Luzerner Nationalrat und «Saferphone»-Initiative

Was Michael Töngi mit Verschwörungstheorien zu tun hat

Hinter der Initiative steckt ein Verein, welcher in der Vergangenheit wirre Verschwörungstheorien verbreitet hat. (Bild: Antenne: Emanuel Ammon/AURA Bild Michael Töngi: zvg)

Die «Saferphone»-Initiative ist lanciert. Diese will die Bevölkerung besser vor Mobilfunkstrahlung schützen. Auch der Luzerner Nationalrat Michael Töngi macht sich stark für dieses Anliegen. Das Problem: Der Verein hinter der Initiative verbreitete Verschwörungstheorien zu 5G.

Anfang der Woche strahlt der Luzerner Nationalrat Michael Töngi in die Kameras. Der Grund hat auch mit «Strahlen» zu tun, denn am Montag wurde die «Saferphone»-Initiative lanciert. Diese will bei der mobilen Kommunikation das Vorsorgeprinzip stärken, eine möglichst tiefe Strahlenbelastung mit kurzen Funkverbindungen und ein Glasfasernetz in allen Regionen der Schweiz.

Nicht nur Michael Töngi allein, sondern auch die Grünen Schweiz unterstützen die Initiative ganz offiziell. Diese Entscheidung ist gestützt auf einen Beschluss der Delegierten vom 20. August.

Hinter der Initiative steckt der Verein «Frequencia»

Das Problem bei der Sache: Hinter der Initiative steckt der Verein «Frequencia» aus Basel. Dies ist unter anderem beim Impressum ersichtlich. Der Verein ist nicht unumstritten – auf der früheren Website wurden Verschwörungstheorien verbreitet. Der aktuelle Internetauftritt ist davon «gesäubert» – und befindet sich aber noch im Aufbau.

Allerdings: Das Internet vergisst nie! Und somit kann in einigen Klicks die alte Website wieder aufgerufen werden. Während der Pandemie verbreitete diese Verschwörungstheorien, beispielsweise dass 5G für Covid-19 mitverantwortlich sei: «Im Internet kursiert derzeit die Vermutung, dass dieser Ausbruch im Zusammenhang mit der Strahlung der 5G-Mobilfunksender steht, die in Wuhan zu jener Zeit aufgeschaltet wurden», war zu lesen.

Auch soll 5G für Krankheiten wie Krebs, Diabetes oder Tinnitus verantwortlich sein. «5G wurde noch nicht auf seine Auswirkungen auf unsere Gesundheit und Lebewesen im Allgemeinen geprüft. Seine Einführung läuft daher auf ein gigantisches Experiment an Mensch, Tier und Pflanzen hinaus, was einen klaren Bruch des internationalen Rechts darstellt», wurde behauptet.

Wie gefährlich ist die Strahlung wirklich? ETH-Wissenschaftler Jürg Eberhard sagte schon im Sommer 2021 gegenüber zentralplus: «Es gibt keinen Beweis dafür, dass 5G-Strahlung völlig unbedenklich ist.» Allerdings sagt er auch, dass die Forscher international nicht davon ausgingen, dass die Strahlung gefährlich sei (zentralplus berichtete).

Grünes Bündnis Bern distanziert sich

Noch zum Zeitpunkt der Delegiertenversammlung der Grünen Schweiz war die alte Website ohne Hintertüre aufrufbar. Erst danach wurde die alte Version vom Netz genommen. Das Grüne Bündnis Bern bezeichnet diese Inhalte offen als «demokratie- und wissenschaftsfeindliche Texte und Videos».

Wie das Grüne Bündnis Bern schreibt, ist es zwar ebenso für einen Ausbau des Glasfasernetzes. «Gleichzeitig distanziert sich das Grüne Bündnis klar von den antidemokratischen und wissenschaftsfeindlichen Kreisen, die mit sogenannten ‹erfahrungswissenschaftlichen› Pamphleten mit den Ängsten der Bevölkerung spielen und diese für ihre politische Agenda instrumentalisieren.» Daher unterstützt das Bündnis die Initiative nicht.

Das sagt Nationalrat Michael Töngi

Was sagt der Luzerner Nationalrat Michael Töngi zu den Aussagen des Bündnisses? Er kann verstehen, dass sich seine Berner Kollegen an dem Blick ins Archiv gestört haben. Gegenüber zentralplus sagt Töngi: «Das Grüne Bündnis Bern hat im Archiv der Site «Frequencia» nachgeschaut und als Beispiel einen vier Jahre alten Text aufgeführt, den ich auch mehr als wirr finde. Auf dieser Seite waren sehr viele unterschiedliche Texte publiziert.»

