Zuger Entlastungsprogramm 2015–2018

Verbände fühlen sich nicht ernst genommen

Beispiel für die Kürzung der Ergänzungsleistung. (Bild: IG NPO)

Es wird gespart im Kanton Zug. Beim zweiten Sparpaket schlagen die Verbände nun Alarm: Es würden fatale Folgen drohen. Gewisse Bevölkerungsschichten würden die doppelte Ohrfeige kassieren. Das gehe gegen die Opfersymmetrie, klagen die Betroffenen.

Die Zuger Regierung will bis 2018 jährlich 111 Millionen Franken sparen. Die Vorschläge, wie das zu schaffen ist, sind vielfältig. Da sollen beispielsweise mit der Reduktion von Betriebs- und Verbrauchsmaterial in der Verwaltung jährlich 378’850 Franken gespart werden. Es wird aber auch im Hochbau, im Tiefbau, beim ÖV, bei sozialen Institutionen oder beim Umweltschutz gespart. Verschiedene Verbände und Vereine geraten durch die zum Teil massiven Sparmassnahmen stark unter Druck und schlagen Alarm.

Sparen ist legitim

Antonio Gallegos ist Vorsitzender der Geschäftsleitung der Institution zuwebe (Arbeit und Wohnen für Menschen mit Behinderung), und er findet es legitim, dass der Kanton Sparpakete schnürt. «Wenn der Kanton sparen muss, dann wollen wir auch mitmachen. Und wir verstehen, dass Geld zuerst da sein muss, bevor man es ausgibt.»

«Bei unserer Branche werden ungefähr zehn Prozent gespart.»
Antonio Gallego, Vorsitzender der Geschäftsleitung der zuwebe

Dennoch ist Gallego nicht ganz damit einverstanden, wie die Regierung sparen will. «Bei unserer Branche werden ungefähr zehn Prozent eingespart.» Das wirke sich insbesondere auf das Personal aus, das durch Mehrarbeit und die Streichung gewisser Leistungen wie beispielsweise Gratisparkplätze helfe, rund eine Million Franken zu sparen. «Das sind starke Einschränkungen für die Arbeitnehmer, und sie tragen nicht zur Steigerung der Zufriedenheit bei», erklärt Gallego.

Antonio Gallego, Vorsitzender Geschäftsleitung zuwebe

Antonio Gallego, Vorsitzender Geschäftsleitung zuwebe

(Bild: zuwebe)

Kanton schaut zu wenig genau

Ob denn der Kanton damit am falschen Ort spare? «Man könnte durchaus genauer hinschauen beim Kanton. Beispielsweise könnten Doppelspurigkeiten bei den verschiedenen Einrichtungen korrigiert werden», sagt Gallego.

Er fügt als Beispiel an, dass heute ein Schreiner vier Telefone von vier verschiedenen sozialen Einrichtungen bekomme, ob er deren Klienten für eine Ausbildung, ein Praktikum oder eine Arbeitsstelle aufnehmen würde.

Solche Anfragen könnten besser gesteuert und konzentriert werden: «Bedarfserhebung und Angebotsplanung ist Aufgabe des Kantons. Meiner Meinung nach müssen die Departemente und die Regierung bei der Steuerung der Angebote mehr Verantwortung übernehmen.»

Bodenpreise und Kaufkraft in Zug aussen vor

Ausserdem basieren die Berechnungen für das Entlastungsprogramm und im Speziellen für die Ausgaben für Ergänzungsleistungen auf dem Benchmark des BAK-Berichts. Bei diesen Berechnungen sei aber vernachlässigt worden, dass zum Beispiel die Kaufkraft und die Bodenpreise im Kanton Zug nicht mit denen von anderen Kantonen zu vergleichen seien, erklärt Gallego.

«Der Kanton vergisst bei der Berechnung der Ergänzungsleistungen, dass beispielsweise Mieten und Bodenpreise im Kanton Zug viel höher sind. Deshalb müssen die Menschen mehr für Wohnen und soziale Einrichtungen und mehr für ihre Räumlichkeiten ausgeben», so Antonio Gallego. 

