Politik-Experte zu Maurer-Nachfolge

«Thomas Aeschi profitiert vom Bundesratskarussell»

Wird der Zuger Nationalrat Thomas Aeschi der neue Bundesrat? (Bild: Emanuel Ammon (Aura)/ zvg)

Wird der Zuger SVP-Politiker Thomas Aeschi Nachfolger von Bundesat Ueli Maurer? Er selber nährt die Gerüchte um eine Kandidatur auf Twitter. Polit-Analyst Mark Balsiger erklärt, was dahintersteckt.

Seit 19 Jahren ist die Zentralschweiz nicht mehr in der Schweizer Landesregierung vertreten. Wird sich das am 7. Dezember ändern, wenn die Nachfolge von Bundesrat Ueli Maurer bestimmt wird? Möglich ist es.

«Thomas Aeschi gehört als SVP-Fraktionschef praktisch von Amtes wegen zum Favoritenkreis», wie das Magazin «Cash» es formulierte. Das kostet der Zuger Nationalrat im Moment voll aus – und kokettiert auf Twitter mit dieser Rolle.

Offiziell hat sich Aeschi nicht zu einer möglichen Bundesratskandidatur geäussert. Dass er Interesse hat an dem Job, ist aber offensichtlich. Trotzdem: Als Kronfavorit gilt Thomas Aeschi derzeit (noch) nicht. Die meisten Beobachterinnen rechnen dem Berner Nationalrat Albert Rösti die besten Chancen ein. Der Berner Ständerat Werner Salzmann hat sein Interesse bereit bekannt gegeben.

Auf der anderen Seite haben etliche prominente SVP-Vertreterinnen abgewunken. So etwa die Zürcher Regierungsrätin Natalie Rickli, SVP-Vize-Präsidentin Magdalena Martullo-Blocher, der frühere SVP-Präsident Toni Brunner und auch der Luzerner Nationalrat Franz Grüter (zentralplus berichtete).

Aeschi profitiert vom Interesse an seiner Person

«Das Feld hat sich bereits sehr früh stark ausgedünnt. Je nachdem, was in den nächsten Tagen in Bern und in der Ostschweiz passiert, könnte Thomas Aeschi plötzlich wieder ein ernstzunehmender Kandidat werden, der in die engere Auswahl kommt», meint Politik-Analyst Mark Balsiger im Gespräch mit zentralplus.

Dem Zuger Nationalrat kann der derzeitige Wirbel um seine Person nur recht sein: «Er hat natürlich verstanden, dass es seinen Bekanntheitsgrad weiter erhöht, wenn er seinen Namen möglichst lange im Spiel behält – auch im Hinblick auf die Nationalratswahlen nächstes Jahr», erklärt Balsiger.

Die Unbekümmertheit von Hans Wicki

Es sei bekannt, dass es bei Bundesratswahlen immer Kandidaten gebe, die das Amt eigentlich nicht wollten, sich aber weiter im Gespräch hielten. Vorgemacht habe das beispielsweise der Nidwaldner Ständerat Hans Wicki 2018.

Mit «unbekümmerter Selbstverständlichkeit» präsentierte sich der FDP-Politiker als Alternative zu Karin Keller-Sutter, wie die «NZZ» damals schrieb.  Warum? «Er wusste genau, dass er nicht Bundesrat wird. Aber die lange Zeit, in der er als Kandidat gehandelt wurde, half ihm bei der Wiederwahl in den Ständerat», so Balsiger. Auch Aeschi werde sich denken, wenn er es nicht aufs Ticket schaffe, habe er schon die Hälfte seiner Wahlkampagne hinter sich, ohne einen Rappen investiert zu haben.

Ein hitchcockmässiger Wahlsonntag 2011

Für Mark Balsiger ist klar: «Thomas Aeschi profitiert vom Bundesratskarussell.» Bombensicher sei seine Wiederwahl 2023 in den Nationalrat nämlich nicht. «Wenn wir sehen, wie gut die Alternativen – die Grünen (ALG) vor drei Jahren abgeschnitten hat, wissen wir: Es kann wieder eine Verschiebung geben.»

