Politik
Braucht Luzern ein neues Verkehrssystem?

«Vielleicht müssen wir den Begriff ‹Metro› relativieren»

Hat die Metro eine Chance verdient? Timo Ohnmacht (links) und Paul Stopper reden darüber. (Bild: jwy)

Oft totgesagt, aber immer noch populär: Die Luzerner Metro steht vor der entscheidenden Abstimmung. Über Sinn und Unsinn des visionären Projekts haben wir uns mit zwei Verkehrsexperten unterhalten.

Sie lässt politische Fronten bröckeln, sie polarisiert und ist bei vielen nachhaltig populär: Die Luzerner Metro ist wohl das ambitionierteste private Verkehrsprojekt, das Luzern je kannte. Am 9. Februar stimmt die Stadtbevölkerung darüber ab (siehe Box).

Muss man visionär denken, um die Carprobleme zu lösen? Oder ist die Metro Ausdruck von Grössenwahn? Über Sinn und Unsinn des Metro-Projekts haben wir mit zwei Experten gesprochen:

  • Paul Stopper, pensionierter Verkehrsplaner aus Uster und «Vater» der Zürcher Durchmesserlinie. Er engagiert sich im Ja-Komitee für die Metro und befasst sich seit über 30 Jahren mit Luzerner Verkehrsthemen.
  • Timo Ohnmacht, Verkehrssoziologe und Dozent am Kompetenzzentrum für Mobilität der Hochschule Luzern. Er erstellt unter anderem Verkehrsanalysen für Stadt und Kanton Luzern oder den Verkehrsverbund.

zentralplus: Paul Stopper, was treibt einen Zürcher Verkehrsplaner dazu, sich für die Luzerner Metro zu engagieren?

Paul Stopper: Ich bin eingeladen worden, weil ich Hans-Niklaus Müller, den Präsidenten des Initiativkomitees, gut kenne. Ich habe das Projekt sachlich und von extern angeschaut und fand es eine Sache, für die ich mich engagieren will.

zentralplus: Timo Ohnmacht, wie intensiv haben Sie die Argumente von Befürwortern wie Gegnern studiert?

Timo Ohnmacht: Ich schaue im Rahmen des Verkehrsmonitorings für Stadt und Kanton immer, was es für Lösungsvorschläge gibt, welche die Verkehrszahlen beeinflussen können. Aber auch als Stimmbürger bin ich am verkehrspolitischen Prozess interessiert.

«Es werden immer wieder Metrolösungen aufs politische Tapet gehoben.»

Timo Ohnmacht

zentralplus: Zu welchem Schluss kommen Sie: Ist die Metro Luzern ein sinnvolles Projekt?

Ohnmacht: Die Initiative will, dass die Metro in den Variantenfächer der Lösungen aufgenommen wird. Das finde ich als Verkehrswissenschaftler sehr interessant. Man kann entweder das Bestehende schrittweise verbessern, etwa Busspuren, S-Bahnen oder Verkehrsdosierungen. Oder man kommt mit der Killer-Applikation: einem neuen Lösungsweg.

zentralplus: Das Metro-Projekt sei grössenwahnsinnig und unrealistisch, sagen Kritiker.

Ohnmacht: Es werden immer wieder Metrolösungen aufs politische Tapet gehoben. Sie stellen eine mögliche Variante dar, um Verkehrsprobleme zu beseitigen. Ein gutes und funktionierendes Beispiel ist die Metro in Lausanne. In den 80er-Jahren wurde über eine schweizweite Swiss Metro diskutiert, für die es immer noch Befürworter gibt.

Metro: Worum geht’s?

Am 9. Februar stimmen die Stadtluzerner Stimmberechtigten über die Initiative «Die Metro Luzern verdient eine Chance» und somit über die weitere Existenz des privaten Verkehrsprojekts ab. Es geht noch nicht darum, ob eine Metro gebaut werden soll, sondern um eine Kosten-Nutzen-Nachhaltigkeitsanalyse. Als Kern schwebt den Initianten eine unterirdische Verbindung zwischen einem neuen Parkhaus im Gebiet Ibach (mit rund 170 Car- und bis zu 2500 Autoparkplätzen) und dem Schwanenplatz vor. Das Metro-Netz könnte dereinst auf weitere Gebiete ausgebaut werden. Die Kosten werden auf mehrere hundert Millionen Franken geschätzt.

Der Stadtrat und das Parlament lehnen die Initiative ab, auch die Parteien CVP, SP und Grüne sind dagegen. Ja sagen die GLP, SVP und die FDP, deren Basis gegen die eigene Fraktion stimmte.

