Ernährung muss sich ändern

Was die Luzerner Klimapolitik künftig auf den Tisch bringt

Wie viel Fleisch liegt drin? Oder darf es auch eine vegetarische Alternative sein? (Symbolbild: Unsplash/Louis Hansel)

Was auf unsere Teller kommt, spielt für das Klima eine zentrale Rolle. Klar ist für den Kanton Luzern: Wir müssen uns bei der Ernährung bewegen. Von Essvorschriften sieht die neue Klimapolitik aber explizit ab. Grüne Kräfte vermissen beim Kanton mehr Mut.

Was kommt auf unsere Teller? Diese Frage ist seit einigen Jahren ein Politikum. Besonders im Kontext des Klimawandels ist die Ernährung zur gesellschaftlichen Frage geworden, die über den Menüplan des Einzelnen hinausgeht. Mischt sich da der Staat ein, folgt in der Regel postwendend der Widerstand.

Gleichzeitig ist klar: Unser Konsum verursacht einen wesentlichen Teil der Treibhausgase, die den Klimawandel anheizen. Was wir essen, spielt also eine grosse Rolle. Wie sonst kaum irgendwo können wir damit direkt Einfluss nehmen.

Klimawandel geht durch den Magen

In der Klimapolitik des Kantons Luzern spielt die Ernährung deshalb ebenfalls eine Rolle. «Es braucht das Mitwirken aller, um die Klimaziele erreichen zu können. Letztlich bestimmt die Bevölkerung mit ihrem Verhalten und ihrem Konsum die Treibhausgasemissionen massgeblich», schreibt die Regierung in ihrem im Januar publizierten Klimabericht.

Doch Essen ist nicht eines der acht Handlungsfelder im Bereich Klimaschutz – wie beispielsweise Verkehr, Industrie oder Gebäude. Wer erfahren will, was der Kanton diesbezüglich plant, muss im über 170-seitigen Bericht tiefer schürfen – wird dann aber fündig. Konkret sind es drei Bereiche, in denen der Kanton ansetzen will: Erstens in der Landwirtschaft. Zweitens in der Information der Konsumenten. Und drittens dort, wo der Kanton selber als Vorbild vorangehen kann.

Wo Luzern ansetzen will

Der Kanton will den Konsumenten in erster Linie stärker aufzeigen, welchen Einfluss das Essen auf das Klima hat – und wie klimaschonende Ernährung funktioniert. Wie das aussehen könnte, zeigt die Stadt Luzern: Sie hat letztes Jahr eine Kampagne mit eigener Webseite zum Klimaschutz lanciert (zentralplus berichtete).

Handfester werden die kantonalen Bemühungen in den eigenen kantonseigenen Mensen, beispielsweise in den Kantons- und Berufsschulen. Dort ist noch mehr nachhaltige und klimaschonende Kost vorgesehen.

«Konsumentinnen und Konsumenten entscheiden selbst, was und wie viel sie essen, es wird keine Vorgaben dazu geben.» 

Jürgen Ragaller, Kanton Luzern

Verbote oder Essensvorschriften sucht man im Luzerner Klimabericht vergeblich. «Konsumentinnen und Konsumenten entscheiden selbst, was und wie viel sie essen, es wird keine Vorgaben dazu geben», sagt der kantonale Klimaexperte Jürgen Ragaller. «Vielmehr erachten wir es als Aufgabe des Kantons, offen und transparent über Klimathemen zu informieren und Wissen zu vermitteln.»

Müsste der Kanton mehr tun?

Ob das reicht, ist umstritten. «Klar macht man sich nicht beliebt mit dem Hinweis, dass wir alle unseren Konsum reduzieren müssen», sagt Carlo Schmid vom Klimastreik Zentralschweiz. Der Kanton Luzern hätte im aktuellen Klimabericht deutlicher hervorheben können, dass bei der Ernährung ein Umdenken nötig sei, findet er.

«Wieso künftig nicht einen Fleischtag definieren statt einen Vegi-Tag, um so ein Umdenken zu begünstigen?» 

Raoul Niederberger, Grüne

Auch für die Grünen ist unbestritten: Der Fleischkonsum pro Kopf ist in der Schweiz zu hoch. «Wir müssen das Verhalten der Konsumenten bremsen und da steht auch der Kanton in der Pflicht», sagt Co-Präsident Raoul Niederberger.

Seine Partei bezweifelt, dass die Klimaziele allein mit Anreizen und Sensibilisierung erreicht werden können. «Es bräuchte konkrete Vorgaben», sagt Niederberger. «In dieser Hinsicht ist der Bericht zu wenig mutig, vor allem im Bereich der Landwirtschaft.»

