrat sich gar keine Gedanken macht. Die Realität sieht jedoch anders aus, die Fronten sind verhärtet.

«Wenn die Politik von Anfang an mitredet, wird es unendlich schwer, zu einer Lösung zu kommen. Alles wird so viel teurer.»

Stierli: Die Fronten waren auch früher verhärtet. Wir konnten aber damals mit den Linken einen Kulturkompromiss schliessen. Die Realisierung des Südpols war das eine, die Sportstätten Allmend das andere. Trotzdem haben dann bei den Abstimmungen einige Linke das Projekt stark bekämpft.

zentralplus: Bei der Salle Modulable wurde kritisiert, dass es keinen Mister Salle Modulable gab, wie dies etwa beim KKL oder eben bei Ihnen mit der Swissporarena der Fall war. Braucht es so jemanden?

Stierli: Ich sehe das anders. Die Exponenten vom KKL und vom Lucerne Festival waren immer präsent. Meine Erkenntnis ist, dass bereits mit der Standortwahl viele Kräfte verbraucht wurden. Fakt ist auch, dass, wenn die Politik von Anfang an mitredet, es unendlich schwer wird, zu einer Lösung zu kommen. Alles wird so viel teurer. Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Das Stadion, das im Freien steht, musste nach dem Minergie-Standard gebaut werden. Ich glaube, wir haben diesbezüglich das einzige Stadion, das so einen Standard hat. Und dies hat Millionen gekostet.

Trotzdem, das PPP-Projekt (Public Private Partnership) Allmend war für die Stadt und den Kanton Luzern ein Segen und hat mit den Mietern der Hochhauswohnungen das Steuersubstrat noch zusätzlich angehoben. Eine klassische Win-Win-Situation für alle Beteiligten. Die Allmend ist doch heute ein europäisches Paradebeispiel zwischen urbanem Wohnen, Freizeitsport, Stadion und Messegelände. Und im Nachgang konnte auch noch die Akademie für den Jugendsport errichtet werden.

Langer Weg zur swissporarena

Das erste Spiel in der Swissporarena fand am 31. Juli 2011 statt. Für dem Spatenstich, der am 29. September 2009 durchgeführt wurde, waren zwei Volksabstimmungen nötig. Am 24. Februar und 30. November 2008 stimmten die Stadtluzerner Stimmbürger trotz teilweise heftiger Gegenwehr für eine Neugestaltung der Allmend.

Spatenstich im September 2009 – unter anderem mit Hakan Yakin (dritter von links, Bild: zVg).

Spatenstich im September 2009 – unter anderem mit Hakan Yakin (dritter von links, Bild: zVg).

 

Mithilfe einer PPP sollte die Finanzierung überhaupt erst ermöglicht werden – die Stadt Luzern hatte dafür kein Geld. Anlagegesellschaften der Credit Suisse erhielten für 99 Jahre das Baurecht auf der Allmend. Den Gesamtertrag aus der Baurechtsvergabe – über 32 Millionen Franken – investierte die Stadt Luzern in ein neues Fussballstadion. Im Gegenzug wurden auf der Allmend zwei Hochhäuser mit über 280 Wohnungen errichtet. Daneben wurde ein Sportgebäude für ein neues Hallenbad gebaut, das die Stadt mietet. Darin gibt es eine Mantelnutzung mit Fitness- und Wellness-Center, einen Migros-Verkaufsladen und diverse Büros.

Zum Stadionprojekt gehörten, neben der Arena, ein Nachwuchsleistungszentrum, eine Schiesssporthalle und eine Tribüne für die Leichtathletik. Die Swissporarena fasst an internationalen Spielen 16’000 und an nationalen 17’000 Zuschauer.

Im Rahmen der Allmend-Aufwertung wurden auch die Hallen der Messe Luzern AG erneuert und ausgebaut. Zudem wurde die Allmend via neue Linienführung der Zentralbahn ans Schienennetz angeschlossen.

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