Rührender Empfang

Tausende Baarer feiern «ihren» Bundesrat

Neo-Bundesrat Martin Pfister wird in Baar überschwänglich begrüsst. (Bild: wia)

Mit grossem Brimborium wurde der neugewählte Baarer Bundesrat Martin Pfister am Donnerstag in seiner Heimat empfangen. Er wurde beklatscht, geehrt und vom Gemeindepräsidenten mit Socken beschenkt.

Ein Kind in einer Pfadiuniform, mit der unverkennbaren gelb-blauen Baarer Krawatte, läuft in Richtung Baarer Bahnhofplatz. Es ist nicht das einzige, das diesen speziellen Anlass, den Empfang des neu gewählten Zuger Bundesrats Martin Pfister, in seiner Rolle als Pfaderin feiert. Dieser Bundesrat ist den Baarern in seinen diversen Funktionen vertraut: sei es als geneigter Fasnächtler, als Offizier, als Allenwinder oder eben als ehemaliger Baarer Pfader.

Der Bahnhofplatz, den das Kind wenig später mit seinen Eltern erreicht, ist proppenvoll. Sie alle wollen ihren Bundesrat am Donnerstagnachmittag in Empfang nehmen. Gemeinsam mit der Noch-Bundesrätin Viola Amherd (Mitte), mit dem Bundeskanzler sowie diversen National- und Ständeräten ist Martin Pfister im Extrazug aus Bern angereist. Mit dabei sind auch rund 1300 Kinder aus Baar und umliegenden Gemeinden, welche den historischen Moment fähnchenschwingend mitfeiern.

Sie alle warten auf «ihren» Bundesrat Martin Pfister. (Bild: wia)

Wenn Bundesräte durchs Dorf kutschiert werden

Der Empfang an diesem aussergewöhnlich sonnigen und warmen Donnerstagnachmittag ist rundum herzlich. Der Stolz der Bevölkerung über «ihren» Bundesrat ist spürbar, egal, in welchen politischen Gefilden die Leute beheimatet sind. In Baar kennen viele Martin Pfister mehr als Mensch denn als Politiker. Das Wort «gmögig» wird gern verwendet.

In einer Kutsche werden Pfister und seine Frau gemeinsam mit der amtierenden Bundesrätin Viola Amherd durchs Dorf geführt und von allen Seiten beklatscht. Selten erntet Politik so viel Beifall. Begleitet werden sie von National- und Ständeräten, von Kantonsrätinnen, vom Gemeinderat.

In den Zuschauerrängen stehen längst nicht nur Zugerinnen, sondern auch einige Auswärtige. Viele Gspändli aus Martin Pfisters Studentenverbindung Fryburgia sind anwesend, gut erkennbar durch ihre orangen Mützen. Einer von ihnen ist Matthias Halter. «Martin ist nicht nur ein Verbindungsbruder von mir, sondern auch ein guter Freund. Meine Tochter ist sein Gottenmädchen», erzählt er und zeigt auf die junge Frau neben sich. Er sei selbst Historiker und arbeite heute zufälligerweise fürs VBS. «Wir waren überrascht, als Viola Amherd ihren Rücktritt bekannt gab.» Dass nun ein guter Freund in die Fussstapfen der Verteidigungsministerin tritt, sei für Halter und seine Familie ein guter Grund, um nach Baar zu reisen.

Matthias Halter, Pfisters guter Freund aus Studentenzeiten, mit seiner Frau und Tochter. Sie ist das Gottenmädchen von Pfister.

Ein ungewöhnlich gerührter Martin Pfister

Währenddessen schleicht der Umzug durch die Dorfstrasse, geradeaus in Richtung Marktgasse, umgeben von wohl Tausenden Menschen. Dem frisch gewählten Bundesrat, der wenig später beim Schwesternhaus auf der Bühne steht, geht die Szene nahe. Dass er zu Hause ist, merkt man nicht zuletzt daran, wie er die Bevölkerung anspricht: «Liebe Baarerinnen und Baarer, mir kommen die Tränen, wenn ich euch sehe.»

