Grünes Aufblühen, schwarzer Tag für SVP und ein Familiennachzug

Was von den Wahlen in der Stadt Luzern haften bleibt

Die Bilder der Auszählung werden in Erinnerung bleiben. (Bild: Stadt Luzern)

Mit Handschuhen und Mundschutz lässt sich schnell auszählen. Die Grünen der Stadt Luzern blühen hinter der SP zur zweitstärksten Fraktion auf und der scheinbar unscheinbare Stapi Beat Züsli zeigt es allen: Acht Besonderheiten einer besonderen Wahl.

Einen Tag nach dem offiziellen Wahlsonntag hat die Stadt Luzern bekanntgegeben, wer in den nächsten vier Jahren politisch den Ton angibt. In aller Kürze: Das Stadtpräsidium bleibt in SP-Hand, die Grünen legen im Parlament mächtig zu und um zwei Sitze im fünfköpfigen Stadtrat wird im zweiten Wahlgang gefeilscht (zentralplus berichtete).

Acht Beobachtungen zu einem ganz speziellen Wahlgang.

1. Bemerkenswerte Bilder

In Erinnerung bleiben werden die diesjährigen Wahlen insbesondere wegen der Folgen der Corona-Pandemie. Wahlfeste und Standaktionen fielen ins Wasser, Politiker geben via Skype Fernsehinterviews, die Urnenbüros arbeiten mit Handschuhen und Schutzmasken: So hat man den Wahlkampf noch nie erlebt.

Von der möglicherweise wochenlang dauernden Auszählung war trotzdem wenig zu spüren: Das Prozedere ging erstaunlich rasch über die Bühne.

Erfreulich ist zudem: Die Wähler liessen sich nicht davon beirren und machten von ihrem demokratischen Mitspracherecht Gebrauch. Mit der Wahlbeteiligung von rund 37 Prozent kann man zwar nicht all zu stark prahlen, sie sank aber auch nicht unter den Wert von 2016.

2. Der Stapi bleibt links

Links oder liberal? Für Spannung sorgte das Duell ums Stadtpräsidium. Der Entscheid fiel klar zugunsten des SP-Kandidaten aus. Und das, obwohl Beat Züsli von Kritikern als zu wenig fassbar charakterisiert wurde. Doch der 56-Jährige verteidigte seinen Stil genauso unaufgeregt. Das wird von der Bevölkerung offensichtlich goutiert; Züsli hat Martin Merki auch den Rang als bestgewählten Stadtrat abgelaufen (zentralplus berichtete).

War es der falsche Kandidat? Damit würde man es sich zu einfach machen. Martin Merki war der logische Anwärter der Liberalen: Erfahren, kompetent, im Wahlvolk beliebt. Gleichwohl gelang es ihm nicht, die Vorteile seiner Person im Unterschied zu Beat Züsli aufzuzeigen. Zu ähnlich sind die beiden im Charakter und Auftreten – und in vielen städtischen Fragen auch in ihrer politischen Haltung. Und zu zögerlich auch war die Kandidatur von Merki.

Trotzdem: Gut, hatte die Bevölkerung die Wahl.

3. Rot-Grün in der blauweissen Stadt

Ist Beat Züsli der Sieger des Luzerner Wahlmontags, so sind die Grünen die Siegerin. Die Partei hat gemeinsam mit ihrer Jungpartei vier zusätzliche Sitze gewonnen und steigt zur zweitgrössten Fraktion auf.

Die Stimme für das Klima und den Umweltschutz wird damit gestärkt. Die Grünen mit ihrem Aushängeschild Adrian Borgula haben die Energiepolitik der Stadt vorangetrieben – und durch die Klimastreiks Aufwind bekommen.

So geht Wahlparty in Corona-Zeiten:

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Mancher hoffte insgeheim, das Coronavirus würde die Klimasorgen in der Bevölkerung verdrängen. Doch das ist definitiv nicht der Fall. Womöglich eher das Gegenteil: Eine Gefahr derart real zu erleben – und sei es wegen eines Virus und nicht wegen der Erderwärmung – könnte einigen Menschen die Notwendigkeit einer Änderung des Status quo hautnah vor Augen geführt haben. Gut möglich auch, dass der Regierungsrat Recht hatte und der Meinungsprozess schon weit fortgeschritten war, als Corona unseren gewohnten Alltag über den Haufen warf. Und als These ebenso plausibel scheint, dass in der aktuellen Krise ein starker Staat gefragter ist als ein schlanker.

Zu denken geben muss das Resultat derweil den Grünliberalen. Obwohl auch sie national auf der grünen Erfolgswelle mitsurfte und in mehreren Luzerner Nachbargemeinden Sitzgewinne feierte, stagniert die Partei in der Stadt Luzern.

4. Luzern – teilweise – im nationalen Trend

Bei den Grünliberalen nicht, aber bei SP und Grünen gilt: Was sich bereits bei den Nationalratswahlen letzten Herbst im Wahlkreis abzeichnete, bestätigte sich in vielen Linien auf lokaler Ebene.

Zum Beispiel auch die Verluste der SVP. Die «Otto-Normalbürger»-Kampagne hat offensichtlich genauso wenig verfangen wie die Frontalangriffe von Silvio Bonzanigo auf Baudirektorin Manuela Jost. Das Engagement der Partei, die in der letzten Legislatur mit vielen Referenden für Reibung sorgte, liess sich nicht in einen Wahlerfolg ummünzen. Das liegt zum Einen wohl an den Köpfen – ein beachtlicher Teil der Fraktion ist letzten Frühling ausgewechselt worden – und an der fehlenden Listenverbindung, zum Anderen auch an den Themen, die im urbanen Raum schlecht ziehen. Sinnbildlich dafür steht die Abwahl von Patrick Zibung, dem Kopf der kantonalen Anti-Stau-Initiative.

