Komitees eröffnen Abstimmungskampf

Vatikan-Kaserne: Gegner wollen «Mist» versenken

Soll sich der Kanton Luzern am Bau einer neuen Kaserne für die Päpstliche Schweizergarde im Vatikan beteiligen? Darüber stimmt die Bevölkerung am 25. September ab. (Bild: Rahul Chowdhury/Unsplash)

Die Schweizergarde im Vatikan braucht eine neue Kaserne. Dafür sollen auch Luzerner Gelder nach Rom fliessen. Mit harschen Worten lancieren Befürworter wie Gegnerinnen den Abstimmungskampf.

Patrick Dubachs Krawatte sitzt eng. Wie auch sein dunkler Anzug. Die Frisur modern, Seiten kurz, Schopf lang. Seine Stimme klingt ruhig, fast ernst. Wer ihn sprechen hört, vermutet eine militärische oder eine polizeiliche Ausbildung und liegt damit nicht falsch: Dubach ist seit diesem Jahr Schweizergardist.

Heute sitzt Dubach nicht in Rom, sondern im Staatsarchiv Luzern. Der junge Ufhusener ist angereist, um den Abstimmungskampf für die neue Kaserne der Schweizergardisten im Vatikan zu eröffnen (zentralplus berichtete). Vertreter von SVP, FDP und der Mitte flankieren ihn zu beiden Seiten.

Dass etwas mit der in die Jahre gekommenen Kaserne der Schweizergarde geschehen muss, ist für Patrick Dubach klar. «Sie ist unser Lebensmittelpunkt. Hier spannen wir aus, hier wohnen und leben wir mit unseren Familien und hier schauen wir am nächsten Wochenende das Eidgenössische Schwingfest», sagt er.

Schimmel, schlecht isoliert, fehlender Platz, marode Sanitäranlagen: Die Schweizergardisten seien sich ein einfaches Leben gewohnt, betont Dubach vor den Medien. «Aber selbst wir müssen sagen: Die Kaserne entspricht nicht mehr den heutigen Anforderungen.» Projizierte Bilder der spartanisch eingerichteten Unterkünfte untermalen seine Worte.

Ein «Solidaritätsfranken» für Schweizer Werte

Für das Pro-Komitee hat der umstrittene Luzerner Beitrag an die Kaserne – 1 Franken pro Einwohner – nur am Rand mit der katholischen Kirche zu tun. Vielmehr geht es um Tradition, um Schweizer Werte und Tugenden, welche die Gardisten verkörpern. Um Reputation, Glaubwürdigkeit und Solidarität.

«Wer den Solidaritätsfranken ablehnt, lehnt auch urschweizerische Werte ab.»

Angela Lüthold, Kantonsrätin und Präsidentin der SVP Kanton Luzern

«Die Schweizergarde steht für Kompetenzen, für die die Schweiz weltweit bewundert wird», meint etwa Kantonsrat Ferdinand Zehnder (Mitte). Keine Frage, sondern eine Selbstverständlichkeit ist es für FDP-Nationalrat Peter Schilliger, dass Luzern «seine» Gardisten solidarisch unterstützt. Und SVP-Kantonalpräsidentin Angela Lüthold hält fest: «Wer den Solidaritätsfranken ablehnt, lehnt auch urschweizerische Werte ab.»

Das Argument der Gegner, die 400'000 Franken seien anderweitig besser investiert, liess Armin Hartmann nicht gelten: «Ausgaben kann man nicht gegeneinander ausspielen. Jeder kennt einen Budgetposten, der ihm nicht gefällt», so der SVP-Kantonsrat. Zudem beteiligten sich neben den Kantonen auch Bund und Vatikan gleichermassen an der neuen Kaserne. «Eine faire und ausgewogene Finanzierung», findet Schilliger.

«Wer reich ist und bettelt, verhöhnt uns» 

90 Minuten später, 250 Meter Luftlinie entfernt: Im Säli des «Wilden Manns» bereitet sich das Nein-Komitee auf die anstehende Medienkonferenz vor. Die Stimmung ist gelöst. Für Gesprächsstoff sorgen Kirchenaustritt, Kantonsrats-Gottesdienst und das Ministrieren. Weshalb hat das Komitee mit dem «Wilden Mann» ausgerechnet den Hort der Luzerner Liberalen für den Start seiner Kampagne ausgesucht?

