Politik
Zuger Politiker fordern eine kantonale Wasserstrategie

Was, wenn die Reuss plötzlich kein Wasser mehr nach Zug bringt?

Politiker verschiedener Parteien sind der Ansicht, dass es im Kanton Zug eine Wasserstrategie braucht. (Bild: Andreas Busslinger)

Wir sind es gewohnt, dass sauberes Wasser stets verfügbar ist. Infolge des Klimawandels könnte sich das ändern. Fünf Zuger Kantonsräte plädieren deshalb dafür, dass die Regierung eine Wasserstrategie erarbeitet.

Was passiert, wenn der Regen ausbleibt? Wenn es drei Monate lang heiss und trocken bleibt und die Wasserreserven im Kanton Zug zu schrumpfen beginnen? Was passiert dann mit dem englischen Rasen vor der Haustüre? Wie oft dürfen Zugerinnen noch duschen? Welcher Landwirt hat dann Anspruch auf wie viel Wasser? Und bleibt dann für alle genug Trinkwasser?

Es sind Fragen, die je länger, desto dringlicher werden. Fragen, welche fünf Kantonsräte dazu veranlassten, eine Motion einzureichen. In dieser wird der Regierungsrat damit beauftragt, eine kantonale Wasserstrategie zu erarbeiten.

Motionär Andreas Lustenberger (ALG) sagt auf Anfrage dazu: «Der Mythos von der Schweiz als Wasserschloss hält sich hartnäckig. Die Realität jedoch ist eine andere.» Nämlich? «Die Wissenschaft mit ihren Erkenntnissen über die Gletscherschmelze und die vermehrten trockenen Sommer zeigen, dass Wasser auch in der Schweiz eine knapper werdende Ressource werden kann.» Darauf müsse sich die Schweiz respektive auch der Kanton Zug vorbereiten.

Eine Strategie, die über den kantonalen Tellerrand hinaus geht

Deshalb fordern die fünf Politikerinnen in einer überparteilichen Motion, dass im Rahmen einer Wasserstrategie zunächst mal grundlegend analysiert werde, wie der Ist-Zustand im Kanton überhaupt aussieht. So soll gezeigt werden, wie sich die aktuelle Versorgungssicherheit in den Bereichen Trinkwasser, Landwirtschaft, Löschwasser, private Nutzung, Freizeit und weiteren Bereichen gestaltet.

Zudem soll die Strategie aufzeigen, wie sich die Situation in den kommenden Jahrzehnten entwickelt. Ebenso soll die Strategie ausführen, welche Massnahmen zukünftig ergriffen werden müssen, um die Versorgung für die kommenden Generationen sicherzustellen. Dabei denken die Motionäre etwa an Gesetzesanpassungen, Infrastruktur-Projekte oder die Sensibilisierung.

«Wir müssen uns überlegen, was passiert, wenn wir uns bezüglich Trinkwasser einschränken müssen.»

Andreas Lustenberger, ALG-Kantonsrat

Bezüglich letzterem Punkt sagt Lustenberger: «Bei der Wasserversorgung müssen wir über den Tellerrand hinaus blicken. Gerade das Gebiet Ennetsee ist sehr von der Reuss abhängig, und damit von den Kantonen Aargau und Luzern.»

Der ALG-Kantonsrat weiter: «Wir müssen uns überlegen, was passiert, wenn wir uns bezüglich Trinkwasser einschränken müssen. Damit einher geht auch die Frage, wie viel Wasser der Landwirtschaft zusteht.»

In der hiesigen Landwirtschaft macht man sich Sorgen

Diesen Punkt interessiert insbesondere den Mitte-Kantonsrat Erich Grob. Der Mitmotionär arbeitet als Landwirt im Chamer Gebiet Niederwil. «Ich möchte herausspüren, wie die Zuger Regierung zum Thema steht.» Zwar sei Grobs Hof – er führt einen Rindermastbetrieb – nicht akut von einem möglichen Wassermangel betroffen. «Doch die Kollegen, die Obst- und Gemüsebauern sind, beschäftigt das Thema sehr.» Er geht davon aus, dass in Zukunft vermehrt auf die Nutzung von gesammeltem Regenwasser gesetzt werden muss.

