Uneinigkeit trotz Abstimmungserfolg

Velostation: Keine Lösung in Sicht

Velos, so weit das Auge reicht. Nach dem Nein zur Velostation ist der Politik unklar, wo die vielen Velos künftig unterkommen sollen. (Bild: dor)

Luzern erhält vorerst keine neue Velostation in Bahnhofsnähe. Das Nein der Stimmbevölkerung spaltet die bürgerlichen Parteien. Auch darüber, wie es nun weitergehen soll, herrscht Uneinigkeit.

Der Stadtrat sowie eine grosse Mehrheit des Parlaments standen hinter der geplanten Velostation an der Bahnhofstrasse. Nur nützte der politische Rückhalt letztlich nichts. Die Luzerner Stimmbevölkerung versenkte das Projekt, das knapp 20 Millionen Franken gekostet hätte (zentralplus berichtete).

Am Tag nach der Abstimmung beschäftigt vor allem eine Frage: Wie geht es nun weiter? Der Stadtrat hat vorgerechnet, dass es im Vergleich zur heutigen Situation bis 2035 mehr als doppelt so viele Veloparkplätze in Bahnhofsnähe braucht. In der neuen Velostation hätten 1'200 Velos Unterschlupf gefunden.

Immerhin eine Teil-Lösung also, für das drohende Velochaos rund um den Bahnhof. Nach dem Nein stellt sich der Politik darum umso mehr die Frage: Wohin mit den rund 7'000 Velos, die 2035 am Bahnhof stehen werden?

Friede, Freude, Eierkuchen im bürgerlichen Lager?

Der Stadtrat und das überparteiliche Ja-Komitee für die Velostation schielen bei dieser Frage nach rechts – in Richtung SVP und FDP. Beide Parteien haben im Vorfeld der Abstimmung die Nein-Parole gefasst. Für sie waren die Projektkosten viel zu hoch. Und auch die Luzerner Mitte zeigte sich nach Bekanntgabe des Resultats überraschend positiv. Die Partei hatte sich zwar für die Velostation ausgesprochen, schien über das Endergebnis aber nicht unglücklich. So sprach die Mitte in einer Mitteilung von einem «nachvollziehbaren» Entscheid.

Diese Beobachtungen vermitteln den Eindruck eines geschlossenen bürgerlichen Lagers im Hinblick auf die Velosituation am Bahnhof. Doch die Harmonie trügt. Die SVP, die FDP und die Mitte sind sich weder über das Grundproblem einig noch über die Frage, wie es nun weitergehen soll.

Bedarf ist umstritten

So hinterfragt SVP-Präsident Dieter Haller grundsätzlich den Bedarf einer Velostation in Bahnhofsnähe. Er verweist auf die tiefe Auslastung der Velostation bei der Universität. «Dass wir in Luzern ein Veloproblem haben und es darum eine neue Velostation braucht, ist geflunkert», findet Haller.

Ganz anders sieht es Mitte-Präsidentin Karin Stadelmann. Sie sagt auf Anfrage: «Es braucht eine Lösung für die Velo-Abstellplätze am Bahnhof. Unbestritten.» Und Parteikollege und Grossstadtrat Roger Sonderegger legt noch einen obendrauf: «Niemand kann ernsthaft behaupten, dass es am Bahnhof Luzern in Zukunft kein Veloproblem gibt» und verweist dabei auf die vom Stadtrat kommunizierte Entwicklung des Bedarfs.

«Wir sind optimistisch, dass sich jetzt womöglich ein Weg öffnet für günstigere Alternativen.»

Karin Stadelmann, Parteipräsidentin Die Mitte Stadt Luzern

Parteipräsidentin Stadelmann findet den Entscheid der Stimmbevölkerung wegen der hohen Kosten des Projekts aber dennoch nachvollziehbar. Sie ist darum zuversichtlich, dass sich nun eine billigere Variante realisieren lässt: «Wir sind optimistisch, dass sich jetzt womöglich ein Weg öffnet für günstigere Alternativen.»

Welche Alternativen gibt es?

Doch genau diese Frage nach den Alternativen ist der springende Punkt in der ganzen Diskussion, wie es nach dem Nein der Bevölkerung nun weitergehen soll. Der zuständige Stadtrat Adrian Borgula hat bereits betont, dass es keinen Plan B zur abgelehnten Velostation gibt. Diese war im Stadthaus also sozusagen alternativlos.

