Theiler: «Im Mittelalter wurde ein Wegzoll eingerichtet, heute setzt man auf das Rotlicht»
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Georges Theiler begleitete die verkehrspolitische Entwicklung in Luzern über Jahrzehnte.
(Bild: giw)
Er ist Präsident der Komitees für den Bypass und den Durchgangsbahnhof. Während der Luzerner alt Ständerat Georges Theiler beim Bahnhofprojekt gute Chancen sieht, ärgert er sich massiv über die Strassenverkehrspolitik des Stadtrates. Dieser betreibe eine «radikale Verkehrsideologie».
Kaum ein Politiker in Luzern begleitete die grossen Verkehrsprojekte im Kanton so lange auf Bundesebene wie alt Ständerat Georges Theiler von der FDP (zentralplus berichtete). Seit seinem Rücktritt vor den letzten Wahlen hat sich einiges getan – der Durchgangsbahnhof wird bei der Finanzierung nach unten gereicht und um das Gesamtsystem Bypass entwickelt sich ein wüster Streit zwischen Stadt und Kanton (zentralplus berichtete).
Theiler ist sowohl Präsident «Zentralschweizer Komitee Durchgangsbahnhof» als auch Co-Präsident «Komitee Bypass Luzern». Für ihn sind beide Projekte unabdingbar, um eine funktionierende Verkehrsinfrastruktur im Kanton sicherzustellen: «Man darf die beiden Projekte nicht gegeneinander ausspielen.»
Theiler kritisiert Kurs der Stadt scharf
Theiler ärgert sich masslos über den politischen Schwenk von Stadtparlament und Stadtregierung im Frühjahr zur Spange Nord (zentralplus berichtete): «Exekutive und Legislative haben sich für das kantonale Agglomerationsprogramm ausgesprochen und damit auch der Spange Nord ihren Segen gegeben.» Nun wurden die Karten neu gemischt: «Inzwischen scheint der Stadtrat nur die genehmen Projekte wie den Durchgangsbahnhof oder öV-Projekte zu forcieren, während Strassenprojekte auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben werden.»
«Im Mittelalter wurde ein Wegzoll eingerichtet, heute setzt man in Luzern auf das Rotlicht.»
Georges Theiler, alt Ständerat
Georges Theiler wurde 1949 in der Stadt Luzern geboren, wo er auch heute noch lebt. Der Vater von drei Töchtern wurde 1987 in den Grossen Rat des Kantons Luzern gewählt, 1995 in den Nationalrat. Diesem gehörte er bis 2011 an, als dem Ingenieur, Unternehmer und FDP-Politiker der Einstieg ins Stöckli gelang.
Für den Stadtbürger Theiler führt das Nein zur Spange Nord direkt ins politische Chaos und belastet die Beziehung zwischen dem Wirtschaftszentrum der Zentralschweiz und dem Umland schwer: «Die Leute ärgern sich grün und blau über die Stadt Luzern, die sich gegen den Autoverkehr einzumauern versucht.» Als Beispiel nennt er die geschaltete Ampel im Tribschen, die derart lange rot bleibt, dass sich die Autofahrer nach Schleichwegen umsehen: «Im Mittelalter wurde ein Wegzoll eingerichtet, heute setzt man auf das Rotlicht.»
Stadt-Land-Graben als grosses Problem
Aus Theilers Sicht ist die Spange Nord nicht problematisch für die Lebensqualität. Er selbst lebt im Quartier, durch das der Autobahnzubringer führen soll. «Im Friedental stehen ja keine Häuser – ich sehe gar kein Problem bei dieser Zufahrt.» Im Gegenteil, es entlaste das Zentrum «der schönsten Stadt der Schweiz» vom Verkehr.
