Zuger Institutionen sollen nicht gezwungen werden

Suizidhilfe in Altersheimen: Regierung hält wenig von Gesetz

Der Regierungsrat erachtet es nicht als sinnvoll, dass Altersheime zwingend Suizidhilfe bei sich ermöglichen müssen. (Bild: Symbolbild: Adobe Stock)

Die Regierung hält es für unnötig, dass Zuger Pflegeinstitutionen assistierte Suizide in ihren Räumen zulassen müssen. Nicht nur die GLP-Fraktion, sondern auch die Sterbehilfeorganisation Exit sieht das ganz anders.

Wer schwerkrank oder pflegebedürftig ist und selbstbestimmt aus dem Leben schreiten möchte, soll das tun können. Geht es nach der GLP-Fraktion, sollen Patienten in Spitälern und Kliniken sowie Bewohnerinnen von Institutionen der Langzeitpflege einen gesetzlichen Anspruch auf Suizidhilfe durch externe Dritte in den Räumlichkeiten dieser Einrichtungen erhalten (zentralplus berichtete).

Als Grund für den Vorstoss nennen die Motionärinnen, dass die Bevölkerung immer älter werde und immer mehr Menschen ihr Lebensende in Pflegeinstitutionen verbringen würden. Zwar würden diverse Institutionen Suizidhilfe durch Drittorganisationen erlauben, doch es bestehe kein Rechtsanspruch darauf, begleitete Suizide in den Räumlichkeiten der Pflegeinstitution zu vollziehen. Es sei nicht angemessen, wenn jemand sein Lebensende nicht in seiner gewohnten Umgebung verbringen könne, heisst es im Vorstoss weiter.

Regierungsrat ist nicht begeistert

Nun hat der Regierungsrat den Vorstoss beantwortet. So viel vorweg: Er ist nicht begeistert. «Mit Blick auf den von der Motionärin geforderten Anspruch auf externe Suizidhilfe in Spitälern und Kliniken – darunter fallen nebst dem Zuger Kantonsspital und der Andreas Klinik zum Beispiel auch die auf Psychiatrie und Psychotherapie spezialisierte Klinik Zugersee – überzeugt diese Argumentation nicht», so die Regierung.

«Anspruch auf externe Sterbehilfe in Patientenzimmer lässt sich nicht begründen.»

Zuger Regierung

Bei Spitälern und Kliniken handle es sich nicht um Institutionen der Langzeitpflege und es würden sich dort Patienten jeglichen Alters befinden. «Da zum Patientenzimmer keine emotionale Bindung besteht und dieses zudem oft mit anderen Patientinnen geteilt wird, lässt sich ein gesetzlicher Anspruch auf externe Suizidhilfe im Patientenzimmer nicht begründen», so die Antwort. «Auch ein gesetzlicher Zwang, für Suizide besondere Räumlichkeiten andernorts auf dem Spital- oder Klinikgelände zur Verfügung zu stellen, liesse sich nicht rechtfertigen.»

Andere Kantone kennen Gesetz

Im Kanton Zug gibt es bezüglich dem selbstbestimmten Lebensende keine gesetzlichen Vorschriften, und auch im Bundesrecht besteht keine ausdrückliche Regelung dieser Materie. Anders in gewissen anderen Kantonen. So kennen unter anderem Waadt, Genf und Neuenburg entsprechende Gesetze.

Der Zuger Regierungsrat präzisiert: «So sieht es der Kanton Neuenburg vor, dass vom Kanton als gemeinnützig anerkannte Institutionen verpflichtet sind, die Tätigkeit externer Suizidhilfeorganisationen in ihren Räumlichkeiten zu dulden; alle übrigen Institutionen müssen über ihre Haltung in Bezug auf die Beihilfe zum Suizid informieren.» Diese Bestimmung sei gemäss Bundesgericht rechtens.

Auch der Kanton Zürich kennt seit 2023 ein entsprechendes Gesetz. Dort gibt es aktuell gar Bestrebungen, um Suizidbeihilfe auch in Spitälern und Gefängnissen zu ermöglichen.

Heute können die Institutionen selber entscheiden

Anders sehe es bei Institutionen der Langzeitpflege aus. Da diese den einzigen Lebensort ihrer Bewohner darstellen, erachtet die Regierung bei bestehendem Sterbewillen den Wunsch nach einem Suizid im gewohnten Umfeld als nachvollziehbar. Diverse solche Institutionen würden es externen Suizidhilfeorganisationen bereits heute erlauben, Bewohnerinnen in ihren Räumlichkeiten beim Suizid zu begleiten.

Aber: Sie müssen nicht. Somit kann es sein, dass ein Bewohner eines Zuger Pflegeheims, der etwa mit Exit aus dem Leben scheiden möchte, dafür woanders hingehen muss. Das empfindet der Regierungsrat als zumutbar. Oder, anders gesagt: Es sei für ihn nicht angezeigt, Einrichtungen dazu zu zwingen, in ihren Räumen Suizidhilfe zu dulden. Dies insbesondere, wenn die Institutionen sich bewusst dagegen entschieden hätten. Sei es aus weltanschaulichen oder religiösen Gründen oder aus Rücksicht auf die übrigen Bewohner.

