Wer einen Beistand hat, muss künftig mehr bezahlen

Vorwurf an die Luzerner Kantonalbank: Menschen mit Behinderungen werden diskriminiert

Die Luzerner Kantonalbank. (Bild: bic)

Bei der Luzerner Kantonalbank ein Konto zu eröffnen ist gratis. Nicht aber für Menschen, die psychisch oder geistig beeinträchtigt sind und deshalb einen Beistand brauchen. Sie sollen dafür künftig 120 Franken bezahlen. Das sorgt für massive Kritik.

Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. Die Diskriminierung von Menschen mit einer Behinderung ist in der Schweiz verboten. So steht es in der UNO-Behindertenrechtskonvention, die seit 2008 in Kraft ist.

Nun führt die Luzerner Kantonalbank (LUKB) eine neue Regelung ein, die aus Sicht des Dachverbands der Behindertenorganisationen Inclusion Handicap gegen diesen Grundsatz verstösst. Sie verlangt ab dem ersten Januar eine Zusatzgebühr für Kunden, die einen Beistand haben.

Die Eröffnung eines Kontos kostet die Betroffenen künftig 120 Franken – für die übrigen Kunden bietet die Bank diese Dienstleitung weiterhin gratis an. Ab dem 1. Juli will die Luzerner Kantonalbank zudem 15 Franken pro Quartal für die Kontoführung verrechnen, sprich 60 Franken im Jahr.

Getroffen werden diejenigen, die es eh schon schwer haben

Wen wird dies treffen? Menschen mit massiven psychischen und geistigen Beeinträchtigungen. Denn nur in diesen Fällen ordnet die Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) eine umfassende Beistandschaft an. Die eingesetzten Beistände kümmern sich für die Betroffenen um die Vermögensverwaltung – und brauchen deshalb Zugriff auf die Konten.

«Dass Menschen mit Behinderungen mehr für die gleiche Leistung bezahlen sollen, ist nicht akzeptabel.»

Marc Moser, Sprecher von Inclusion Handicap

«Die neue Regelung der Luzerner Kantonalbank ist diskriminierend», sagt deshalb Marc Moser, Sprecher von Inclusion Handicap. «Die Bank bittet ausgerechnet diejenigen zur Kasse, die es ohnehin schon schwer haben. Natürlich soll eine Bank gewinnbringend arbeiten und Gebühren erheben können. Aber dass Menschen mit Behinderungen mehr für die gleiche Leistung bezahlen sollen, ist nicht akzeptabel.»

Die LUKB hat die Berufsbeistandschaften im November über die Neuerung informiert. Andy Michel, Geschäftsführer des Gemeindeverband Kesb und der Sozialberatungszentrem der Regionen Hochdorf und Sursee, sagt dazu: «Die zusätzliche Verrechnung stösst sämtlichen Sozialberatungszentren im Kanton auf Unverständnis. Wir haben deshalb reagiert.»

Weitere Vereinfachungen scheitern an der LUKB

Die Berufsbeistandschaften hätten in den letzten Jahren bereits Massnahmen ergiffen, um die LUKB zu entlasten. So zum Beispiel verbesserte Schnittstellen zu den Konten, so dass die Bewegungen automatisch im Klientensystem abgebildet werden können. «Stets war der Fokus auf die Verringerung von Bürokratie» sagt Michel. Weitere Optimierungen wären möglich. Allerdings ist beispielsweise das digitale Übermitteln von Dokumenten bei der LUKB (noch) nicht erlaubt.

An einer Aussprache legten Vertreter der Berufsbeistandschaften denn auch dar, weshalb sie die neue Gebühr für unangebracht halten. Ihre Forderung: Die LUKB soll auf die geplante Änderung verzichten. Gefruchtet hätten die Gespräche aber nicht. «Die Verantwortlichen halten an ihrem Entscheid fest.»

LUKB spricht von verursachergerechten Kosten

Die Luzerner Kantonalbank hält die Neuregelung für unproblematisch. Schliesslich würden auch die Kesb selber Gebühren verlangen für ihre Dienstleitungen im Bereich des Kindes- und Erwachsenenschutzsrechts.