Dass Luzern seine Vorbildfunktion wahrnehmen will, beispielsweise bei den Mensen der Kantonsschulen, begrüssen die Grünen hingegen ausdrücklich. «Wieso künftig nicht einen Fleischtag definieren statt einen Vegi-Tag, um so ein Umdenken zu begünstigen?», schlägt Raoul Niederberger vor. «Denn fleischlos zu essen, muss wirklich attraktiv sein.» 

Wie stark müssen sich die Bauern anpassen?

Mehr Möglichkeiten hat Luzern auf Seiten der Produktion. Ein Viertel der Treibhausgasemissionen im Kanton Luzern stammen aus der Landwirtschaft – das ist deutlich mehr als im gesamtschweizerischen Schnitt (siehe Grafik).

«Damit wir das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 erreichen können, müssen in allen Bereichen die Treibhausgasemissionen gesenkt werden, auch in der Landwirtschaft», sagt der Luzerner «Mister Klima», Jürgen Ragaller. Die Landwirtschaft gehört nebst dem Abfall aber zu jenen Bereichen, in denen die Treibhausgase laut Bericht nicht bis 2050 eliminiert, sondern nur auf die Hälfte des Niveaus von 2018 gesenkt werden können.

Am einfachsten würde man sie vermeiden, indem die Bauern weniger Tiere halten und Landwirtschaftsland aufforsten würden. Das ist aber laut Kanton weder aus lokaler noch aus globaler Perspektive sinnvoll – und zudem kaum mehrheitsfähig.

Doch wie viele Tiere die Luzerner Bauern zukünftig noch halten sollen, ist eine schwierige Frage. Im Klimabericht sieht die Regierung davon ab, dies näher zu beziffern. Denn beides – die Reduktion der Tierhaltung und Veränderungen bei der Ernährung – seien «sensible Themen».

So geht es weiter

Noch bis zum 7. Mai läuft im Kanton Luzern die Vernehmlassung zum Planungsbericht Klima. Voraussichtlich im Januar 2022 wird der Kantonsrat über die Klimapolitik beraten. Nach Abschluss der politischen Diskussion will der Regierungsrat ab 2022 konkrete Massnahmen und deren Umsetzung planen.

Auch für den Luzerner Bauernverband ist klar, dass Nichtstun keine Alternative ist. Eindimensionale Lösungen erachtet man als zu einfach, wie aus einem Schreiben von Präsident Stefan Heller von Anfang Jahr hervorgeht. Er war auf Anfrage diese Woche nicht für weitere Auskünfte verfügbar. Im Januar hielt er aber fest, dass es eine ganzheitliche Diskussion brauche, die auch beim Konsum ansetze. Denn die Landwirtschaft produziere jene Lebensmittel, welche von der Gesellschaft nachgefragt würden. «Jene Leute, welche die Landwirtschaft wieder zu Prügelknaben machen möchten, sollten zuerst ihren eigenen Kühlschrank konsultieren.»

Das Huhn-Ei-Dilemma

Heller spricht damit einen Punkt an, der in der Debatte oft zu reden gibt: Soll sich das Angebot nach der Nachfrage richten oder umgekehrt? Es ist die Huhn-Ei-Frage: Wer muss sich zuerst bewegen, Produzenten oder Konsumenten?

Der Klimaexperte des Kantons Luzern windet sich um eine konkrete Antwort. «Es ist nicht entscheidend, wer sich zuerst bewegt, sondern dass alle das gleiche Ziel verfolgen: netto null 2050», sagt Jürgen Ragaller. Es liege im Interesse der Landwirtschaft, besonders von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen, dass Klimaschutzmassnahmen umgesetzt würden. «Sie steht aber auch in der Pflicht, ihren Teil zum Schutz des Klimas beizutragen – gemeinsam mit uns allen.»

Regierungsrat Fabian Peter (FDP) sagte kürzlich an einem Podium, es bringe nichts, wenn im Kanton Luzern kein Fleisch mehr produziert werde – und dafür mehr importiert werden müsse. Wenn die Luzerner weiterhin ihr Steak braten und eine Wurst grillieren, würden die Emissionen so einfach in andere Regionen ausgelagert.

«Durch Werbung wird die Nachfrage bewusst angekurbelt – und das noch staatlich subventioniert.»

Carlo Schmid, Klimastreik Zentralschweiz

 «Das sehen wir auch so», sagt Carlo Schmid vom Klimastreik Zentralschweiz. Trotzdem gebe es Hebel, an denen man ansetzen könne – beispielsweise die Werbung. «Dadurch wird die Nachfrage bewusst angekurbelt – und das noch staatlich subventioniert», kritisiert Schmid. Dieses Geld würde der Staat besser in den wachsenden Zweig der Fleischersatzprodukte investieren. «Dadurch könnte man die lokale Produktion und Wirtschaft fördern», so Schmid. Was die Reduktion der Tierbestände betrifft, hätten sich die Klimaaktivisten vom Kanton Luzern konkretere Ziele gewünscht.