«Die Velostation war eine historische Chance, die nun vom Tisch ist. Ich sehe keine Variante, die ähnlich gut ist.»

Roger Sonderegger, Grossstadtrat Die Mitte

Diese Haltung erscheint fragwürdig, zumal sich das Bahnhof-Areal mit dem Bau des Durchgangsbahnhofs sowieso stark verändern wird. Würde es nicht auf der Hand liegen, im Rahmen dieses riesigen Bauprojekts eine neue Lösung für die Velo-Abstellplätze zu projektieren?

Nicht, wenn es nach Grossstradtrat Roger Sonderergger geht. Er sieht die Angelegenheit gleich wie der Stadtrat: «Die Velostation an der Reuss war eine historische Chance, die nun vom Tisch ist. Ich sehe aktuell keine Variante, die ähnlich gut ist.» Sonderegger ist offensichtlich weniger optimistisch im Hinblick auf mögliche Alternativen als Parteikollegin Stadelmann.

Stadtrat und FDP in der Kritik

Für das Scheitern der Vorlage macht er sowohl den Stadtrat als auch die FDP verantwortlich. Den Stadtrat kritisiert er, weil dieser die Alternativlosigkeit der Velostation nicht deutlich genug kommuniziert hat. «Ich glaube, die Stimmbevölkerung war sich nicht wirklich bewusst, was sie angerichtet hat.» Und macht gleichzeitig die FDP mitverantwortlich, die im Vorfeld zur Abstimmung von günstigeren Alternativen sprach, ohne welche zu nennen.

Damit ist er nicht alleine. Auch Stadtrat Adrian Borgula hat noch am Abstimmungssonntag gesagt, er sei gespannt auf die Vorschläge der Velostation-Gegner. Und die Befürworter nahmen explizit die FDP in die Pflicht, rasch neue Alternativen zu präsentieren.

FDP setzt auf Durchgangsbahnhof

Doch der aufgesetzte Druck ist vergebens, wie eine Nachfrage bei der FDP Luzern zeigt. Konkrete Vorschläge gibt es dort nicht zu hören: «Ein Tag nach der Abstimmung ein neues Projekt vorzustellen, wäre nicht seriös. Wir haben viele Ideen und werden diese im weiteren Prozess einbringen», sagt Co-Parteipräsident Lucas Zurkirchen. Wie diese Ideen aussehen? Völlig offen.

Die Partei habe mit der Nein-Parole primär darauf aufmerksam gemacht, dass die Velostation an der Reuss nicht ausgereift war und darum das Kosten-Nutzen-Verhältnis nicht stimmte.

«Mit dem Durchgangsbahnhof steht das Gebiet rund um den Bahnhof vor einer grossen Veränderung. In diesem Rahmen muss der Stadtrat gemeinsam mit den SBB ein neues Projekt aufgleisen.»

Lucas Zurkirchen, Co-Präsident FDP Stadt Luzern

Zurkirchen betont wie Mitte-Präsidentin Stadelmann, dass für den Stadtrat der Weg nun geebnet sei, um nochmals nach besseren Lösungen zu suchen. Die angebliche Alternativlosigkeit zur Velostation hinterfragt er mit Verweis auf die grossen Umwälzungen, die dem Luzerner Zentrum mit dem Bau des Durchgangsbahnhofs sowieso bevorstehen.

«Mit dem Durchgangsbahnhof steht das Gebiet rund um den Bahnhof vor einer grossen Veränderung. In diesem Rahmen muss der Stadtrat gemeinsam mit den SBB ein neues Projekt aufgleisen.» Der Bau einer neuen Velostation würde sich dadurch aber um Jahre verzögern. Doch Zurkirchen sieht darin kein Problem: «Längerfristig braucht es eine Lösung. Doch aktuell gibt es noch genügend unbenutzte Velo-Parkplätze in Bahnhofsnähe, zum Beispiel im Veloparking bei der Uni.»

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10 Kommentare
  • Profilfoto von Adaff
    Adaff, 15.02.2022, 13:42 Uhr

    «Längerfristig braucht es eine Lösung. Doch aktuell gibt es noch genügend unbenutzte Velo-Parkplätze in Bahnhofsnähe, zum Beispiel im Veloparking bei der Uni.»

