Luzerner Regierung sieht keinen Handlungbedarf

Trotz Kritik: Hochschulen halten an Zertifikatspflicht fest

«Bildung für alle», mit diesem Slogan demonstrieren Studentinnen gegen die Zertifikatspflicht an der Universität Luzern und der Pädagogischen Hochschule. (Bild: Elio Wildisen)

Luzerner Studentinnen dürfen nur noch mit Covid-Zertifikat in den Hörsaal oder die Bibliothek. SVP-Kantonsrat Bernhard Steiner kritisiert dies als Diskriminierung und schlägt Alternativen vor. Davon wollen die Hochschulen und die Politik jedoch nichts wissen.

Pünktlich auf den Start des neuen Herbstsemesters führten die drei Luzerner Hochschulen die Zertifikatspflicht ein (zentralplus berichtete). In den Hörsaal, die Mensa oder die Bibliothek gelangen Studenten seither nur noch mit gültigem Covid-Zertifikat.

Wenig überraschend erzürnte dies die Massnahmen-Gegner, zum Beispiel den Luzerner «Mass-Voll»-Gründer Nicolas A. Rimoldi. Die Massnahmen-Kritikerinnen sprachen von Diskriminierung und forderten «Bildung für alle». So riefen sie zum Semesterstart zu Demonstrationen vor den Universitäten auf. Auch in Luzern versammelten sich rund 100 Demonstranten vor dem Hochschulgebäude, um gegen die Einführung der Zertifikatspflicht zu protestieren (zentralplus berichtete).

An der Hochschule Luzern bleiben die Tests gratis

Die Luzerner Hochschulen zeigten sich verständnisvoll für die Anliegen dieser kritischen Stimmen. Um weiterhin allen Studentinnen den Zugang zu den Lehrveranstaltungen zu gewährleisten, übernehmen die Hochschulen seit 11. Oktober, also seitdem die Corona-Tests in der Schweiz kostenpflichtig sind, sämtliche Testkosten. Die Uni Luzern betreibt sogar ein eigenes Testcenter, wo gemäss Uni-Sprecher Lukas Portmann wöchentlich rund 400 Tests durchgeführt werden. Allerdings übernehmen die Hochschulen die Testkosten nur bis Ende Oktober.

«Wir sind froh, mit den repetitiven Pooltests eine kostenlose Testmöglichkeit anbieten zu können.»

René Hüsler, stellvertretender Rektor HSLU

Die Hochschule Luzern (HSLU) führt das kostenlose Testangebot auch nach dem Ablauf dieser Frist weiter. Neu allerdings im Rahmen der Reihentests, die vom Bund für Schüler und Studentinnen weiterhin bezahlt werden. Mit den repetitiven Pooltests stehe eine gute und schnelle Alternative zu den herkömmlichen Antigenschnelltests zur Verfügung, sagt René Hüsler, stellvertretender Rektor der HSLU. «Wir sind froh, mit diesem Angebot eine kostenlose Testmöglichkeit anbieten zu können», ergänzt Hüsler.

Wie das Testangebot nach dem 31. Oktober an der Uni und der Pädagogischen Hochschule Luzern (PH) fortgeführt wird, ist hingegen noch unklar. «Das ist noch nicht spruchreif», sagt Uni-Sprecher Portmann auf Anfrage.

Auch im Luzerner Kantonsrat ein Thema

Die Zertifikatspflicht an den Hochschulen beschäftigt nicht nur die Studenten und Dozentinnen. Die Diskussion um die Umsetzung der Schutzkonzepte an den Hochschulen wurde um eine politische Komponente erweitert: SVP-Kantonsrat Bernhard Steiner hat ein Postulat eingereicht. Er fordert die Luzerner Regierung auf zu prüfen, ob es wegen der Zertifikatspflicht zu vermehrten Studienabbrüchen an Luzerner Hochschulen gekommen ist. Und ob es Alternativen zur Zertifikatspflicht gibt.

«Es gilt sorgfältig abzuwägen zwischen dem allgemeinen Bildungsauftrag der Hochschulen, dem Schutz der Gesundheit und den persönlichen Freiheitsrechten.»