Auch Raoul Niederberger von den Grünen will den Schwarzen Peter weder den Bauern noch den Konsumenten alleine in die Schuhe schieben. Aber es sei klar: «Es kann nicht mehr gleichermassen weitergehen mit der intensiven Tierhaltung und Milchproduktion.» Im Bereich der Ernährung sei der Handlungsspielraum des Kantons allerdings beschränkt und vielmehr der Bund gefragt, konstatiert Niederberger.

Dieser müsse die Rahmenbedingungen besser ausgestalten. «Es gibt für Bauern oft keinen Anreiz, auf eine nachhaltige Produktion umzusteigen, wenn ihre Produkte nachher im Vergleich mit Billigfleisch oder anderen Produkten aus dem Ausland viel teurer sind und im Markt keine Chance haben.»

Und auch wenn sich die Regale der Detailhändler – gerade jetzt auf die Grillsaison hin – zunehmend mit fleischlosen Alternativen zum Steak füllen: Es bräuchte womöglich auch für die Kunden mehr Anreize, um zum veganen Plätzli oder dem teureren Bio-Schnitzel zu greifen statt den günstigen Aktionsburger in den Korb zu legen.

Einig sind sich die Klimabewegung, Grüne und der Kanton Luzern in einem Punkt: Die Ernährung ist ein wichtiger Teil der Klimapolitik. Was auf den Teller kommt, ist nicht nur für die Bäuche von Bedeutung.

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9 Kommentare
  • Profilfoto von Rudolf 1
    Rudolf 1, 18.04.2021, 11:44 Uhr

    Sagt der Mars zur Erde: „Du siehst aber heute schlecht aus.» Jammert die Erde: „Mit mir geht’s zu Ende. Ich habe Homo sapiens.» – „Mach dir nichts draus!», tröstet der Mars. „Das hatte ich auch mal. Das verschwindet von selbst.» –

    Die Massnahmen des Regierungsrates reichen nicht aus.

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    Roland Grueter, 12.04.2021, 17:44 Uhr

    Bei Corona-Massnahmen spricht man von Freiheitsberaubung, Diktatur usw., aber jetzt soll noch der Staat kontrollieren, vorschreiben, was der Bürger zu essen hat! Das nennt man eher Terror und Verbots-Forderungen vor allem der Grünen.

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      Rudolf 1, 18.04.2021, 11:45 Uhr

      Im Regierungsrat sind KEINE Mitglieder der grünen Partei.

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    Daniel Steiner, 12.04.2021, 10:01 Uhr

    Ich trage bereits einen grossen Teil gegen die Klimaerwärmung bei indem ich keine Kinder habe.

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      Peter Bitterli, 12.04.2021, 11:02 Uhr

      Bravo. Aber dann ist es ja auch wurscht, ob sich das Klima erwärmt, oder?

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    Andreas Peter, 12.04.2021, 09:10 Uhr

    Die mit Abstand sinnvollste Massnahme wäre es, das Bevölkerungswachstum auf der Erde zu kontrollieren. Je mehr Menschen, desto mehr Ressourcenverbrauch.
    In Europa gehen die Geburtenzahlen seit längerem zurück, also sind wir in diesem Punkt schon vorbildlich.

    Warum wird das nicht breit thematisiert?
    Warum wird daran nicht mit Hochdruck gearbeitet?
    Weil es der linken Politik eigentlich nur darum geht, den Menschen ein schlechten Gewissens einzureden, damit sie sie besser knechten kann?

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      Rudolf 1, 18.04.2021, 11:47 Uhr

      Dafür ist der Luzerner Regierungsrat nicht zuständig.

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    Peter Bitterli, 12.04.2021, 07:17 Uhr

    Grünkreise labern freien Erwachsenen und der künftigen Elite in Tisch und bald wohl auch Bett hinein. Und die halten das allen Ernstes für sinnvoll, wünschbar und natürlich moralisch hochwertig. Im Kleinen aber Feinen zeigt sich hier, wieso es für das Klima verheerend ist, grün zu wählen. Die Verbots- und Verzichtsstrategie der Jakobiner führt, weil sie nicht mehrheitsfähig ist, zu Demokratieabbau und Deindustrialisierung, was global denjenigen bevölkerungsstarken Schwellenländern in die Karten spielt, in denen Umweltschutz gar keine Rolle spielt. Wirklich nützlich wäre die Forschung an und Entwicklung von Technologien, welche zugleich effizient und so preiswert sind, dass China ein Interesse daran hat, sie flächendeckend einzuführen.

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      Rudolf 1, 18.04.2021, 11:49 Uhr

      Alle eidg. Räte haben eine «bürgerliche» Mehrheit.

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