Nachdem der Kanton Zug die Baubewilligung erteilte

Umfahrung Cham-Hünenberg: Zuger Rekord für langsamen Strassenbau

Nach der Realisierung der Umfahrung Cham-Hünenberg soll es im Ortszentrum keine Staus mehr geben.

(Bild: zvg)

Es tönt fast wie das Ende einer unendlichen Geschichte: Der Kanton Zug hat für den Bau der Strassenumfahrung Cham-Hünenberg die Baubewilligung erteilt. Doch das ist noch kein Grund, um die Champagnerkorken knallen zu lassen. Weil weitere Einsprachen drohen.

2007 hat das Zuger Stimmvolk an der Urne ja gesagt zur 5,3 Kilometer langen Umfahrungsstrecke Cham-Hünenberg (UCH) – allerdings äusserst knapp mit 50,3 Prozent. Vielleicht ist das der Grund, warum sich das Verkehrsprojekt, das zum einen die Gemeinden Cham und Hünenberg vom Durchgangsverkehr befreien und andererseits die stark belastete Autobahn A 14 entlasten soll, in den vergangenen zehn Jahren zur unendlichen Geschichte entwickelt hat.

Denn der Widerstand gegen den 195 Millionen Franken teuren «Bypass» hat in den letzten zehn Jahren nicht nachgelassen. Dabei ist dem Kanton vor allem heftiger Wind aus Cham ins Gesicht geblasen. Denn die baulichen umweltschützerischen Ausgleichsmassnahmen, die obligatorisch sind, damit der Kanton Zug die Bundeszuschüsse für die Umfahrung erhält, haben für heftiges Streitpotenzial gesorgt.

Die umstrittenen Dorfberuhigungsmassnahmen

Konkret war es zuerst die geplante Schliessung der Bärenbrücke in Cham, die als Massnahme gedacht war – um das Dorfzentrum zu beruhigen, damit der Durchgangsverkehr auch wirklich in Zukunft gezwungen ist, die UCH zu benützen. Dann war es eine utopische Spange ums Neudorfzentrum. Schliesslich sorgte die per Mitwirkung erarbeitete Videokamerakontrolle der Autos, die durchs Dorfzentrum fahren wollen, für grossen Unmut – weil viele Ladenbesitzer fürchteten, ausserhalb der für unbehinderten Kundenverkehr liegenden Zone zu rutschen (zentralplus berichtete).

Dies alles resultierte in 124 Einsprachen während der letzten Jahre, die plötzlich alle vom Tisch sein sollen. Denn der Kanton Zug hat nun bekanntlich die Baubewilligung für die UCH erteilt (zentralplus berichtete).

Noch kein offizielles Statement vom VCS

Dabei hat allein der VCS 2015 eine umfassende Einsprache gegen das Umfahrungsprojekt eingereicht. Mit der Begründung, dass das vorliegende Projekt sich zu stark von demjenigen vom Volk genehmigten unterscheide. Ausserdem werde zu viel Land verbraucht. Experten gehen davon aus, dass der VCS deshalb seine Einsprache ans Verwaltungsgericht weiterzieht.

«Ich bin sehr überrascht, dass nach Monaten ohne Informationen seitens des Kantons nun plötzlich alle Einsprachen vom Tisch sein sollen.»

Markus Rast, VCS Sektion Zug

Vom VCS gibt es dazu derweil noch kein offizielles Statement. Wie vom VCS Sektion Zug jedoch zu vernehmen ist, «sind wir sehr überrascht, dass nach Monaten ohne Informationen seitens des Kantons nun plötzlich alle Einsprachen vom Tisch sein sollen», sagt Markus Rast, Vorstandsmitglied der VCS Sektion Zug, in einer rein persönlichen Stellungnahme.

Es ist deshalb also noch lange nicht sicher, ob vorhandene Einsprachen nicht ans Verwaltungs- oder gar ans Bundesgericht weitergezogen werden. Das ist unter anderem auch der Grund, warum Zugs Baudirektor Urs Hürlimann wohl erst mit einem Baubeginn ab 2021 rechnet. Bereits heute liegt der Kanton ja weit hinter dem ursprünglichen Zeitplan zurück. Wäre es denn da nicht möglich, bestimmte Bauabschnitte vorzuziehen?

Die 5,3 Kilometer lange Umfahrung Cham-Hünenberg, die 195 Millionen Franken kosten wird, kommt wohl sicher erst 20 Jahre nach der Volksabstimmung 2007: Zuger Rekord für langsamen Strassenbau.

Die 5,3 Kilometer lange Umfahrung Cham-Hünenberg, die 195 Millionen Franken kosten wird, kommt wohl erst 20 Jahre nach der Volksabstimmung 2007: Zuger Rekord für langsamen Strassenbau.