Beim Eintrittsgespräch muss Suizidhilfe thematisiert werden

Zudem prüfe die Gesundheitsdirektion bereits heute beim Verfahren um Erteilung der Betriebsbewilligung von Institutionen, ob diese bei den Eintrittsgesprächen das Thema Suizidhilfe ansprechen. Dieses Kriterium des Qualitätsmanagements sorge dafür, dass die künftigen Bewohner wissen, welche Haltung in Sachen Suizidhilfe die jeweiligen Institutionen vertreten würden.

Weiter gibt der Regierungsrat zu bedenken, dass sich bei der Schaffung eines entsprechenden Gesetzes diverse Detailfragen stellen würden. Welche Institutionen sind verpflichtet, Suizidhilfe zuzulassen? Bestünde der Anspruch für Bewohner von Anfang an oder erst nach einer gewissen minimalen Wohndauer? Dürften Einrichtungen spezifische Ansprüche an die Sterbehelfer stellen? Und wo in der Institution würde die Suizidhilfe geleistet, damit die übrigen Bewohnerinnen nicht damit konfrontiert würden?

GLP ist nicht einverstanden mit dem Regierungsrat

Motionärin Tabea Estermann ist der Ansicht, dass sich die Zuger Regierung viel zu viele Fragen stellt. «Der Regierungsrat schiebt unterschiedliche Gründe vor, die auf mich wie ein Ablenkungsmanöver wirken. Aber es scheint mir, dass eine entsprechende Regelung einfach nicht in ihre Weltanschauung passt.»

«Der Mensch allein darf entscheiden, ob er sein Leben noch weiterführen möchte.»

Tabea Estermann, GLP-Kantonsrätin

Estermann führt aus: «So ist doch die Frage völlig irrelevant, ob eine Heimbewohnerin gleich vom ersten Tag an Anspruch hat oder erst nach einer gewissen Zeit. Das Leben gehört nur dem Menschen selber. Und er allein darf entscheiden, ob er es noch weiterführen möchte. Nicht seine Familie, kein Gott, und erst recht keine Heimleitung.»

Dass gewisse Institutionen Sterbehilfe in ihren Räumlichkeiten aus religiösen Gründen nicht zulassen, lässt die GLP-Fraktion demnach nicht gelten.

«Einen Punkt, den ich jedoch als relevant empfinde, ist jener, dass andere Heimbewohner nicht tangiert werden. Doch können das die Heime selber regeln, ob es beispielsweise spezifische Räume innerhalb der Institution gibt, in denen Personen freiwillig sterben können», sagt die Kantonsrätin weiter.

Transportiert werden, um sterben zu dürfen? Gemäss Exit unzumutbar

Mit ihrer Haltung bläst die GLP ins selbe Horn wie die Sterbehilfeorganisation Exit. Mediensprecherin Danièle Bersier äussert sich auf Anfrage wie folgt: «Das Recht, zu bestimmen, wann und wie eine Person ihr Leben beenden möchte, ist ein Grundrecht und nicht verhandelbar.» Sie ergänzt: «Viele Menschen, die in Pflegeheimen leben und mit Exit aus dem Leben scheiden, sind seit Jahren dort zu Hause. Dass man Schwerstkranke, die gebrechlich sind und grosse Schmerzen haben, mit der Ambulanz an einen anderen Ort transportiert, wo sie sterben dürfen, ist unmenschlich und geht nicht.»

Sie sagt: «Institutionen, die den assistierten Suizid nicht zulassen, argumentieren nicht primär mit religiösen Vorbehalten, sondern damit, dass die Belastung für einzelne Mitarbeitende zu gross sei. Doch das ist einfach zu lösen: Man kann dafür sorgen, dass diese Person an jenem Tag nicht arbeitet.» Das Argument des Nachahmungseffekts sei gemäss Bersier unsinnig. «Es gibt sehr klare und strikte Kriterien dafür, ob jemand mit Exit sterben kann.»

Die Sterbehilfeorganisation würde gern noch einen Schritt weiter gehen als die GLP. Exit setzt sich dafür ein, dass Suizidbeihilfe auch etwa von Menschen in Anspruch genommen werden kann, die im Gefängnis leben. «Unser Argument ist immer dasselbe. Wenn ein Exit-Mitglied die Kriterien für einen assistierten Suizid erfüllt, unterstützen wir es, unabhängig von den Lebensumständen.»

So weit geht die Zuger GLP-Fraktion nicht. Sie könnte auch damit leben, wenn Spitäler aus der geforderten Regelung ausgenommen würden. «Wir hoffen demnach weiterhin, dass der Kantonsrat die Motion teilerheblich erklärt», so Estermann.

Verwendete Quellen
  • Bericht und Antrag des Zuger Regierungsrats
  • Mündlicher Austausch mit Tabea Estermann
  • Mündlicher Austausch mit Exit
  • Informationen des Kanton Zürich zur Regelung

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