Er trage nicht die Verantwortung für diese Website. «Dagegen trage ich die Verantwortung als Mitglied des Initiativkomitees für den Initiativtext. Und dieser Text ist moderat und fachlich abgesichert», sagt Michael Töngi. Er habe sich beim Mobilfunk immer auf das Vorsorgeprinzip gestützt: «Denkbare Schäden sollen im Voraus vermieden werden.»

Legen sich die Grünen mit Verschwörungstheoretikern «ins Bett»?

Auch wenn die Vergangenheit des Vereins «Frequencia» umstritten ist, Michael Töngi findet nicht, dass die Initianten sich da nun mit Verschwörungstheoretikern «ins Bett» legen. Er sei kein Mitglied des Vereins und habe zusammen mit anderen Parlamentarierinnen den Initiativtext über eine längere Zeit erarbeitet. «Was uns verbindet, ist der vorliegende Initiativtext, der aus meiner Sicht 100-prozentig ‹safe› ist. Er wird deshalb von vielen anderen Personen im Unterstützungskomitee getragen, die mit ihren Kompetenzen einstehen.»

Töngi betont die Wichtigkeit der Initiative: «Zur Umsetzung der Initiative brauchen wir ein Glasfasernetz in der ganzen Schweiz. Davon profitieren besonders Randregionen wie Luzern West, die jetzt für ein Netz kämpfen. Die Mobilfunkanbieter wollen diese Regionen vermehrt via Funk versorgen.»

Glasfaser statt mobiles Netz

Es sollten nicht mit jeder Generation noch mehr Antennen benötigt werden. Am meisten Daten würden wir in den Gebäuden verbrauchen und nicht unterwegs. Daher will die Initiative da ansetzen: «Es ist widersinnig, wenn diese Daten immer mehr über Mobilfunkantennen draussen in die Gebäude transportiert werden statt via Glasfaserkabel ins Haus und erst dort per Funk übertragen werden», sagt Töngi.

Auf Social Media wird den Grünen vorgeworfen, dass der Initiativtext wegen ihnen jetzt zahnlos sei, da er unter anderem zu viel Interpretationsspielraum habe. «Der Vorwurf zeigt, dass wir jetzt gut eingemittet sind. Wir haben viel Zeit darauf verwendet, einen Text zu schreiben, der solid ist. In der Initiative werden einige wenige Ziele festgelegt, aber keine Massnahmen vorgeschrieben», schreibt Töngi. Über die konkrete Umsetzung müsse nach einer Annahme der Initiative diskutiert werden.

Verwendete Quellen
  • Schriftlicher Austausch mit Michael Töngi
  • Einblick in die frühere Version der Website von «Frequencia» via «Wayback»
  • Aktuelle Website von «Frequencia»
  • Stellungnahme des Grünen Bündnisses Bern
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14 Kommentare
  • Profilfoto von Walter Seiler
    Walter Seiler, 17.09.2022, 11:37 Uhr

    Schade, dass Sie sich anstatt vertieft mit der Sache und dem Initiativtext auseinanderzusetzen auf billige Art versuchen, die Initianten zu diskreditieren!

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  • Profilfoto von Steff
    Steff, 15.09.2022, 19:55 Uhr

    Die ganze Diskussion um 5G ist total nervig. Unter den Gegnern ist kaum je jemand zu finden, mit einem entsprechenden technischen Background. Stattdessen sind es Esoteriker, Steampunks und Geistheiler, die irgendwelche Schnippsel aus Studien wiedergeben, die sie nicht mal selber hinterfragen können, weil der nötige Rucksack dazu fehlt.
    Im Mittelalter hatte man damit wohl Erfolg, ich hoffe aber schon, dass wir diese Zeit mal endlich hinter uns lassen können.

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    Hanswurst, 15.09.2022, 08:00 Uhr

    Grün ist nicht Grün, wie der Blick nach Deutschland lehrt: Es gibt Fundis, wozu auch ein Teil der SP gehört und die Realos. Eine nachhaltige Zukunft lässt sich sicher nur mit Letzteren gestalten. Und Erstere haben einen Hang zur Realitätsverzerrung, üben sich in Wunschdenken und sind zuweilen auch parawissenschaftlich – esoterisch.

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      Wolfgang Reuss, 16.09.2022, 19:56 Uhr

      Die GRÜNEN in Deutschland sind die «schlimmste Kriegspartei», das sagen Oscar Lafontaine und ich.
      3WK in Demeter-Qualität? Für mich eine Mogelpackung, das Gegenteil einer «nachhaltigen Zukunft».

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    Sepp, 15.09.2022, 07:46 Uhr

    Kann der Herr nicht einfach die vermeintlich schützende Globuli einnehmen um die vermeintlich schlechte Strahlung nicht zu erhalten?