Die Rot-Grüne Verkehrspolitik führe in eine Sackgasse – die Verlagerung vom Auto auf den öV stosse an seine Grenzen: «Bereits heute liegt der öV-Anteil in der Schweiz bei 35 Prozent. In den Städten wesentlich höher. Ausserdem könne man das Verkehrsverhalten der Leute nicht so einfach steuern: «Die Pendler lassen sich nicht in den Bus zwingen und wenn es kalt wird, wollen die meisten nun mal in den geheizten Bus steigen statt Velo fahren.» Die Pendler würden eben immer die für sie bequemste Lösung wählen. Solange der Durchgangsbahnhof nicht gebaut ist, werde der öffentliche Verkehr in der Agglomeration mehrheitlich über die Strasse abgewickelt: «Wenn es Stau hat, steht nun mal auch der Bus.»
«Das Astra stellt sich verständlicherweise auf den Standpunkt, ohne Spange Nord kein Bypass.»
Georges Theiler, alt Ständerat
Doch was bleibt als Alternative zum Stau auf der A14, bis der Bypass im besten Fall in zehn Jahren kommt? «Bei diesem Stadtrat kann man nur die Schultern zucken», sagt Theiler. Er hofft auf die politische Wende: «Irgendwann dreht der Wind in der Stadtbevölkerung gegen die radikale Verkehrsideologie des Stadtrates, wenn der Leidensdruck zu gross wird.» Dabei hat er auch bereits einen bestimmten Magistraten im Kopf: «Es wäre nicht der erste Verkehrsdirektor in der Schweiz, der abgewählt wird.» Der Grüne Adrian Borgula stösst auf wenig Gegenliebe auf dem Land. «Die politischen Differenzen sind ein riesiges Problem.»
Gibt das Astra nach?
Doch am Grossprojekt führe kein Weg vorbei: «Eine Alternative zum Bypass gibt es nicht.» Zwar habe man in Bundesbern diverse Projekte auf ihre Wirksamkeit geprüft – diese Lösung sei gegen das Stauproblem vor Luzern die beste Variante. Eine grössere Umfahrung der Stadt, die ebenfalls zur Debatte stand, hatte auch beim Kanton keine Chance.
Sollte der Stadtrat jedoch bei seinem Nein-Kurs zur Spange Nord bleiben, so sei der Bypass dennoch nicht am Ende: «Das Astra stellt sich zwar verständlicherweise auf den Standpunkt, ohne Spange Nord kein Bypass.» Doch das könne sich auch ändern: «Die Zentralschweiz braucht eine Lösung, um das Luzerner Nadelöhr auf der Nord-Süd-Achse zu beseitigen.»
(Bild: bra)
Finanzierung des Durchgangsbahnhofs gesichert
Während Theiler beim Bypass der Stadt zürnt, sieht er eine bessere Zukunft für den Durchgangsbahnhof – trotz den Vorbehalten aus Bern (zentralplus berichtete). «Mit dem Bahnfonds FABI ist die Finanzierung des Projekts grundsätzlich gesichert.» Die Frage ist nur, wann die Bagger auffahren. Damit das Projekt in der ersten Tranche berücksichtigt wird, sei entscheidend, dass der Kanton Luzern eine Vorfinanzierung leistet. «Dank der tiefen Zinsen war die Situation noch nie so günstig wie jetzt.» Der Kantonsrat hat den Regierungsrat mit der Prüfung eines solchen Vorschusses beauftragt. «Es gilt nun den Entscheid des Bundes zu den Modalitäten der Vorfinanzierung abzuwarten.»
Während er dem Stadtrat miserable Noten verteilt bei der Verkehrspolitik, ist er mit dem Regierungsrat zufrieden. Bei seinem parteipolitischen Hintergrund erstaunt dies nicht. Trotzdem hat er einen Tipp für die Kantonsregierung: «Die Kantonsregierung betreibt auf Bundesebene ein erfolgreiches internes Lobbying. Möglicherweise könnte sie auch in den Medien noch für etwas mehr Wirbel sorgen.»
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