5 + 1 Knackpunkte bei der Integration

Ukraine-Flüchtlinge in Luzern: Darum finden sie keine Jobs

Gemäss der Luzerner Regierung sind viele gut qualifizierte Ukrainerinnen nach Luzern geflüchtet – mangelnde Deutschkenntnisse verhindern, dass sie Arbeit finden. (Bild: Adobe Stock)

Die Arbeitsintegration von Flüchtlingen aus der Ukraine hat am Dienstag im Luzerner Kantonsrat für Gesprächsstoff gesorgt. Die kritischen Stimmen blieben in der Minderheit. Dabei zeichnen sich massive Probleme ab.

«Nicht so nervös, Herr Budmiger.» Mit diesen Worten ist der Luzerner Gesundheits- und Sozialdirektor Guido Graf am Donnerstag im Kantonsrat in die Debatte über die Aufnahme von Ukraine-Flüchtlingen eingestiegen.

Das Thema beschäftigt die Luzerner Politikerinnen sehr – gleich vier dringliche Vorstösse waren dazu eingereicht worden. SP-Kantonsrat Budmiger war einer der wenigen Parlamentarier, die sich von den Antworten nicht beschwichtigen liessen. Er wollte die Regierung zu konkreten Massnahmen verpflichten. Doch dazu später.

Fünf Massnahmen – fünf Herausforderungen

Zu reden gab insbesondere ein Postulat von Urban Frye (Grüne/Junge Grüne). Er forderte die Regierung auf, Flüchtlingen aktiv dabei zu helfen, hierzulande Arbeit zu finden. Und zwar zum Beispiel mit Beratungen, der Unterstützung beim Zusammenstellen von Bewerbungsunterlagen, dem Erklären von Suchstrategien oder der Vermittlung von Praktika.

Dafür tut der Kanton genug, findet die Regierung. Konkret ist dies das Folgende:

  • WAS Luzern stellt Flüchtlingen aus der Ukraine Vorlagen zur Verfügung, damit sie selber einen Lebenslauf und Begleitbriefe verfassen können. Das Problem: diese gibt es nur auf Deutsch oder Englisch.
  • Flüchtlinge mit Schutzstatus S bekommen beim RAV eine Kurzberatung und Zugang zum Stellenportal. Das Problem: Unterstützung beim Verfassen von Bewerbungen in Deutsch gibt es nicht.
  • Die Regierung hat beschlossen, dass erwachsene Personen mit Schutzstatus S Sprachkurse machen dürfen. Dafür bekommt der Kanton Luzern vom Bund ja auch 3000 Franken. Das Problem: Wer finanziell auf eigenen Beinen steht, hat kein Anrecht auf die kostenlose Teilnahme (zentralplus berichtete).
  • Arbeitgeberinnen, die Flüchtlinge aus der Ukraine anstellen, können grundsätzlich während einer begrenzten Zeit finanzielle Zuschüsse bekommen. Im Rahmen eines Pilotprojekts beteiligt sich das Bundesamt für Migration (SEM) mit pauschal 10'000 Franken. Das Problem: Der Kanton Luzern musste die Plätze fürs Jahr 2022 bereits im letzten Oktober beantragen. Sprich: vor Ausbruch des Kriegs in der Ukraine. Welche Mittel konkret dieses Jahr noch zur Verfügung stehen, dazu äussert sich die Regierung in ihrer Antwort nicht. 
  • Die Wirtschaftsförderung Luzern ist in Kontakt mit Unternehmen, die Personen mit Status S Arbeit geben möchten. Tatsächlich sind bereits «viele gut qualifizierte Personen» aus der Ukraine in Luzern, wie die Regierung beteuert. Mangelnde Deutschkenntnisse seien der Hauptgrund, weshalb diese bisher noch keine Arbeit gefunden hätten. Die gute Nachricht: Der Bund beteiligt sich grundsätzlich hälftig an arbeitsmarktlichen Massnahmen, die hier Abhilfe schaffen könnten. Das Problem: Der Regierungsrat prüft bislang lediglich, «bei Bedarf zusätzliche Mittel» einzusetzen – und macht keine verbindliche Zusage.

Der Kanton Luzern steht also noch vor grossen Herausforderungen, bis die Arbeitsintegration von Flüchtlingen aus der Ukraine gelingt. Das belegen die Zahlen: Von den rund 2000 Ukrainerinnen, die der Kanton bisher aufgenommen hat, haben erst 48 einen bewilligten Arbeitsvertrag (Stand: 12. Mai).

Kantonsrat stärkt der Regierung den Rücken

«Das ist eine Quote von weniger als drei Prozent», stellte Ferdinand Zehnder (Mitte) in der Debatte leicht verwundert fest. Er fragte in die Runde, woran das liegen könnte. Lohnt es sich für die Ukrainer finanziell nicht, arbeiten zu gehen? Besteht allenfalls ein Schwelleneffekt, der eliminiert werden sollte? Gesundheits- und Sozialdirektor Guido Graf ging darauf in seiner Wortmeldung nicht ein.