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    Opi Kron, 15.09.2022, 06:45 Uhr

    Ganz merkwürdig- gegen das tatsächlich krankmachende Phänomen von Viren in der Luft möchten diese Personen nichts tun (obwohl Lüftungen und Filter günstig sind), stattdessen wird ein nichtexistierendes Problem erfunden.

    Waren wir immer schon so Wissenschaftsfeindlich? Die Schweiz konnte aber genau dank der Wissenschaft überhaupt so stark werden.

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    • Profilfoto von Wolfgang Reuss
      Wolfgang Reuss, 16.09.2022, 12:08 Uhr

      Dank der Wissenschaft die Schweiz so stark geworden?
      Ich sehe eher das Gegenteil:
      Krankenwesen(leidens)kostenexplosion; das wohl dichteste Strassenverkehrsnetz Europas; die mit Abstand höchste Mobbing-Rate Europas (Quelle: Beobachter 2022); Suizide fast die höchste Rate Europas; Trinkwasser-/Pestizide-/ und nun mutmasslich auch die Massentierhaltungsinitiative abgelehnt; und, und.
      Wenn man die Hasskommentare auf (A)socialmedia (das A steht für erstklassig, what else) liest (auch die in Zentralplus sind öfters unnötig unnett), und sich die Schweiz anschaut, müsste das zumindest nachdenklich stimmen. Wilhelm, Tell me why?

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      • Profilfoto von Hanswurst
        Hanswurst, 16.09.2022, 17:34 Uhr

        Mir scheint die geschilderten Probleme haben ihre Ursachen nicht wie suggeriert in der Wissenschaft, sondern gaben viel mehr mit Egoismus, eigennütziger Politik, nur profitorientierter Wirtschaft, Dichtestress, Uneinsichtigkeit, Ignoranz etc. zu tun.

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        • Profilfoto von Wolfgang Reuss
          Wolfgang Reuss, 16.09.2022, 19:40 Uhr

          @ Hanswurst Es ist doch Hans was Heiri, es ist doch Wurst: Ob an 5G die Wissenschaft schuld ist oder «Egoismus, eigennütziger Politik, nur profitorientierter Wirtschaft, Dichtestress, Uneinsichtigkeit, Ignoranz etc.» – oder beide: Wenn in einem Land (Schweiz) trotz (oder eben wegen) Mega-Wissenschaft es multi-bachab geht, dann bin ich für Notbremse statt Lobhudelei für die Wissenschaft.

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  • Profilfoto von Markus Meier
    Markus Meier, 14.09.2022, 23:21 Uhr

    Dieser Artikel ist ausgewogen und informativ, danke!

    Jenen, die sich partout aufregen wollen, rate ich, einfach den Initiativtext zu lesen. Er ist sehr massvoll. Der Ansatz, dass das Internet via Glasfaser (oder Kupferdraht) in die Häuser reingebracht wird und dann erst dort via WLAN (Funk) ausgebreitet wird, finde ich bestechend.

    Dies spart übrigens auch Energie: Gemäss einer Studie verbraucht die Datenübertragung über 5G 13-mal mehr Strom als über Glasfaser (Studie eoptimo/DK 2022).

    Und der Inhalt der Initiative ist für mich ebenfalls 13-mal so wichtig wie einzelne abstruse Absender…

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  • Profilfoto von Hegard
    Hegard, 14.09.2022, 20:35 Uhr

    Herr Töngi ist anscheinend ein Sessel Bubser ,sonst würde er wissen für was man zB das LTE braucht.

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  • Profilfoto von Loris Fabrizio Mainardi
    Loris Fabrizio Mainardi, 14.09.2022, 20:10 Uhr

    Das Kind nicht mit dem Bade ausschütten! Wenn eine Minderheit der Unterstützer Verschwörungs-Unfug verbreitet, folgt daraus nicht, dass das Anliegen der Initiative nicht unterstützungswürdig ist. Dieses lautet ganz einfach: KABEL VOR FUNK und verhilft dem umweltschutzrechtlichen Grundsatz der Vermeidung unnötiger Immissionen zum Durchbruch!

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    • Profilfoto von Roli Greter
      Roli Greter, 14.09.2022, 21:53 Uhr

      Ich begrüsse ihren Sinneswandel im Bezug auf einzelne Personen innerhalb von Gemeinschaften.

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    • Profilfoto von mvonrotz
      mvonrotz, 15.09.2022, 09:19 Uhr

      Grundsätzlich mit Ihnen einverstanden, aber Funkwellen halten nicht vor Hauswänden. Um das umzusetzen müsste die Sendeleistung massiv reduziert werden und um dann die Abdeckung noch gewährleisten zu können massiv mehr Funkmasten aufgestellt werden. Und diese will auch Niemand. Also ein Konflikt. Und weg vom Mobile Phone oder IOT oder anderen über Mobilfunk vernetzten Komponenten ist ein Wunschtraum.

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