Die FDP hingegen hat erfolgreich Gegensteuer gegeben. Dank prominenten Wahllokomotiven auf der Hauptliste konnte sie ihre neun Sitze erneut halten. Die CVP hingegen, die bei den nationalen Wahlen letzten Herbst wie Phönix aus der Asche stieg, ist in der Stadt Luzern auf dem harten Boden der Realität gelandet und verliert – erneut – einen Sitz.

5. Familiennachzug bei den Jungen Grünen

Anekdote am Rande: Die Jungen Grünen, die selbstbewusst die Fraktionsstärke und damit drei Sitze als Ziel ausgaben, müssen sich mit zwei begnügen. Nebst der 27-jährigen Irina Studhalter, die vor drei Jahren ins Stadtparlament nachrückte, hat auch ihr zwei Jahre jüngerer Bruder Jona den Sprung ins Rathaus geschafft.

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6. Die Frauen in der Unterzahl

Nur die männlichen Stadträte schafften die Wiederwahl im ersten Anlauf. Das liegt aber nicht am Geschlecht, sondern hat andere Gründe. Manuela Jost holte Stimmen weit über das eigene Lager hinaus – auch dank der Unterstützung von FDP und CVP – und machte ein besseres Ergebnis als noch vor vier und acht Jahren. Doch als Vertreterin einer kleinen Partei musste sie bislang noch immer über den zweiten Anlauf gehen – die Wählerbasis der Grünliberalen ist schlicht zu dünn. Die Wahlpanne ihrer Partei schien ihr nicht geschadet zu haben.

Im Unterschied vielleicht zu Finanzdirektorin Franziska Bitzi Staub (CVP), die das absolute Mehr nur wegen knapp 330 Stimmen verpasste. Weil sie auf der GLP-Liste vergessen ging? Das lässt sich aufgrund der bislang veröffentlichten Unterlagen der Stadt Luzern nicht beurteilen. Zum Ergebnis von Bitzi Staub beigetragen haben dürfte nebst der Formschwäche ihrer Partei auch die Tatsache, dass sie das Amt erst vor drei Jahren antrat.

Im Stadtparlament zumindest steigt der Frauenanteil – ein Jahr nach dem nationalen Frauenstreik – ein wenig: Neu sitzen 15 Politikerinnen im Rat, bislang waren es 13. Vor allem in den linken Reihen gibt es bald mehr weibliche Gesichter.

7. Wird die Luzerner Politik nun linker?

In der Tendenz ja, aber das kommt auf die einzelnen Themen an. Die ökologischen Anliegen haben im Stadtparlament bereits bislang viel Gewicht erhalten, weil die sogenannte Öko-Allianz mit SP, Grünen und Grünliberalen eine Mehrheit von 25 Sitzen innehatte.

In anderen Bereichen – etwa der Finanz- oder Sozialpolitik – gehen die Grünliberalen hingegen andere Wege und stimmen oft mit den Bürgerlichen. Diesbezüglich könnten die linken Parteien künftig mehr Einfluss gewinnen. Zwar gibt es nominell eine Pattsituation: 24 Sitze für SP und Grüne, 24 für FDP, CVP, SVP und GLP. Das heisst aber auch: Zukünftig kommt es noch stärker auf die Präsenz der Grossstadträte an. An welch dünnem Faden wichtige Entscheide hängen können, zeigte sich zum Beispiel vor einem Jahr, als wegen zwei Absenzen auf linker Seite eine Aufstockung der Ressourcen bei der Stadtplanung scheiterte (zentralplus berichtete). Im Interesse der Stadt als Ganzes sollten sich beide Blöcke indes nicht nur um das «Zünglein an der Waage» bemühen, sondern um breit abgestützte Lösungen. Auch, damit die Zukunft der Stadt Luzern nicht zum Puzzle von politischen Zufallsentscheiden verkommt.

Ob die Luzerner Politik linker wird, hängt darüber hinaus davon ab, wer die letzten beiden Sitze im Stadtrat für sich ergattert.

8. Spannende Ausgangslage für zweiten Wahlgang

Kann SP-Kandidatin Judith Dörflinger eine der beiden Stadträtinnen Franziska Bitzi Staub (CVP) oder Manuela Jost (GLP) aus dem Amt drängen?Dass dieses Trio nochmals antritt, stand bereits am Montagabend fest –entscheidend wird auch sein, wer nebst den drei Frauen ins Rennen steigt.

Würde Silvio Bonzanigo (SVP) trotz seines mässigen Abschneidens eine erneute Kandidatur ins Auge fassen, könnte das Jost oder Bitzi wichtige Stimmen kosten. Einen Einfluss hat ebenso, wie sich die beiden Kandidaten der Jungparteien entscheiden, die beachtliche Resultate erzielten.

Obwohl Jost und Bitzi – anders als in Kriens, wo die Bisherigen am Wahlsonntag eine Ohrfeige verpasst bekamen – vor Dörflinger liegen, ist eine Abwahl keinesfalls ausgeschlossen. Dazu kommt, was Beat Züsli am Montag prognostizierte: «Die Resultate des Grossstadtrats werden die Dynamik des zweiten Wahlgangs mit Sicherheit noch beeinflussen. Wie genau, wird sich noch zeigen.»

Klar scheint zumindest eines: Mit grosser Wahrscheinlichkeit werden weiterhin zwei Frauen im Luzerner Stadtrat politisieren.

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