SP-Kantonsrat Marcel Budmiger war – zusammen mit den Grünen und der SP-Fraktion – dafür, das Postulat von Frye für erheblich zu erklären. Damit nehme das Parlament die Regierung in die Pflicht, die skizzierten Massnahmen auch schnell umzusetzen. Der Grossteil des Parlaments hielt das jedoch nicht für nötig und zeigte sich mit der Antwort der Regierung zufrieden. Es entschied mit 70 zu 38 Stimmen, das Postulat wegen Erfüllung abzulehnen.

Betreuungsgutscheine? Fehlanzeige!

Ein Punkt, der Ukrainerinnen den Zugang zum Arbeitsmarkt erschwert, wurde in der Debatte übrigens gar nicht angesprochen. Gestreift hatte das Thema SP-Kantonsrätin Ylfete Fanaj in einer Anfrage. Sie wollte wissen: Gibt es eigentlich Betreuungsangebote für Kinder von Flüchtlingen, während die Eltern einen Deutschkurs besuchen oder arbeiten?

Die Regierung umschifft das Problem in ihrer Antwort, indem sie nur den ersten Teil der Frage beantwortet. Es gibt Anbieter, die parallel zu den Deutschkursen Kinderbetreuung anbieten. Diese stehen auch den Ukrainerinnen offen.

Doch was ist, wenn die Eltern von Vorschulkindern tatsächlich einen Job finden? Können sie dann Betreuungsgutscheine für eine Kita beantragen? zentralplus hat diese Frage der Dienststelle Asyl- und Flüchtlingswesen gestellt. Die Antwort war klar und unmissverständlich: «Nein.»

Verwendete Quellen
  • Antwort der Regierung auf die Anfrage Fanaj
  • Antwort der Regierung auf das Postulat Frye
  • Projektbeschrieb SEM
  • Vorlagen der WAS für Lebenslauf und Begleitbrief
  • Verfolgung der Debatte im Kantonsrat über den Live-Stream
  • Mailkontakt Medienstelle DAF
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4 Kommentare
  • Profilfoto von Peter Bitterli
    Peter Bitterli, 22.05.2022, 01:22 Uhr

    Meine Bekannte hat absolut genau die gleiche Ausbildung und den gleichen Abschluss wie ihn jede Ukrainerin aus der Finanz- und Managementbranche mit Hochschulbildung auch hat, denn sie kommt wie jede Ukrainerin auch aus einem Land der Ex-Sovjetunion, wo sich überall an den Studiengängen rein gar nichts geändert hat. Der Unterschied zwischen meiner Bekannten und einer Ukrainerin ist, dass erstere ihre Sprachkurse selber bezahlt hat, mittlerweile fliessend deutsch konversiert, bestens integriert und inzwischen Schweizer Bürgerin ist. Der zweite Unterschied ist, dass meine Bekannte ihr Diplom hier nicht anerkannt bekommt und beruflich mit unteren Aufgaben zufrieden sein muss, während einzelne neu angekommene Ukrainerinnen aus dem Stand in hohe Positionen von Finanzabteilungen übernommen werden. Meine Bekannte hatte und hat alle Sympathien für ihre ukrainischen Kolleginnen und nimmt mit Interesse zur Kenntnis, dass verschiedentlich auch Texte publiziert werden, in denen die unwürdige Behandlung ukrainischer Flüchtlinge beklagt und eine privilegiertere Behandlung gefordert wird. Könnte sie gratis auf die Rigi fahren, so würde sie das auch viel öfters tun und sich dort sehr beglückt fühlen. Auch würde sie gerne öfters auf Heimatbesuch gehen, was leider zur Zeit unmöglich ist.
    Bei meiner Bekannten kann von Zorn über eine Ungleichbehandlung oder gar Neid keine Rede sein. Sie würde es aber nachvollziehen können, wenn so etwas bei Flüchtlingen aus anderen Ländern und Weltgegenden vorkäme.

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  • Profilfoto von Arnaldo Urbanetti
    Arnaldo Urbanetti, 19.05.2022, 12:42 Uhr

    Hallo Herr Budminger
    Und wer unterstützt unser ausgesteuerte Ü50, ausser dubiosen Organisationen, und hilft Ihnen wieder einen Job zu bekommen?
    Wer unseren Sozialhilfeempfängern?

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    Roli Greter, 18.05.2022, 10:05 Uhr

    Nigerianer, Afghanen und Libanesen haben es übrigens noch schwerer dank der politischen Ungleichbehandlung.

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  • Profilfoto von Romeo
    Romeo, 17.05.2022, 20:04 Uhr

    Ich glaube nicht das alle ukrainer einen job benötigen in der schweiz. Sicherheit und eine Wohnung reicht vielen fürs erste. Ziel ist ja die ukraine wieder frei und sicher aufzubauen und nicht günstige arbeitskräfte für die schweiz.

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