(Bild: zvg)

«Es ist nicht möglich, verschiedene Abschnitte vorzuziehen respektive aufzusplitten. Das würde auch dem Beschluss des Kantonsrats widersprechen», versichert der FDP-Regierungsrat. «Es war auch immer geplant, die Tangente Zug/Baar abzuschliessen und dann mit dem Bau der UCH zu beginnen. Man kann davon ausgehen, dass wir die Zeit bis 2021/2022 auch brauchen werden. Denn wir gehen davon aus, dass es zu weiteren Einsprachen kommen wird.»

Tausende von Autos mehr bis zum Baustart

Die Frage stellt sich aber dann: Wie entlastungsfähig ist dieser Bypass durch den Ennetsee noch, wenn er 2026/27 fertiggestellt wird? Denn schaut man sich die Zunahme der Fahrzeuge von 2007 bis 2017 allein im Kanton Zug gemäss Statistik des Strassenverkehrsamts an, wurden in den letzten zehn Jahren 16’000 neue Fahrzeuge registriert.

Rechnet man weitere zehn Jahre bis zur Fertigstellung der Umfahrung dazu, könnten theoretisch locker weitere 16’000 Fahrzeuge hinzukommen. Wenn nicht mehr. Und über die stark belastete Autobahn A14 zwischen Blegi und Cham donnern heute bereits im Schnitt täglich bis zu 100’000 Fahrzeuge.

«Die Verkehrsprognosen, auf welchen das Projekt aufbaut, wurden in der Projektierung bereits für das Jahr 2030 hochgerechnet.»

Urs Hürlimann, Zuger Baudirektor

Ganz zu schweigen auch davon, dass schon in einem relativ frühen Projektstadium die UCH beim Autobahnknotenpunkt Lindencham noch um die Giebelfeldbrücke – will heissen: um weitere 15 Millionen Franken – aufgerüstet werden musste, um der Umfahrung überhaupt genügend Verkehrsaufnahmekapazität zu bescheren. Ist der Bypass also nicht von vorneherein zum Scheitern verurteilt?

Urs Hürlimann beschwichtigt. «Die Verkehrsprognosen, auf welchen das Projekt aufbaut, wurden in der Projektierung bereits für das Jahr 2030 hochgerechnet. Veränderungen der Mobilität oder die Bevölkerungsentwicklung sind dabei berücksichtigt worden. Es sei ganz offensichtlich eine Tatsache, dass es beim Bau solcher Strassenprojekte so lange dauere. «Damit müssen wir leben.»

Weitere Lärmschutzmassnahmen

Wenigstens hat jetzt die kantonale Baudirektion schon Korrekturen an dem offensichtlich noch immer nicht ausgereiften UCH-Projekt vorgenommen. Hürlimann erklärt, dass es dabei vor allem um Lärmschutzmassnahmen gehe, in wenigen Fällen auch um Umweltaspekte oder die Liegenschaftserschliessung. «Wir mussten niemanden enteignen. Wir einigten uns mit allen Parteien einvernehmlich.»

Wenn nichts dazwischenkommt, dauert die Fertigstellung der UCH von der Abstimmung damit wohl mindestens 20 Jahre. Das ist Zuger Rekord!

So lange dauerten Strassenprojekte in und um Zug bis zur Realisierung

Die Zuger Nordumfahrung, die Zug und Baar entlasten und den Pendlerverkehr direkt auf die Autobahn leiten soll, wurde 2001 beschlossen. Der Kantonsrat bewilligte damals den Kredit für die Planung, den Landerwerb und den Bau der Nordzufahrt Zug/Baar. Fertiggestellt wurde die 2,5 Kilometer lange Strecke 2009. Dauer bis zur Realisierung also: acht Jahre.

Die Tangente Zug/Baar ist momentan im Bau und wird im Herbst 2021 eröffnet. Die 201 Millionen Franken teure und drei Kilometer lange Umfahrung von Baar und Zug Richtung Ägerital mit Anschluss an die Autobahn wurde vom Volk 2009 an der Urne abgesegnet. Dauer bis zur Realisierung also: zwölf Jahre.

Die Umfahrung Grindel-Bibersee ist 1,6 Kilometer lang und verbindet Zug/Steinhausen mit dem Knonauer Amt. Die 30,3 Millionen Franken teure Strecke (plus 2,6 Millionen Franken für einen Radweg) wurde 2007 vom Kantonsrat genehmigt und 2013/14 fertiggebaut: Dauer bis zur Realisierung: sechs/sieben Jahre.

Die Autobahn durchs Knonauer Amt, die rund 16 Kilometer lang ist und Zürich mit Zug und der Zentralschweiz verbindet, kostete rund 1,1 Milliarden Franken. Die Dauer bis zur Realisierung 2009 zog sich von der Planung bis zur Fertigstellung fast sagenhafte 50 Jahre hin. Schweizer Rekord!

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