Der Freisinnige Joachim Cerny, Präsident der FDP Sursee, klärt auf: «Liberale sind gegenüber dem überbordenden Paternalismus des Staats misstrauisch.» Das schliesse aus, dass der Kanton Geld nach Rom schicke. «Offenbar hat eine romantische Anwandlung dazu geführt, dass diese Haltung bei einigen Liberalen ins Wanken geraten ist.»

«Wer Spekulationsgeschäfte derart wegstecken kann, kann eine Kaserne bestimmt auch selbst finanzieren.»

David Roth, Kantonsrat und Präsident der SP Kanton Luzern

Weniger kategorisch, dafür umso nachdrücklicher argumentierte das restliche Komitee. Steuergelder würden verschleudert und der Kirchenstaat subventioniert, war etwa zu hören. «Wer steinreich ist und trotzdem auf Betteltour geht, verhöhnt uns. In Luzern stehen viel dringendere Investitionen an. Jetzt haben wir die Möglichkeit, diesen Mist zu versenken», sagt Lisa Arnold, Geschäftsführerin der Freidenker-Vereinigung Schweiz.

Die Spende wirke angesichts des kürzlichen Immobilienskandals des Vatikans grotesk, stimmt SP-Kantonsrat David Roth ein. «Wer Spekulationsgeschäfte derart wegstecken kann, kann eine Kaserne bestimmt auch selbst finanzieren.» Die Luzernerinnen würden seit Jahren unter der Spar- und Abbaupolitik des Kantons leiden. Solche «Verschwendungen» für «klerikale Belange» wirkten aus der Zeit gefallen.

Dass der Beitrag an die Kaserne eine Investition in die Marke Schweiz sei, stellt Grünen-Kantonsrat Hans Stutz grundsätzlich infrage: «Die Befürworter überschätzen die Bedeutung und Ausstrahlung der Schweizergarde markant», sagt er.

Luzern mit Referendum ein Einzelfall

Welchen Argumenten die Bevölkerung mehr Glauben schenkt, zeigt sich am 25. September. Dann findet die Volksabstimmung über das Referendum statt. Im Frühling sammelten die Gegner innert Rekordzeit doppelt so viele Unterschriften wie nötig. Ein Anzeichen, dass es die 400'000 Franken an die Kaserne selbst im bürgerlichen Kanton Luzern schwer haben werden? Möglicherweise.

Ein Blick über die Kantonsgrenze hinaus zeigt: Auch andernorts ist die staatliche Unterstützung für das Infrastrukturprojekt der Schweizergarde umstritten. Mit dem Referendum steht Luzern aber allein auf weiter Flur. So gab beispielsweise der Zuger Kantonsrat im Juni grünes Licht für eine Kasernen-Spende in der Höhe von 130'000 Franken (zentralplus berichtete).

Die Gesamtkosten für die neue Kaserne belaufen sich auf rund 50 Millionen Franken.

Verwendete Quellen
  • Besuch der Pressekonferenzen des Pro- und des Kontra-Komitees
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11 Kommentare
  • Profilfoto von Kurt Widmer
    Kurt Widmer, 11.07.2023, 19:44 Uhr

    Es ist wirklich bedenklich, dass diese Schweizer Garde von der Öffentlichen Hand noch weiter gesponsert wird. Das SVP und die Mitte als häuchler solches noch gutheissen ist wirklich bedenklich. Es sollte keine Kirche die verschiedene Kinderschänder beherbergt und dieses auch verleugnet nicht mit Schweizer Gardisten bewacht werden. Jeder Gardist macht sich so mittschuldig an diesem Misstand weil er diese Personen bewacht.
    Mann könnte die Schweizer Garde zur Bewachung des Bundeshauses Nutzen was viel sinnvoller wäre

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    Libero, 24.08.2022, 14:26 Uhr

    Familien, die sich jahrhundertelang im Söldnerwesen bereicherten
    – und heute noch diesen Wohlstand profitieren –
    könnten die CHF 400’000 als Geste für
    die betrogenen und gefallenen Landsknechte
    vom Entlebuch, Hinterland, Suren- und Seetal sponsern.

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    ein Liberaler, 24.08.2022, 10:20 Uhr

    Dass die SVP und viele christlich geprägte Mitte Politiker*innen hier für ein JA weibeln erstaunt nicht, aber Peter Schilliger hat dann doch eine sehr seltsame Auffassung von Liberalismus…
    ein NEIN wäre eine Riesen Klatsche für die wertkonservativen in unserem Kanton.