«Bereits seit längerer Zeit verfolgen wir die Strategie, die Preise für unsere Produkte und Dienstleistungen möglichst verursachergerecht – und damit auch fair für alle unsere Kundinnen und Kunden – zu gestalten und betriebswirtschaftlich unerwünschte Quersubventionen möglichst zu vermeiden», erklärt Sprecher Daniel Vonarx.

Die Eröffnung und Bewirtschaftung von Beistandskonten sei für die Bank personell und administrativ sehr aufwendig und kostenintensiv. Daniel Vonarx zählt auf:

  • Die nötigen Vertragskonstrukte entsprächen nicht einer Standarderöffnung von Konten und seien auch nicht automatisierbar.
  • Die betroffenen Personen müssten im System speziell gekennzeichnet werden.
  • Wegen der Betreuung durch Fachspezialisten der Kesb müssten spezielle Zugriffsrechte oder Sperrungen eingerichtet werden.
  • Es gelte eine besondere Sorgfaltspflicht. Die Konten würden für die Bank auch zusätzliche Haftungsrisiken bergen.
  • Bei diesen Konten verzeichne man auch im ordentlichen Betrieb überdurchschnittlich viele Rückfragen und Bearbeitungen von Spezialfällen.
  • Die Betreuung dieser Konten verlange von den Mitarbeitenden spezifisches Fachwissen, was einen zusätzlichen internen Schulungsaufwand nach sich ziehe.

Aus Sicht von Inclusion Handicap gehört es zum Grundauftrag einer Bank, Kontos zu eröffnen und zu führen – und zwar für alle Menschen. «Von einer Institution, die im Besitze der öffentlichen Hand ist, erwarte ich das», sagt Sprecher Marc Moser.

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6 Kommentare
  • Profilfoto von W. Schmucki
    W. Schmucki, 28.12.2019, 23:14 Uhr

    Ich finde es echt eine Frechheit, 😡dass die Banken eine Gebühr bei Menschen mit Handicap erhöhen. Wo ist den da die Gleichstellung oder anders gesagt Inklusion. Das sind auch Menschen die in die Gemeinschaft aufgenommen möchten.😠 Die leben ja sonst schon im Existensminimum und können sich fast nichts leisten. Müssen den Bazen mehrmals umdrehen und fragen ob es leisten kann.😢😢
    Einfach eine Frechheit und diskriminierend. 😡😡😠😠

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  • Profilfoto von Lady Gaga
    Lady Gaga, 27.12.2019, 13:49 Uhr

    Die einzige Behinderung im Leben ist eine schlechte Einstellung! Ich hoffe, die Verantwortlichen bei der LUKB führen selber kein Konto bei Ihrer Bank, sonst bräuchten sie ab sofort einen Beistand, soviel zum Thema und gute Besserung!

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  • Profilfoto von estermap
    estermap, 27.12.2019, 11:28 Uhr

    Herr Mebinger, ist das nicht etwas zu einfach? Haben Sie von «meiner Staatsbank» verlangt sich zu wehren? Von der Bank, die Solidarität offenbar einzig durchs Tragen des Risikos mit Staatsgarantie versteht?

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  • Profilfoto von mebinger
    mebinger, 27.12.2019, 10:26 Uhr

    Den Vorwurf müssen wir nicht der LKB machen, sondern den Beamten und Politiker, die immer neue Regeln aufstellen

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  • Profilfoto von Jérôme Perret
    Jérôme Perret, 26.12.2019, 21:57 Uhr

    Ich hoffe die Luzerner Kantonalbank macht bald einen Rückzieher, freiwillig oder auf Druck der Politik. Die Haltung der Luzerner Kantonalbank ist unverständlich und stossend.

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  • Profilfoto von estermap
    estermap, 26.12.2019, 10:03 Uhr

    Das Erbsen Zählen von Vonarx ist ja peinlich. Wo bitte sind denn die grössten Verursacher von Kosten? Kann er es beziffern?
    Kennt die LUKB noch Solidarität? Bei der Staatsgarantie (der Steuerzahler haftet fürs Risiko) sicher.
    Bei der Blockierung des Umbaus der Bahnhofstrasse zu einer fahrzeugfreien Strasse mit einer Beschwerde zahlt auch nicht der Verursacher: für das Kader ist das nun mal der kürzeste Weg nachhause in Meggen.

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