Bernhard Steiner, SVP-Kantonsrat

Das Postulat begründet der SVP-Kantonsrat damit, dass sich unter den Studenten «breiter Widerstand» gegen das Zertifikat rege, da dieses als «schwerwiegende Ungleichbehandlung» wahrgenommen werde. So warnt Steiner, der als Kinderarzt in Wolhusen tätig ist: «Es gilt, sorgfältig abzuwägen zwischen dem allgemeinen Bildungsauftrag der Hochschulen mit Präsenzunterricht, dem individuellen und kollektiven Schutz der Gesundheit, der Gleichbehandlung der Studierenden, dem Respekt gegenüber Andersdenkenden und den persönlichen Freiheitsrechten.»

Kaum Studienabbrüche registriert

Der Regierungsrat kontert Steiners Kritik und relativiert dessen Argumentation mit den von ihm nachgefragten Zahlen. Es sei seit Semesterbeginn kaum zu Studienabbrüchen und nur zu einigen wenigen Studienunterbrüchen gekommen: An der PH haben zehn Studentinnen das Studium wegen der Zertifikatspflicht vorübergehend unterbrochen, an der HSLU seien es rund 20. Im Vergleich zu den insgesamt über 10'000 Studenten der beiden Hochschulen ist die Zahl der Studienunterbrüche verschwindend klein.

Weiter betont der Regierungsrat die Alternativlosigkeit zur Zertifikatspflicht. Weil ohne Zertifikat nur zwei Drittel der Raumkapazitäten genutzt werden dürfen, fehlt den Hochschulen schlicht der Platz, um weiterhin Präsenzunterricht durchzuführen. Somit hält die Regierung fest: «Die einzige weitere Alternative zur Einführung der Zertifikatspflicht wäre ein weiteres Semester im Onlinemodus gewesen.»

«Die allermeisten Studenten und Mitarbeiterinnen sind erleichtert, dass Präsenzunterricht nun wieder möglich ist.»

René Hüsler, stellvertretender Rektor HSLU

Das wiederum wollen die Hochschulen verhindern. Lukas Portmann sagt: «Ziel der Universität Luzern ist es, möglichst viel Präsenzunterricht zu haben.» Die Stärke der Ausbildung an der Uni Luzern liege im direkten Austausch und in der Diskussion. Der Präsenzunterricht sei dafür eine wesentliche Bedingung. René Hüsler von der HSLU pflichtet ihm bei: «Nach über einem Jahr Fernunterricht ist es von grosser Wichtigkeit, endlich wieder in den Präsenzunterricht zurückkehren zu können.»

Positive Erfahrungen mit Zertifikatspflicht

Fraglich ist zuletzt, wie gross die Zahl der Studenten überhaupt ist, die sich an der Zertifikatspflicht stossen. Denn die Erfahrungen der Uni Luzern und der HSLU zeigen ein anderes Bild. So sagt René Hüsler etwa: «Die allermeisten Studenten und Mitarbeiterinnen sind erleichtert, dass Präsenzunterricht nun wieder möglich ist. Sie freuen sich über die persönlichen Begegnungen mit den Kolleginnen und Dozenten.» Und auch an der Uni Luzern habe man bisher sehr positive Erfahrungen mit dem Covid-Zertifikat gemacht, wie Portmann bestätigt.

Eine Abschaffung der Zertifikatspflicht kommt für die Hochschulen derzeit nicht infrage und ebensowenig die Rückkehr in den Fernunterricht. So betont denn auch die Luzerner Regierung im Fazit ihrer Stellungnahme auf das Postulat von Bernhard Steiner: «Die grosse Mehrheit der Studierenden ist erleichtert und dankbar, dass die Lehrveranstaltungen nach drei Onlinesemestern wieder vor Ort durchgeführt werden. Sie begrüssen die Zertifikatspflicht denn auch, da sie nicht nur den Präsenzunterricht wieder ermöglicht, sondern auch die Ansteckungsgefahr stark reduziert.»

Der Kantonsrat teilte diese Ansicht mehrheitlich: Er lehnte am Dienstagvormittag das Postulat der SVP ab.

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Hegard
    Hegard, 26.10.2021, 20:07 Uhr

    Herr Hüsler,die gratisTests nur bis Ende Oktober finde ich eine reine verarschung

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    • Profilfoto von Bob
      Bob, 27.10.2021, 10:03 Uhr

      Ich nicht. Impfung ist sicherer als Ansteckung und erst noch günstiger.

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