    Das Veloparking bei der Uni ist am falschen Ort, darum wird es, ausser von Studis, kaum benutzt.

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  • Profilfoto von Adaff
    Adaff, 15.02.2022, 13:33 Uhr

    Jetzt soll mir doch bitte einmal einer im Detail erklären, warum eine Lösung nicht im Zusammenhang mit dem neuen Durchgangsbahnhof erarbeitet werden können sollte! Also das ist doch hirnrissig, das jetzt nicht zusammen zu planen. Dieses Nein zum 19-Millionen-Projekt ist nicht einen schlechte Sache, aber nun muss man sich Gedanken machen, wie man eine vertretbare und finanziell sinnvolle Lösung in den Bau des Durchgangsbahnhofs integrieren kann.

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    Andreas Bründler, 15.02.2022, 08:47 Uhr

    Dieses Projekt war völlig überrissen. Das kommt davon, wenn gewisse politische Kreise eine solche Vormachtstellung in der Stadt haben. Da geht der gesunde Menschenverstand und der Blick für das Nötige und Mögliche verloren. Sehr schade. Der Grund an der Bahnhofstrasse ist sehr schwierig zu bebauen. Das weiss man doch schon seit Jahrhunderten. Dass es ein grosses und praktisches Veloparking beim Bahnhof braucht bestreitet niemand. Die Frage ist wo. Kann man nicht in der Nähe Zentralstrasse etwas machen? Wieso nicht ein Veloparking ÜBER den Geleisen entlang der Zentralstrasse?

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    Kritischer Blick, 15.02.2022, 08:07 Uhr

    Die Idee von Markus K. ist sehr prüfenswert. Beim Bahnhofsparking könnte im 1. UG Platz für Fahrräder geschaffen werden, falls nötig auch erschlossen durch eine eigene Rampe. Der Zugang zum Bahnhof erfolgt dann wie die Autoparkiere via Bahnhof-Shopping. Diese Idee kann aber auch bei anderen Parkhäusern in der Stadt Luzern geprüft werden.

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    Markus K, 15.02.2022, 02:37 Uhr

    Jedes Parkhaus soll 10% seiner Fläche Velos zur Verfügung stellen!
    Beim Bahnhof erst recht.
    Das sollte eigtl. Selbstverständlich sein.
    Diese kann mit Stromladestationen noch zusätzliche einnahmen machen.

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    Draht Esel, 14.02.2022, 22:52 Uhr

    Füllt mal erst die bestehende Velostation, bevor Ihr nach einer Neuen schreit. Amen!

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    Philipp, 14.02.2022, 21:15 Uhr

    Wenn die VBL neue Busse kauft, oder die SBB neue Züge beschafft werden die Tickets teuerer. Wenn ich mein Auto ins Parkhaus stelle, zahle ich dafür. Aber eine Radstation soll gratis sein resp. durch die Allgemeinheit finanziert werden? Solange die Lösung nicht verursachergerecht finanziert wird, werde ich immer dagegen stimmen. Also, plant eine vernünftige Lösung und schaut dass die Radfahrer mit Gebühren diese selber finanzieren können.
    Das Scheitern an der Urne hat mit der typischen grün linken Einstellung der Regierung zu tun. Alles haben wollen, aber selber nix dafür bezahlen.

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      Samuel Kneubuehler, 15.02.2022, 06:47 Uhr

      Die Hälfter der Parkplätze wäre kostenpflichtig gewesen.

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        Werner Rindlisbacher, 15.02.2022, 13:30 Uhr

        Und niemand hätte Sie benutzt. Das sagt die Erfahrung.

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    Hegard, 14.02.2022, 20:36 Uhr

    Das die grünen sich auf die eigenen Füsse stehen ist nichts neues.
    Aber das man die
    Drehscheibe im neuen Bahnhof realisieren könnte,hat der ganze Stadtrat verschlafen,was auch nicht neu ist.
    Jetzt müssen die luzerner zum Seetalplatz fahren,wenn sie zB einen Pass brauchen usw,das nur den Verkehr in ein anderes Verkehrschaos steuert und noch weiter weg ist.
    Auch Schulen ,Gericht,Verwaltung und sogleich jeglichen Verkehr aus verschiedenen Richtungen hätte man realisieren können.
    Die Gemeinde Verwaltung beim Bahnhof mit jeglichen Verkehrs
    Benützung wäre zukunft

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