«Wasser ist ein kostbarer Rohstoff, und er wird immer kostbarer.»

Erich Grob, Mitte-Kantonsrat und Landwirt

Als Landwirt im Ennetsee ist Grob sehr daran gelegen zu wissen, wie eine Wasserstrategie in Zusammenarbeit mit anderen Kantonen aussehen könnte. «Wir sind sehr von der Reuss abhängig. Was passiert, wenn bei starker Trockenheit das ganze Wasser bereits im Kanton Luzern abgesaugt wird? Für solche Szenarien braucht es eine Koordination.» Grob ist überzeugt: «Wasser ist ein kostbarer Rohstoff, und er wird immer kostbarer.»

Abwegig ist der überparteiliche Vorstoss nicht, wie ein Blick über den lokalen Tellerrand zeigt. Andere Kantone haben bereits vor Jahren Wasserstrategien erarbeitet. So etwa der Kanton Bern sowie der Kanton Wallis. Auch wenn es dort mit der Umsetzung etwas harzt. Der Kanton Aargau hat gerade erst mit der Ausarbeitung einer Wasserstrategie begonnen.

Bisher gibt es nur wenig Koordination

Andri Bryner ist Hydrologe und Medienverantwortlicher beim Wasserforschungsinstitut Eawag. Aus seiner Sicht sei es durchaus sinnvoll, wenn die Kantone eigene Wasserstrategien erarbeiten würden. «Zwar befasst sich die Schweiz schon lange mit Wasser. Doch sind die unterschiedlichen Sektoren, beispielsweise Wasserkraft, Hochwasserschutz oder Trinkwasser, um nur drei zu nennen, oft sehr stark voneinander getrennt.»

Oft würden die Bereiche in unterschiedlichen Departementen bewirtschaftet oder privatwirtschaftlich respektive über Zweckverbände gesteuert. «Lange Zeit gab es deshalb kaum eine Koordination diesbezüglich. Dass sich das ändern soll, fordert nicht zuletzt auch der Bund», sagt Bryner. Eine Wasserstrategie könne dazu führen, dass Kantone Konflikte frühzeitig erkennen können.

«Oft ist das Thema Wasser gemeinde- oder kantonsintern geregelt, doch halten sich Gewässer bekanntlich nicht an solche Grenzen», gibt er zu bedenken, und ergänzt: «Zum Beispiel sorgt das Wasser, das von den Gletschern kommt, derzeit noch für einen gewissen Ausgleich. Es wird in Zukunft jedoch weniger. Auch deshalb ist es wichtig, die Wasserversorgung gesamtheitlich anzuschauen.»

Nutzungsinteressen konkurrenzieren sich zum Teil

Ausserdem gelte es zu berücksichtigen, dass es unterschiedliche Nutzungsinteressen gebe, welche sich zum Teil konkurrenzieren würden. «Nehmen wir als Beispiel die Bergkantone. Dort gibt es etwa im Bereich Freizeit einen Wasserbedarf, etwa auf Golfplätzen oder für Schneekanonen. Daneben stehen die Gewässerökologie, die Landwirtschaft, die Trinkwasserversorgung, aber auch der Energieversorger, der gerne Strom produzieren will mit seinem Stausee und das Wasser lieber zurückhält.»

Derzeit liege in verschiedenen Bereichen noch Potenzial brach, ist der Hydrologe sicher. Solche, die auch Zug betreffen könnten. «Wir beobachten heute vermehrt längere Trockenphasen, mit vereinzelten, sehr starken Regenfällen. Es wäre gut, wenn man dieses Wasser, gerade im Siedlungsraum, zurückhalten könnte.» Dies etwa, indem man auf versiegelte Flächen verzichte, damit der Regen ins Grundwasser gelangen kann.

Oder aber mit dem Einsatz bewusst eingeplanter Rückhalteräume. «Das kann beispielsweise ein Teich sein, oder aber ein Parkplatz, auf dem zehn Zentimeter Regenwasser für ein paar Stunden gespeichert werden können, ohne dass ein Schaden entsteht. Das würde auch die Gefahr von Hochwasser lindern.»

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