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    Michel von der Schwand, 24.08.2022, 08:28 Uhr

    Hermann Alexander Beyeler, mehrfacher Millionär, unterhält enge kulturelle Verbindungen mit dem Vatikan, für den er verschiedene kulturelle Projekte finanziell unterstützt. Es gibt weitere vermögende Privatpersonen, welche sich gerne in den Himmel einkaufen wollen. Denen darf man getrost die Rechnung stellen. Vergelt’s Gott.

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    Siru, 23.08.2022, 23:31 Uhr

    Die schweizer Garde ist eine Söldnertruppe. Es war seit jeher so, dass diejenigen, die Söldner anstellen, selber für Verpflegung und Unterkunft aufkommen müssen.
    So soll es auch der Vatikan handhaben. Und wenn der Vatikan meint, sich die Söldner nicht mehr leisten zu können, soll er sie entlassen. Was aber angesichts des Reichtums des Kirchenstaates ein Hohn ist.

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    Kommentarschreiber, 23.08.2022, 22:47 Uhr

    «Wer den Solidaritätsfranken ablehnt, lehnt auch urschweizerische Werte ab.»
    Interessant die Aussage eines Parteimitgliedes der Partei, welche eine Neutralitäts-Initiative plant, um den nach ihrer Meinung durch die Haltung der Schweiz im Ukraine-Krieg verloren gegangenen urschweizerischen Wert «Neutralität» wieder herzustellen. Aber dass dieser Solidaritätsfranken einer Institution zukommt, die exemplarisch für das dunkle Kapitel des schweizerischen Söldnerwesens steht (https://de.wikipedia.org/wiki/Schweizer_Truppen_in_fremden_Diensten#Heiliger_Stuhl,_seit_1506), also von Truppen in fremden Kriegsdiensten notabene, verträgt sich dann scheinbar bestens mit diesem sogenannten urschweizerischen Wert «Neutralität».
    Der Vatikan verfügt über genug Vermögen (https://de.wikipedia.org/wiki/Verm%C3%B6gen_der_r%C3%B6misch-katholischen_Kirche#:~:text=Das%20Verm%C3%B6gen%20der%20Vatikanbank%20IOR,bei%20rund%20sechs%20Milliarden%20Euro.), um diese Kaserne ohne unseren Solidaritätsfranken stemmen zu können. Darum mein kräftiges NEIN!

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    • Profilfoto von Marc
      Marc, 24.08.2022, 10:13 Uhr

      Diese Aussage ist eine absolute Frechheit, aber aus dieser Ecke nicht weiter verwunderlich. Als ob diese Söldnertruppe etwas mit urschweizerischen Werten zu tun hätte. Die Kirche soll das gefälligst selbst bezahlen, aus jahrhundertelanger Abzockerei sollte ja noch ein bisschen was verfügbar sein.

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    Roli Greter, 23.08.2022, 18:03 Uhr

    Wären dafür nicht die Kirchensteuern eine passende Finanzierungsquelle?

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    • Profilfoto von Erwin Lussi
      Erwin Lussi, 23.08.2022, 22:47 Uhr

      Falls der reiche Vatikan die Schweizer-Gratis-Folklore noch will, soll er für zeitgemässe Unterkunft aus der eigenen Tasche sorgen.
      Wenn nicht: Abmelden und ab nach Hause.
      Der Vatikan kann sich einen ernsthaften professionell ausgebildeten und bewaffneten Sicherheitsdienst locker leisten.

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    • Profilfoto von Andreas Wicky
      Andreas Wicky, 21.09.2022, 13:20 Uhr

      Die Römisch-Katholische Landeskirche Luzern hat sich mit CHF 250’000 an der Finanzierung der neuen Gardekaserne beteiligt.

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  • Profilfoto von Peter
    Peter, 23.08.2022, 17:17 Uhr

    “Vielmehr geht es um Tradition, um Schweizer Werte und Tugenden, welche die Gardisten verkörpern.”

    Was alles ganz klar keine Staatsaufgabe ist. Jeder Fiskalkonservative sollte klar dagegen sein.

    (Und das sage ich als Kirchengänger, der aber doch die Trennung von Staat und Kirche befürwortet.)

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