Stopper: Dass es hirnverbrannt oder zu gross sei, sagt man von jedem Projekt, weil man es sich noch nicht vorstellen kann. Wenn man ideologisch dagegen ist, sagt man, es sei unrealistisch. Ob das Projekt nun Metro heisst oder anders, ist nicht so entscheidend. Aber es wäre ein erster Schritt für eine weitere Entwicklung. Luzern hat heute eine schwache Position: Man kann weiter Busspuren ausbauen, aber das Problem des Carverkehrs löst man so nicht. In Lausanne hat es auch mit einer Linie begonnen, die nun auf drei Äste ausgebaut wird.

zentralplus: Werden der visionäre Ansatz und das Potential in Luzern zu wenig gewürdigt?

Stopper: Vor rund 30 Jahren wurde in Luzern eine Tram-Initiative abgelehnt, seither ist im innerstädtischen ÖV nichts mehr passiert. Die Metro wäre ein neuer Mittelverteiler zwischen dem bestehenden Bahnnetz und dem Bussystem. Von aussen betrachtet, ist es schwer nachvollziehbar, dass die Luzerner Behörden die Idee nicht aufgenommen haben und von sich aus eine Auslegeordnung machen. Das Metro-Projekt wurde immer negiert, obwohl der Ansatz richtig ist.

zentralplus: Die Innenstadt von Cars entlasten, das Kantonsspital besser erschliessen, den Stadtraum aufwerten: Kann eine Metro diese Versprechen tatsächlich einlösen?

Ohnmacht: Es wird momentan viel über die sogenannten Hubs diskutiert. Der Verkehr soll am Stadtrand Halt machen und mit S-Bahnen oder anderen Shuttles in die Stadt geführt werden. Dieser Gedanke kam mir bei der Metro. Man muss ihr zugutehalten, dass sie im Gegensatz zu anderen Parkhausideen den Verkehr vor der Stadt abfängt. Andererseits liegt der Standort Ibach auf der grünen Wiese, in dieser Region ist nicht viel los.

Die Verkehrsexperten Timo Ohnmacht (links) und Paul Stopper diskutieren über die Metro-Abstimmung. (Bild: jwy)

zentralplus: Man baut in erster Linie einen Shuttle für Touristen. Liegen die Pendelströme und Engpässe nicht woanders?

Ohnmacht: Eine solche Metro ist auf einen sehr engen Takt von fünf bis zehn Minuten angelegt. Es ist schon die Frage, ob die Nachfrage am Ibach und Schwanenplatz reicht, um diese wirtschaftlich zu betreiben. Aber eine Verkehrsinfrastruktur beginnt häufig als Punkt-zu-Punkt-Verbindung. Ich sehe die Metro als ausbaufähigen Punkt-zu-Punkt-Shuttle.

Stopper: Die Initiative fordert ja darum einen Projektierungskredit und eine Analyse, um das Projekt den anderen gegenüberzustellen. Vielleicht erweist sich die Metro noch nicht als die einzige Lösung. Sie ist aber entwicklungsfähig – man muss sie genau anschauen. Das Carproblem ist da, das Kantonsspital ist schlecht angeschlossen, also ist die Metro ein erster Schritt. Aber nur, wenn sie ausbaufähig und kompatibel mit der Zentralbahn ist.

«Wenn man das als Bauingenieur nicht lösen kann, muss man sein Büro sofort schliessen.»

Paul Stopper

zentralplus: Es geht bei der Initiative auch um Kredite und Grundstücksicherungen. Es braucht einen klaren Nutzen, um Geld und Ressourcen zu investieren.

Stopper: Das Land im Ibach und der Schwanenplatz gehören ja bereits der öffentlichen Hand. Man muss einfach schauen, dass die Grundstücke nicht verkauft werden. Das sind für mich reine Scheinargumente gegen die Metro. Auch die Dimension des Parkhauses kann man diskutieren, aber der Standort gleich bei der Autobahn ist ideal. Ich wäre auch dafür, beim Sedel eine Metro-Haltestelle zu bauen, um sie ins S-Bahn-System einzubauen. Zudem soll die Metro als zweite Etappe vom Schwanenplatz zum Bahnhof verlängert werden. Dann hätte man die ideale Verflechtung auch mit dem SBB-Fernverkehr.

zentralplus: Der Durchgangsbahnhof steckt in Planung und wird für das ganze ÖV-System in Luzern ein Meilenstein sein. Verträgt es den Bau eines parallelen ÖV-Systems? Womöglich fiele der Baustart 2030 bei beiden Projekten zusammen.

Stopper: Das ist technisch überhaupt kein Problem. Die grosse Kiste ist der Durchgangsbahnhof, da kann man daneben noch ein «Bähnli» bauen. Die beiden Projekte kommen problemlos aneinander vorbei. Das hatten wir in Zürich auch, als wir zwischen 1980 und 1990 die S-Bahn für 600 Millionen bauten und gleichzeitig die Sihltalbahn an den Hauptbahnhof verlängerten. Wenn man das als Bauingenieur nicht lösen kann, muss man sein Büro sofort schliessen.

zentralplus: Aber ist es auch sinnvoll?

