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Die SVP steckt im Chaos: Ein Whistleblower wird ausgeschlossen, interne Machtkämpfe schwelen, und die Parteiführung ringt um Kontrolle.
Die SVP der Stadt Luzern hat turbulente Monate hinter sich. Was mit einer Affäre um kurzzeitig verschwundene Parteigelder begann, mündete in Rücktritten, Anzeigen und einem erbitterten Rechtsstreit.
Nun hat die Partei entschieden: Der Mann, der die Affäre öffentlich gemacht hat, Yves Holenweger, wird ausgeschlossen. Für ihn sei das «Orban-Politik», wie er zentralplus sagt.
25’000 Franken auf Privatkonto – dann der Eklat
Im Sommer 2024 wird bekannt, dass der damalige Parteipräsident Dieter Haller 25’000 Franken vom Parteikonto vorübergehend auf sein Privatkonto überwiesen hat. Alt-Grossstadtrat Yves Holenweger macht den Vorgang öffentlich. Die Parteileitung reagiert mit einem Parteiausschlussverfahren gegen ihn. Haller tritt von allen Ämtern zurück, bleibt aber Parteimitglied (zentralplus berichtete).
Die Fronten verhärten sich. Holenweger stoppt gerichtlich eine Mitgliederversammlung und führt einen Rechtsstreit mit der Partei. Am Ende bekommt er teils recht: Sein Rekurs gegen den Parteiausschluss muss vor den Mitgliedern behandelt werden – obwohl der Parteiausschluss längst zurückgezogen worden ist (zentralplus berichtete).
Am Dienstagabend ging die lange blockierte Versammlung dann über die Bühne – und machte selbst erfahrene Politbeobachter sprachlos.
Yves Holenweger gegen den Vorstand der SVP Stadt Luzern
Denn: Die Versammlung in der Wirtschaft zum Schützenhaus geriet zur Abrechnung. Wut, Vorwürfe und hitzige Diskussionen prägten den Abend. Eugen Zanolla, SVP-Urgestein und Schausteller, wetterte: «In über 30 Jahren bei der SVP habe ich so eine Scheisse noch nie erlebt.» Ein Kindergarten sei das.
Zuvor hatten sich die Protagonisten des Konflikts über Stunden vor mehr als 30 Parteimitgliedern und einigen wenigen eingeladenen Journalisten regelrecht bekriegt.
Auf der einen Seite der Parteivorstand, der die Verfehlungen von Dieter Haller einst intern regeln wollte. Auf der anderen Seite Holenweger, bewaffnet mit einem dicken Ordner und einer 90-seitigen Powerpoint-Präsentation. Er versuchte, die Parteimitglieder vom Fehlverhalten der Parteileitung im Umgang mit der Haller-Affäre zu überzeugen.
Einige wenige Unterstützer hatte er: Sie kritisierten, dass der eigentliche Skandal – Hallers Finanztransaktion – kaum Konsequenzen habe, während Holenweger nun für seine Enthüllung aus der Partei fliegen solle.
Whistleblower muss gehen, Vorstand wird wiedergewählt
Doch der Vorstand blieb hart. Holenweger habe das Thema in die Medien gebracht, Daten weitergegeben und die Partei mit einem teuren Rechtsstreit belastet. Daher empfahl die Parteileitung seinen Ausschluss – dieser Empfehlung folgten schliesslich 22 Anwesende. Nur sieben Personen stimmten dagegen.
Einer, der an diesem Abend auf der Seite von Yves Holenweger stand, war der ehemalige Stadtratskandidat der SVP, Peter With. Er verlangte gar, den Vorstand nicht wiederzuwählen, bis der ganze Vorfall aufgearbeitet sei.