Schliessungen drohen

Und er geht noch weiter: «Wir sind daran, die Sparmassnahmen eins zu eins umzusetzen. Kommt nochmals ein vergleichbares Paket, müssen wir die Angebote überprüfen und gegebenenfalls auch einzelne davon schliessen. Für die Menschen, die in diesen Angeboten arbeiten und wohnen, wäre das fatal», so Gallego.

«Es geht einfach nicht, dass dort gespart wird, wo sonst schon wenig ist.»
Antonio Gallego

Stark umstritten innerhalb des Entlastungsprogramms sind insbesondere die Kürzungen der Ergänzungsleistungen (siehe Tabelle am Textende). «Es geht einfach nicht, dass dort gespart wird, wo sonst schon wenig ist», so zuwebe-Geschäftsleiter Antonio Gallego. «Wir müssen uns fragen, ob wir ein ‹Paradies› für bestimmte Bevölkerungsschichten sein wollen und auf dem Buckel der Schwächsten sparen.»

Armutszeugnis für den Kanton

Das findet auch Gabriele Plüss, Geschäftsleiterin der Pro Senectute Zug: «Dass bei der Pro Senectute die ganze Subvention für die Sozialberatung gestrichen wurde, ist das eine. Dass aber auch bei den ärmsten Menschen die Ergänzungsleistungen gekürzt werden, ist ein Armutszeugnis für einen reichen Kanton wie Zug», findet sie.

Sie als FDP-Mitglied sei keine Sozialistin, aber dass bei denjenigen, die sowieso schon benachteiligt seien, nochmals der Rotstift angesetzt werde, sei unfair. Im Kanton Zug beziehen über 2000 ältere Menschen Ergänzungsleistungen.

«Es ist eine doppelte Ohrfeige für die Betroffenen.»
Gabriele Plüss, Geschäftsleiterin Pro Senectute Zug

Sie würden unter diesen Kürzungen am meisten leiden, sagt Plüss. «Da werden Beiträge gekürzt und gleichzeitig fallen AHV-Rabatte bei den ZVB weg.» Es sei eine doppelte Ohrfeige für die Betroffenen: «Konkret kann das bedeuten, dass jemand nicht mehr mobil ist.»

Verbände fühlen sich nicht ernst genommen

Plüss ist auch Präsidentin der Interessengemeinschaft Non-Profit-Organisation Soziales im Kanton Zug. In dieser Funktion hat sie zusammen mit den andern Mitgliedern schon vor Jahren versucht, mit der Regierung und der Verwaltung in Kontakt zu kommen, um die Zusammenarbeit zu verbessern.

«Ich fühle mich nicht ernst genommen mit den Anliegen unserer Branche.»
Gabriele Plüss

Gabriele Plüss, Geschäftsleiterin Pro Senectute

Gabriele Plüss, Geschäftsleiterin Pro Senectute

(Bild: Pro Senectute)

«Wir haben verschiedene konstruktive Vorschläge gemacht, wie man Einsparungen für beide Seiten vornehmen könnte.» Leider seien die Bemühungen im Sand verlaufen und passiert sei nichts. «Ich fühle mich nicht ernst genommen mit den Anliegen unserer Branche», so Plüss. «Wir müssen heute übertriebene Anforderungen erfüllen, alles basiert auf Kontrolle und nicht auf Vertrauen.» Der Kanton nutze dabei seine Machtposition aus und lasse sich nicht auf die Diskussion ein.

Sparvorhaben gegen die Opfersymmetrie

Dabei gäbe es ihrer Meinung nach andere Ansätze, wie gespart werden könnte: «Der Kanton Zug ist der reichste Kanton und hat eine der teuersten Verwaltungen der ganzen Schweiz.» Jetzt komme man und kürze bei den Alten oder Behinderten, bei sich selbst aber viel weniger, so Plüss. «Es kann doch nicht sein, dass bei ausgelagerten Institutionen gekürzt wird und innerhalb des Verwaltungsapparates fast nichts passiert. Das geht gegen die Opfersymmetrie», empört sich Plüss.