Ohnmacht: Technisch kann ich das nicht beurteilen, aber es geht letztlich um die Kombinationsfähigkeit der beiden Verkehrssysteme. Eine andere Option wäre, bestehende Systeme zu erweitern – etwa die Zentralbahn nach Kriens.

Wird dereinst eine Metro unter der Stadt die Verkehrsprobleme lösen? (Bild: Visualisierung/zvg)

zentralplus: Ist Luzern nicht schlicht zu klein für ein Metro-System neben Bussen und S-Bahn?

Stopper: Vielleicht müssen wir den Begriff «Metro» relativieren. Dieser weckt bei vielen Grossstadtgefühle à la Paris oder New York. Letztlich ist es einfach eine neue Bahnverbindung. Auch die Metro in Lausanne ist eigentlich eine Vorortsbahn und in Lugano wird die Pontre-Tresa-Bahn mit einem Tunnel ins Stadtzentrum verlängert. Das liegt auch für Luzern alleweil drin. Aus Bundesbern gibt es Agglomerationsgelder, aber die Region muss klar sagen, was sie will. Wenn man den Bypass bauen kann, bringt man auch die Metro hin.

Ohnmacht: Es braucht bessere Grundlagen für einen Entscheid. Auch bezüglich möglicher Fahrgefässe: Ist es eher ein Shuttle wie am Flughafen Zürich? Eher eine U-Bahn wie in Berlin? Oder sogar eine S-Bahn wie die Zentralbahn? Die Dimension müsste man noch bestimmen. Interessant fände ich aus verkehrsplanerischer Sicht, nicht nur den Schwanen-, sondern auch den Löwenplatz einzubinden. Auch dort kommt es aufgrund der Touristenströme zu vielen Engpässen.

«Man könnte die Metro als touristische Attraktion inszenieren.»

Timo Ohnmacht

zentralplus: Luzern hat ein Problem mit Cars im Zentrum. Gäbe es nicht einfachere Lösungen als die Metro?

Ohnmacht: Eine Lösung, die diskutiert wird, ist ein Parkplatz über den Gleisen wie in Chur – quasi ein Stockwerk über dem Bahnhof für Cars. Aber auch das wäre eine Notlösung, weil wir immer noch die Gefahrensituation mit den Cars auf der Seebrücke und dem Veloverkehr hätten. Viele Carchauffeure haben keine Erfahrung mit dem Mischverkehr in der Schweiz. Es müssen Lösungen her, um die Cars aus dem Stadtverkehr herauszunehmen.

Direkt am Schwanenplatz wäre der Ausgang der Metro, so die Idee. (Bild: Visualisierung/zvg)

zentralplus: Ein Carparkplatz auf der Allmend wäre schneller realisierbar.

Ohnmacht: Die Frage ist dort, wie man Touristenströme mit ihrem engen Zeitplan navigieren kann. Auf der Allmend könnte es zudem zu Problemen mit dem Eventverkehr bei Fussballspielen oder Veranstaltungen der Messe kommen. Auch das Fahrerlebnis spielt mit: Ähnlich wie am Flughafen Zürich könnte man die Metro als touristische Attraktion inszenieren.

zentralplus: Ist Luzern kleingeistig, wenn man jetzt schon vor Milliardenkosten und dem Risiko von Betriebskosten warnt?

Stopper: Man kennt heute die Bau- und Betriebskosten noch nicht detailliert. Wenn man aber schon von Anfang an sagt, dass es zu viel kostet, finde ich das äusserst engstirnig und wenig zukunftsgerichtet. Geld war bei meinen Projekten nie das Problem, sondern die fehlenden Ideen und Projekte. Man muss die Gegner zu überzeugen versuchen.

zentralplus: Zürich ist nicht Luzern, überschätzen Sie die Bedeutung von Luzern?

Stopper: Es kommt drauf an, wie stolz man auf die eigene Stadt ist. Touristisch ist Luzern so wertvoll, dass man das hinkriegt. Man muss einen Ansporn haben, sonst wird es natürlich schwierig. Mit Busspuren allein lockt man keine Leute vom Hocker. Ein Schienenverkehrsmittel ist immer attraktiver.

zentralplus: Die Bevölkerung hat von den Auswirkungen des Tourismus genug, es braucht jetzt innovative Lösungen. Hilft das der Metro?

Ohnmacht: Unser Institut führt aktuell die Befragung im Auftrag der Stadt Luzern zur Wahrnehmung des Tourismus durch (zentralplus berichtete). Ein Grund für die Ressentiments sind vermutlich auch die engen Platzverhältnisse in der Stadt. Touristen treten häufig in Gruppen auf, fahren in Cars in die Stadt und okkupieren den Raum. Wenn die Cars aus dem Stadtbild verschwinden und aus den Parkflächen Grünflächen werden, könnte das zu einer Entspannung führen. Es ist nun zu prüfen, ob die Metro ein Lösungsweg wäre. Der gesellschaftliche Diskurs findet statt. Was noch fehlt, ist eine Versachlichung in Form von Zahlen, Fakten und Studien.

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