Marcel Lingg aus dem Vorstand erwiderte: «Wenn wir nicht die Aufgabe bekommen, die Partei weiterzuführen, dann stehen wir im Niemandsland. Dann sind wir kaputt.» Der Rechtsstreit mit Holenweger hat die ohnehin bei Wahlen schwache Stadt-SVP monatelang gelähmt, sie konnte vor den letzten Abstimmungen nicht einmal Parolen fassen.
Die Mehrheit der Anwesenden sah es ähnlich. Sie wählten den alten Vorstand erneut und machen Marko Hotz zum neuen Präsidenten. Beide Voten erfolgten fast einstimmig.
Vorwürfe an Peter With – und ein geheimer Bericht
Peter With kassierte für seine Position scharfe Kritik vom Parteivorstand. Er stecke mit Holenweger unter einer Decke. Das 160-seitige Rekursdokument am Dienstag vorzulegen, sei eine Abrechnung für die letzten Stadtratswahlen, bei denen die SVP ihn nicht in den zweiten Wahlgang geschickt habe. Im Rekurs enhalten ist nämlich ein 40-seitiger kritischer Erfahrungsbericht Withs zu den Vorgängen in der Partei.
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With stritt die Verbandelung ab. Er habe den Bericht für «Futurum» geschrieben, eine Arbeitsgruppe der SVP, die sich kritisch mit den Misserfolgen bei den Wahlen 2016, 2020 und 2024 befasst hat. Dass der Bericht im Rekurs öffentlich werde, habe er nicht zu verantworten, sondern Holenweger.
Den 70-seitigen Bericht von «Futurum» will die Partei bei der nächsten Mitgliederversammlung diskutieren – bislang haben ihn nur wenige gesehen. Auch er soll das ein oder andere pikante Detail enthalten.
Sicherlich wird es auch um den ehemaligen Präsidenten Dieter Haller gehen, gegen den aktuell eine Strafuntersuchung läuft. Yves Holenweger hat Anzeige eingereicht. Der Vorstand der Partei erklärte am Dienstag, sich daran nicht zu beteiligen. Denn es sei kein Schaden entstanden.
Der Whistleblower ist raus – doch die Geschichte ist nicht vorbei
Ebenfalls justiziabel könnte es erneut für die Parteileitung werden. Denn nachdem Yves Holenwegers Rausschmiss vollzogen war, verliess dieser resolut mit seinem Ordner den Raum. Ob er weitere Verfahren anstrebe, wollte er weder bestätigen noch dementieren. «Keine Schnellschüsse», sagte er.
Und was sagt der Vorstand zum Vorwurf, den Ex-Präsidenten in der Partei zu behalten und den Whistleblower rauszuwerfen? Man warte das Strafverfahren gegen Haller ab, heisst es. Haller selbst habe seinen Austritt bereits angeboten. Und zum Vorwurf der «Orban-Politik»? «Das halte ich für übertrieben. Yves Holenweger sagt das wegen seiner Niederlage», meint Marcel Lingg nach der Versammlung.
Mitglieder der SVP Stadt Luzern wünschen Aufarbeitung
Der neue Vorstand besteht aus Präsident Marko Hotz, Vizepräsident Timo Lichtsteiner, Kassier Marcel Lingg, Plakatchef Werner Held sowie Grossstadtrat Patrick Zibung und Kantonsrat Thomas Gfeller.
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Tatsache ist: Die Partei hat am Dienstag aufgeräumt. Der Boykotteur ist draussen, seine wenigen Unterstützer sind merklich verstummt. Dennoch merkt man, dass auch viele andere Parteimitglieder eine Aufarbeitung der Vorgänge rund um Dieter Haller und die Rolle der Parteileitung wünschen.
Jemand sagt: «Die Kasse kommt mir vor wie eine Prostituierte, da geht jeder rüber.» Der Saal tobt, Blicke richten sich zu den Journalisten in der letzten Reihe. Dort wird fleissig mitgeschrieben. So ungeschönt bekommt die Öffentlichkeit nur selten Einblick in interne Parteikämpfe.