Auch schweizweit bekannte Figuren seien nicht vor einer Abwahl im eigenen Kanton gefeit. Das hätten die Wahlen 2011 gezeigt. Damals schaffte der damalige FDP-Präsident Fulvio Pelli die Wiederwahl im Tessin nur äusserst knapp. Mit gerade mal 58 Stimmen Vorsprung. «Das war hitchcockmässig», erinnert sich Balsiger.

Im gleichen Wahlgang wurde in Zug mit Josef Lang eine schweizweit sehr prominente Figur aus dem Nationalrat abgewählt. Der Schulbubentrick gelang allerdings nur, weil die CVP und die FDP eine Listenverbindung eingingen – die erste in der Geschichte von Zug.

Die Gefahr: ein Verlierer-Image

Der Rummel um seine Person ein Jahr vor den nationalen Wahlen bietet für Thomas Aeschi zum jetzigen Zeitpunkt so oder so Chancen. Und gleichzeitig ein Risiko: Sollte er es ein zweites Mal aufs Bundesratsticket schaffen und wieder nicht gewählt werden, könnte ihm diese Niederlage aus Sicht von Balsiger politisch schaden. Der 43-Jährige hatte bereits 2015 um den Bundesratssitz gekämpft. (zentralplus berichtete).

Verwendete Quellen
  • Telefonat mit Mark Balsiger
  • Beitrag auf cash.ch zu möglichen Bundesratskandidaten
  • Artikel in der «NZZ» zur Kandidatur von Hans Wicki 2018
  • Artikel in der «WOZ» zur Abwahl von Jo Lang
  • Wikipedia-Eintrag zu Fluvio Pelli
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8 Kommentare
  • Profilfoto von Remo
    Remo, 09.10.2022, 10:39 Uhr

    Aeschi ist absolut unwählbar. Den will ausser der SVP niemand als Bundesrat. Im Kanton Nidwalden gibt es noch Michèle Blöchliger. Regierungsrätin, Anwältin, mehrsprachig, weiblich und aus der Innerschweiz. Sie hat nicht abgesagt.

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    Brummbär, 08.10.2022, 22:48 Uhr

    Aeschi polarisiert zu sehr, da ist mir die Berner Portion Rösti einfach viel sympathischer. Der verakademisierte Zuger Nationalrat ohne Bodenhaftung eckt zu sehr an und ist nicht mehrheitsfähig.

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      Remo, 09.10.2022, 12:58 Uhr

      Einverstanden. Allerdings stammt Rösti wie Sommaruga aus dem Kanton Bern. Das ist zwar inzwischen möglich aber muss nicht unbedingt sein. Und die SVP dürfte ruhig eine Frau nominieren.
      Sogar Chiesa plädiert ja für ein Zweierticket. Warten wirs ab.

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    Armando, 08.10.2022, 19:44 Uhr

    Aeschi im Bundesrat? Da kann man gleich Putin wählen.

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    Kommentarschreiber, 08.10.2022, 11:29 Uhr

    Schade, dass sich Frau Rickli aus dem Rennen genommen hat. Sie hat sich definitiv vom SVP-Doktrin-Nachplappern emanzipert, ist lernfähig und hat einen seriösen Job als RR in Zürich gemacht. Vermutlich wird die SVP wieder einmal mit dem üblichen provokativen «Gruselkabinett» antreten.

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      hombi, 08.10.2022, 14:07 Uhr

      Kann dem nur zustimmen. Könnte mir aber auch Werner Salzmann als Bundesrat vorstellen.

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      • Profilfoto von Kommentarschreiber
        Kommentarschreiber, 08.10.2022, 19:07 Uhr

        @hombi
        sorry, salzmann, ernst jetzt?

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      • Profilfoto von Remo
        Remo, 09.10.2022, 12:57 Uhr

        Salzmann passt zur SVP. Alter, weisser Militärkopf. Allerdings: immer noch besser als Aeschi, Köppel oder andere aus dem SVP Gruselkabinett. Einen zweiten Berner Bundesrat braucht es allerdings nicht.

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