Kritische Fragen an die Luzerner Regierung

Überwachung Unschuldiger: Linke Politikerinnen sind alarmiert

Im Visier: Die Luzerner Polizei setzt Computerprogramme ein, um das Gefährdungspotenzial von Menschen einzuschätzen. (Bild: Pixabay)

Um Straftaten zu verhindern, setzt die Luzerner Polizei vermehrt auf Computerprogramme. Das Problem: Diese überschätzen das Risiko systematisch – so geraten auch Personen ins Visier der Behörden, von denen keine Gefahr ausgeht. Grüne, Junge Grüne und SP bringen das Thema jetzt aufs politische Parkett.

In Luzern landen immer mehr Menschen auf der Liste der Gefährderinnen des kantonalen Bedrohungsmanagements (zentralplus berichtete). Weil die Behörden vermuten, dass von ihnen eine Gefahr ausgehen könnte, werden sie in ihrer Wohnung aufgesucht und angesprochen, beobachtet und teilweise überwacht.

Recherchen von zentralplus zeigen: der Mechanismus dahinter ist eine Blackbox. Die Betroffenen erfahren teils nur durch Zufall, dass sie als Gefährder gelten. Welche Daten über sie gesammelt werden, erfahren sie nicht (zentralplus berichtete).

Wer hat Zugriff auf die heiklen Daten?

Unsere Berichterstattung hat die Grünen, Jungen Grünen und die SP im Kanton Luzern beunruhigt. Die grünen Kantonsrätinnen Judith Schmutz und Noëlle Bucher haben gleich zwei Vorstösse zum Thema eingereicht. «Die Umsetzung des erwähnten Bedrohungsmanagements ist aus rechtsstaatlichen Gründen zu hinterfragen», heisst es darin etwa. Danach folgen eine Reihe kritischer Fragen an die Luzerner Regierung.

Unter anderem Judith Schmutz wissen, welche Informationen Personen erhalten, die als Gefährder auf der Liste stehen. Bekannt ist, dass in der Datenbank teils höchst private Informationen gesammelt werden. Etwa über den psychischen Gesundheitszustand der Betroffenen.

Aus diesem Grund legt Schmutz in ihrer Anfrage ein besonderes Augenmerk auf den Datenschutz. Wer hat Zugang zu der Sammlung? Wer verwaltet diese? Wie läuft der Informationsaustausch mit anderen Kantonen? Und: Wer kann eine Löschung der Daten veranlassen? Alle diese Fakten sollen nun auf den Tisch kommen.

Wie die Tools funktionieren, weiss kaum jemand

Der zweite Vorstoss von Noëlle Bucher dreht sich mehr um die eingesetzte Software zur Risikoeinschätzung. Die «Republik» hatte Mitte Dezember eine Studie publik gemacht, wonach diese Systeme das Gefahrenpotenzial eher überschätzen. Aus dem Bericht geht zudem hervor, dass in Luzern im Vergleich zu anderen Kantonen sehr viele Personen auf der Liste der Gefährder landen.

Bucher will deshalb mehr über die eingesetzte Software erfahren. Sie will wissen, wie diese heissen, in welchen Deliktfeldern diese eingesetzt werden, wie mit der Risikoüberschätzung umgegangen wird und wie gross der Einfluss der Systeme auf den Entscheid ist, ob eine Person nun tatsächlich überwacht wird oder nicht. Die Stellungnahmen der Regierung zu den beiden Vorstössen stehen noch aus.

Gemäss «Republik» setzt die Luzerner Polizei unter anderem auf das Tool Dyrias. Es berechnet das Gefährdungsrisiko aufgrund eines Fragen­katalogs, der verschiedene Bereiche wie Arbeits­platz, Schule und Partner umfasst. Polizeisprecher Christian Bertschi betonte diesbezüglich: «Die Tools sind ein elektronisches Instrument, das uns eine gewisse Sicherheit gibt, eine Art ‹Fieber messen› und allenfalls Unter­stützung in gewissen Entscheidungen geben kann.»

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Hegard
    Hegard, 02.07.2022, 10:44 Uhr

    Ja stimmt,die Velofahrer die unerlaubt auf Trottoir und. Fussgängerstreifen fahren stellen eine Gefahr dar

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  • Profilfoto von John Doe
    John Doe, 23.12.2020, 21:48 Uhr

    Anzumerken ist zweierlei:

    1.
    Diese Massnahmen erfolgen illegal (Prof. Nadja Braun Binder, Prof. Nadja Capus, Monika Simmler, Simone Brunner in der Republik). Sie sind verfassungswidrig und verletzen hochpersönliche Rechtsgüter (vgl. Art. 5, 9, 13 u. 36 BV und Art. 27 Abs. 2, Art. 28 Abs. 1 u. 2 ZGB):

    «Dass Algorithmen Bürger zu Gefährdern machen, ist bedenklich, [d]ass dies ohne adäquaten rechtlichen Rahmen geschieht, ist noch bedenklicher.» (Monika Simmler)

    Prof. Nadja Braun Binder und die Autoren der Studie werden in der Republik wie folgt zitiert: «Oft werde auf die polizeiliche General­klausel in Polizei­gesetzen verwiesen. Diese Klausel legitimiert Interventionen der Polizei in «Fällen ernster, unmittelbarer und nicht anders abwendbarer Gefahr». Doch diese Klausel ist nicht einmal ansatzweise rechtlich haltbar für ein systematisch angewendetes Predictive Policing, halten die Studien­autorinnen fest. Auch die Basler Staats­rechts­professorin Nadja Braun Binder ist der Ansicht, dass die General­klausel nur in Ausnahme­fällen angerufen werden kann. Sie verweist auf ein Bundes­gerichts­urteil, das besagt, dass die Klausel auf «echte und unvorhersehbare sowie gravierende Notfälle» ausgerichtet ist.» (vgl. BGE 130 I 369, 7.3)

    2.
    Auskünfte über die fichierten persönlichen Informationen werden einem unter Berufung auf das fehlende Öffentlichkeitsprinzip im Kanton Luzern verweigert, sofern man denn überhaupt von den Praktiken erfährt. (Art. 28 ZGB und dessen übergeordnete Normen werden vom Departement Winiker für nichtig erklärt und hintertrieben).

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