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Nicht wenige Zuger Politiker sitzen sowohl im Gemeinde- als auch im Kantonsrat. So etwa Philip C. Brunner, Benny Elsener oder Barbara Gysel.
(Bild: Montage wia)Gemeinderat, Kantonsparlamentarier, Stadtparlamentarier, Funktionär – immer mehr Zuger Politiker sammeln Mandate. Deshalb haben immer weniger Zeit für anderes. Das ist schlecht für die Demokratie und verstärkt das Personalproblem bei den Parteien.
Als am 7. Oktober der Super Sunday dämmerte und sich der Nebel der Ungewissheit nach den Zuger Gesamterneuerungswahlen lichtete, stand fest: Von den 19 Kantonsräten, welche die Stadt Zug kommendes Jahr ins Parlament entsendet, werden sich nur drei voll auf ihr Mandat konzentrieren können: Stéphanie Vuichard (ALG), Cornelia Stocker (FDP) und Manuel Brandenberg (SVP).
Die anderen 16 haben noch weitere politische Mandate. Sie sitzen zumindest im Zuger Stadtparlament oder haben einen 100-Prozent-Job in der Zuger Stadtregierung.
Berufsbild Profi-Lokalpolitiker
Mittlerweile haben drei Gewählte ihr Stadtparlamentsmandat weitergegeben. Weil auch die Neo-Stadträtin Eliane Birchmeier ihr Kantonsratsmandat weitergab, bleiben nun 12 Mitglieder des 40-köpfigen Stadtparlaments, die gleichzeitig auch im Kantonsparlament mittun. Das ist fast ein Drittel aller Abgeordneten – so viele wie noch nie.
Die Entwicklung stört nicht nur den Zuger Stadtpräsidenten Dolfi Müller (SP). Aber weil er Ende des Jahres von der politischen Bühne abtritt, kann er Tacheles reden. «Es scheint fast so, als würde in Zug ein neues Berufsbild entstehen», sagt er. «Überall sitzen die Gleichen – es sind meist die üblichen Verdächtigen.» Nicht, dass Müller die Qualität ihrer Arbeit kritisieren würde. «Sie machen es gut», sagt der Stadtvater versöhnlich. «Aber sie nehmen 12 anderen politischen Talenten den Platz weg.»
Ein Mittel gegen den Personalmangel
Was Müller meint: Einst galt der Grosse Gemeinderat als eine Art Nachwuchsparlament. Einsteiger konnten sich hier beweisen – die politischen Parteien profitierten von einem Pool an Nachwuchskräften, der den Mangel an profilierten Köpfen im kleinen Kanton lindern half.
Die verhältnismässig dünne Personaldecke macht nicht nur den kleinen Parteien zu schaffen, wie etwa die Wahlen in den Zuger Regierungsrat zeigten. Bei der Aufstellung zweier neuer Kandidaten verweigerten sich die bekannten und erfahrenen Köpfe der grossen Partei. Der FDP blieben mit Andreas Hostettler und Florian Weber nur zwei relativ unbekannte Gesichter, die sie im Wahlkampf mit enormem finanziellem Aufwand bekannt machen musste.
Wann Doppelmandate Sinn machen
Nun gibt es Mandatesammler nicht nur unter den Zuger Stadtparlamentariern, sondern auch Gemeinderäte ziehen gern ins Kantonsparlament ein. «Diese Kombination macht wenigstens Sinn», sagt Müller, weil man so die Sicht der Kommunen in den Gesetzgebungsprozess einbringen könne. «Aber bei legislativen Doppelmandaten gibt es schlicht zu wenig Synergien», sagt Müller. Der Nutzen scheine ihm gering.
«Es besteht auch eine gewisse Gefahr, dass eine kleine, aber zunehmend abgeschlossene Classe politique entsteht», sagt Müller. Quereinsteiger in die Politik müssten so zunehmend draussen bleiben. Junge fänden immer weniger in die Politik. Das sei schlecht für die Verankerung der Politik in der Bevölkerung.
Junge fehlen
«In der Tat ist das Milizsystem auf dem Rückzug», sagt Tobias Arnold. Der Urner Politologe ist an der Universität Bern tätig, arbeitet fürs Luzerner Forschungs- und Beratungsbüro Interface und hat die Wirkung von Doppelmandaten in der Schweiz untersucht. Zwar zeige das Datenmaterial, dass Doppelmandate im Kanton Zug – wie in der Zentralschweiz generell – im schweizweiten Vergleich wenig ausgeprägt seien, was die Kombination von Kantonsrat und Gemeinderat betreffe.
Dennoch hält er die Argumentation von Dolfi Müller für «plausibel». Generell fänden sich wenige junge Leute, die sich in der Politik engagieren wollten. «Und wenn, dann sehen wir zunehmend einen neuen Typus von Jungpolitikern», sagt Arnold, «jenen des Berufspolitikers.»
Ein Teufelskreis
Junge, die ihr Karriereziel in der Politik sähen und voll auf diese Karte setzten. Dass sie von Sitzungsgeldern und Teilzeitmandaten vorerst nicht leben könnten, sei für viele kein Hinderungsgrund. Denn mit jedem neuen Mandat tue sich eine neue Bühne mit Möglichkeiten auf. «Wenn sie es am Schluss in ein Regierungsamt schaffen, hat sich die Investition gelohnt», so Arnold.
Nur: Wenn Jungpolitiker keine politische Bühne finden, weil andere Mandatesammler ihnen den Zugang versperren – wie im Fall des Grossen Gemeinderats der Stadt Zug –, dann findet eben auch keine hoffnungsvolle Karriere statt. Und die Parteien klagen weiter über den Mangel an guten Köpfen. Die Katze beisst sich in den Schwanz.
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