Bei der Beförderung wird gespart

Ein wenig anders sieht dies der Zuger Staatspersonalverband. Denn auch bei seinen Angestellten spart der Kanton. Für die Beförderungen der eigenen Angestellten steht dem Kanton eine Beförderungssumme zur Verfügung. Nun will der Kanton diese halbieren.

«Im Sinne der Opfersymmetrie ist uns bewusst, dass das Staatspersonal bei den Sparmassnahmen einen Beitrag leisten soll.»
Joseph Schuler, Präsident des Zuger Staatspersonalverbandes

Das stösst bei Joseph Schuler, Präsident des Zuger Staatspersonalverbandes (SPV), auf ein gewisses Verständnis. «Im Sinne der Opfersymmetrie ist uns bewusst, dass das Staatspersonal bei den Sparmassnahmen ‹einen Beitrag leisten› soll. An der Beförderungssumme kann kurzfristig gespart werden.»

Ist nur noch die Hälfte des Geldes verfügbar, könnte nur noch jeder Zweite befördert werden. Um dem entgegenzuwirken und dennoch alle befördern zu können, schlägt der Regierungsrat dem Kantonsrat vor, dass es mehr Lohnstufen innerhalb einer Lohnklasse geben soll. Neu fallen die Beförderungen kleiner aus, dafür sind sie weiterhin für alle, die die Bedingungen erfüllen, möglich. Um das Lohnmaximum der Lohnklasse zu erreichen, muss man neu 19 Lohnstufen durchlaufen, braucht im besten Fall also 19 Jahre und nicht mehr zehn.

Fünf Prozent weniger Lohn

Das hört sich plausibel an. «Rechnet man das aber aus, führt diese Massnahme langfristig zu einer Abflachung der Lohnsumme von ungefähr fünf Prozent», erklärt Schuler. Oder anders gesagt: Die Kantonsangestellten verdienen auf die Dauer fünf Prozent weniger. «Das hat Auswirkungen auf die Beiträge in der Pensionskasse, die finanzielle Zukunft der Angestellten», so Schuler.

«Wir gehen davon aus, dass wieder bessere Zeiten kommen.»
Joseph Schuler

Joseph Schuler, Präsident Zuger Staatspersonalverband

Joseph Schuler, Präsident SPV

(Bild: SPV)

Die Ausweitung auf 19 Lohnstufen lehnt Joseph Schuler vom SPV denn auch ab: «Das sind langfristig zu harte und auch unnötige Massnahmen. Die Anstellungsbedingungen des Staatspersonals werden grundlos verschlechtert.» So wäre das allgemeine Lohnniveau auch in wirtschaftlich besseren Zeiten tiefer als noch 1994, fügt Schuler an.

«Wir gehen davon aus, dass wieder bessere Zeiten kommen. Das System hingegen wird nach Vorschlag des Regierungsrates pessimistisch nach unten korrigiert.» Im Vernehmlassungsverfahren habe der SPV mehrfach auf die unerwünschten Auswirkungen hingewiesen und diese abgelehnt. Gehört wurde das aber nicht, so Schuler.

Zuger Lehrer kritisieren Halbierung der Lohnstufen

Diesem Grundtenor schliesst sich auch Simon Saxer, Vizepräsident des Lehrervereins des Kantons Zug (LVZ) an: «Wir kritisieren in erster Linie die Halbierung der Lohnstufen. Diese Massnahme verlangsamt die Lohnentwicklung während der nächsten 25 Jahre und wirkt sich auch dann noch negativ aus, wenn der Finanzhaushalt des Kantons längst wieder im Lot sein wird.»