Dann erzählt Pfister eine Anekdote, die so herzig wie verblüffend ist: «Als ich in der 1. Klasse war, an einem der ersten Schultage im Schulhaus Allenwinden, kam eine Logopädin vorbei. Frau Dossenbach hiess sie, viele dürften sie noch kennen.» Tatsächlich beginnen einige im Publikum zustimmend zu lachen. «Wir mussten ein paar Sätze vor ihr vortragen, und sie entschied: Du musst zu mir kommen. Ich war überzeugt dagegen und sagte das auch klar. Sie fuhr jedoch fort: Wenn du einmal Bundesrat werden möchtest, dann musst du zu mir kommen.» Die Menge lacht. «Ich erklärte ihr, dass ich nicht Bundesrat werden wolle. Letztlich bin ich doch zu ihr. Sie sehen, welche Folgen so etwas haben kann.»

Martin Pfister blickt hinüber zur Rathaus Schüür, die vom Schwesternhaus gut sichtbar ist. «Hier schliesst sich der Kreis. In der Rathaus Schüür gab ich meine Kandidatur bekannt. Das ist nicht einmal zwei Monate her. Mir scheint es, als seien es zwei Jahre.»

Martin Pfister wurde mit einem extra Bundesrat-Bier gefeiert. (Bild: wia)

Ein warmer Tag gegen den rauen Berner Wind

Während der Wochen vor seiner Wahl habe er gemerkt, dass der Wind in Bern etwas rauer wehe als jener im Kanton Zug. «Doch habe ich auch gemerkt, dass die Stimmung im Bundesrat besser ist, als man es vermuten würde», so Pfister. Aus seinen Worten lässt sich erkennen, dass der Zuger sehr wohl weiss, worauf er sich mit seiner Wahl eingelassen hat. Er blickt in die Menge und sagt: «Ich werde mich in weniger fröhlichen Momenten gerne an diesen Tag erinnern.»

«Der grösste Feind der Demokratie ist die Gleichgültigkeit.»

Martin Pfister, neu gewählter Zuger Bundesrat

Er sagt: «Ich durfte neun spannende Jahre in Zug Regierungsrat sein. Ohne diese Erfahrung, und damit auch ohne Sie, wäre ich heute nicht als gewählter Bundesrat hier. Ich werde Zug im Herzen tragen.» Zum Schluss richtet er einen Appell an die Bevölkerung: «Bleiben Sie zuversichtlich, engagieren Sie sich in der Gesellschaft. Der grösste Feind der Demokratie ist die Gleichgültigkeit.»

Das Drehbuch fürs Fest existierte bereits

Innert kürzester Zeit ein würdiges Fest für so viele Menschen aus dem Boden zu stampfen, ist keine leichte Aufgabe (zentralplus berichtete). Doch die Gemeinde Baar hatte Glück. «Das Drehbuch stand bereits seit der Bundesratskandidatur von Thomas Aeschi vor zehn Jahren», erklärt der Gemeindepräsident Walter Lipp (Mitte). Auch Aeschi ist ein Allenwinder. Er verlor jedoch die Wahl gegen Guy Parmelin (zentralplus berichtete).

«Er ist einer von uns», äussert sich Lipp bei seiner Ansprache, «und er gehört zu Baar wie die Kirche und das Rathaus.» Als Geschenk überreicht Walter Lipp seinem Parteikollegen Martin Pfister schmunzelnd ein Paar Socken, die nicht einer gewissen Symbolik entbehren. «Für das Wohlgefühl und Wärme, wenn es etwas kühler werden sollte.» Pfister ist nicht der Einzige, der Socken mit der Aufschrift «unverwechselbaar» – das Motto der Baarer Schulen – erhält. Der Gesamtbundesrat wird beschenkt.

Und egal, wie rau der Wind in Bern weht und wie kalt Pfisters Füsse als Bundesrat werden: «Hier wirst du immer willkommen sein», verspricht der amtierende Landammann Andreas Hostettler (FDP) seinem bald ehemaligen Regierungsratskollegen. «Auch, wenn die Vorschusslorbeeren verblasst sein werden.»

Verwendete Quellen
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