«Die Streichung des Kantonsbeitrags an die Beratungsstelle für Lehrpersonen und Schulleitende ist aus unserer Sicht ein grosser Fehler.»
Simon Saxer, Vizepräsident des Zuger Lehrervereins

Die Regierung wolle ausserdem, dass der Kanton zur Sanierung der Finanzen ganz auf Lohnerhöhungen verzichten könne, so Saxer. Der LVZ befürchte, dass damit das Personal den Preis für den Steuerwettbewerb zahle und öffentliche Angestellte weiter an Kaufkraft verlieren würden.

Simon Saxer, Vize-Präsident des Lehrervereins des Kantons Zug (LVZ)

Simon Saxer, Vize-Präsident des Lehrervereins des Kantons Zug (LVZ)

(Bild: LVZ)

«Am Beispiel vom Kanton Luzern, wo zum wiederholten Mal eine Nullrunde mit dem Finanzhaushalt begründet wird, sieht man, wohin die alljährliche Anbindung der Lohnentwicklung an den Finanzhaushalt des Kantons führt», erklärt Saxer.

Mehreinnahmen werden gefordert

«Ferner kritisieren wir die geplante Kürzung der Altersentlastung. Die Streichung des Kantonsbeitrags an die Beratungsstelle für Lehrpersonen und Schulleitende ist aus unserer Sicht ein grosser Fehler.» Gemäss des LVZ leiste die Beratungsstelle unter anderem einen wichtigen Beitrag im Bereich der Burn-out-Prävention. «Die Folgekosten von Burn-outs übersteigen den aktuellen Kantonsbeitrag von 80’000 Franken bald einmal», so Saxer.

Der LVZ habe diverse Alternativen vorgeschlagen und habe diese im Vernehmlassungsverfahren auch eingebracht, sagt Saxer. Dazu würden unter anderem der Verzicht auf Reka-Schecks, das einmalige Aussetzen von Beförderungen, die Erhöhung der Klassengrössen um einen Schüler und eine moderate Kürzung der Beiträge an Privatschulen gehören.

«Es ist fast unmöglich, den Kurs der Regierung zu beeinflussen.»
Simon Saxer

«Zu den Alternativen gehören aber nicht nur Sparmassnahmen und Abbaumassnahmen, sondern aus Sicht des LVZ auch Mehreinnahmen», sagt Saxer. Der Kanton Zug habe ein strukturelles Defizit zu verzeichnen, welches unmöglich mit Einsparungen im Bereich der Bildung und des Personals ausgeglichen werden könne, so Saxer. Für eine ausgeglichene Rechnung seien Mehreinnahmen unumgänglich.

Sparziel als oberste Maxime

«Die Regierung hat den LVZ frühzeitig und umfassend über die geplanten Massnahmen informiert.» Dennoch sei es fast unmöglich, den Kurs zu beeinflussen, beklagt sich Saxer. «Das zeigt sich daran, dass die Vorschläge der Regierung im Bereich des Personals von Beginn weg praktisch unverändert geblieben sind.» Und er kritisiert, dass das Sparziel der Regierung letztlich höher gewichtet worden sei als die Anliegen der Personalverbände.

Weiteres Vorgehen

Das erste Paket konnte vom Zuger Regierungsrat in eigener Kompetenz umgesetzt werden und führte zu einer Entlastung von rund 57 Millionen Franken. Nach der abgeschlossenen Vernehmlassungsphase findet im Kantonsrat am Donnerstag die erste Lesung des zweiten Sparpakets statt. Es werden über Sparmassnahmen im Umfang von rund 42 Millionen Franken verhandelt. Obwohl im Allgemeinen viel Verständnis dafür da ist, dass gespart werden muss, scheint bereits im Vorfeld klar, dass die verschiedenen Verbände über einzelne Massnahmen nicht glücklich sind.

Beispiel für die Kürzung der Ergänzungsleistung

Beispiel für die Kürzung der Ergänzungsleistung.

Beispiel für die Kürzung der Ergänzungsleistung.

(Bild: IG NPO)

Das Entlastungspaket 2015–2018 und seine Folgen interessieren Sie? Am Donnerstag berichten wir aus der Kantonsratssitzung über die erste Lesung des zweiten Pakets.

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