SVP geht auf die Barrikaden

Streit um 85-Prozent-Impfquote an Zuger Schule entbrannt

An den Zuger Berufsschulen müssen die Lernenden auch während dem Unterricht Maske tragen. (Bild: Andreas Busslinger)

Die SVP des Kantons Zug tobt. Ein Zuger Rektor soll «inakzeptablen Druck» auf nichtgeimpfte Jugendliche ausüben. Bei einer bestimmten Impfquote in der Klasse soll nämlich die Maskenpflicht wegfallen. Es zeigt sich: Der Druck kommt von ganz oben.

Eine komplizierte Integralrechnung lösen, die Bestandteile eines Kiefers auswendig lernen oder den Reifendruck von Pascal in Bar umrechnen. An den Zuger Berufsschulen rauchen seit dieser Woche wieder die Köpfe. Rote Köpfe bescheren hingegen die Corona-Massnahmen, die die Schülerinnen einhalten müssen.

Denn auch im neuen Schuljahr gilt: Maske auf. So zum Beispiel am Gewerblich-industriellen Bildungszentrum Zug GIBZ. Dort gilt eine Maskenpflicht in allen Innenräumen – auch im Schulzimmer sitzend. Ausser, es haben sich genug Schüler gegen Corona impfen lassen.

Die Junge SVP des Kantons Zug schlägt genau deswegen Alarm. In einer Mitteilung brüskiert sich Präsidentin Kathi Büttel über eine E-Mail des GIBZ-Rektors. Und holt sich Unterstützung bei der Mutterpartei. Streitpunkt: Jugendliche würden unter Impfdruck gesetzt.

Zug lockt mit 85-Prozent-Quote

In der E-Mail, die zentralplus vorliegt, bewirbt die Schulleitung eine hohe Impfquote als «Schlüssel zur gesellschaftlichen Normalisierung». Die Impfung schaffe im Privaten und in der Schule Sicherheit. Der Rektor startet einen Impfaufruf. Und lockt mit einer expliziten Zahl: «Zudem kann bei einer Impfquote von über 85 Prozent innerhalb einer Klasse auf Masken im Schulzimmer verzichtet werden.»

Die Quote lässt aufhorchen. Denn damit eine solche überhaupt festgestellt werden kann, müssten die Schülerinnen ihren Impfstatus ja in irgendeiner Form bekannt geben. Oder, wie es die Junge SVP interpretiert: «Damit zwingt er die Schüler/innen zur Bekanntgabe, ob sie geimpft sind oder nicht und erzeugt einen inakzeptablen Druck auf noch nicht geimpfte Jugendliche.»

Sowieso nimmt die Partei die Erkenntnis, dass auch geimpfte Personen das Virus in sich tragen und daran erkranken können, als Anlass dazu, der Schulleitung «falsche Angaben» vorzuwerfen.

Gleich sieht es die SVP des Kantons Zug. Mehrere Kantonsräte haben gestern Abend eine kleine Anfrage an den Regierungsrat geschickt. Auch die Mutterpartei stört sich daran, dass Schüler damit zur Bekanntgabe des Impfstatus gezwungen würden. «Dieser Aufruf gefährdet das Wohl der Jugendlichen, weil er zu Mobbing und Ausgrenzung führen kann.»

Der Regierungsrat soll nun klären, auf welchen Fakten diese 85 Prozent basieren. Oder ob es eine gesetzliche Grundlage für den «indirekten Impfzwang und die Druckausübung auf die Jugendlichen» gäbe. Die SVP-Politikerinnen wollen gar wissen, ob der Gesamtregierungsrat bereit wäre, die angeordneten Vorgänge umgehend zu stoppen.

Tiefe Impfquote unter Zuger Jugendlichen

Doch wie Recherchen von zentralplus zeigen, wurde der Impfaufruf gar von Mitgliedern des Regierungsrats selber abgesegnet und formuliert. Noch bevor die SVP gestern Abend die Anfrage verschickt hat, hat sich zentralplus mit der Volkswirtschaftsdirektorin Silvia Thalmann-Gut ausgetauscht. Da der Regierungsrat nun gemeinsam eine Antwort auf die Anfrage formulieren muss, darf sich Thalmann-Gut nicht mehr direkt zum Vorfall äussern.

Die E-Mail mit dem Impfaufruf wurde aber nicht vom Rektor verfasst. Sondern von der Volkswirtschafts- und Gesundheitsdirektion. Diese hatte sich kurz vor Schulstart zu einem letzten Meeting getroffen und analysiert, wie die sich nun wieder grössere Virenaktivität eingedämmt werden kann. Ein wichtiges Ziel war dem Vernehmen nach, dass die Schülerinnen möglichst auf die Maske verzichten können.

Volkswirtschaftsdirektorin Silvia Thalmann-Gut hofft auf einen Impf-Boost unter Jugendlichen. (Bild: Elias Wyrsch)

Deshalb werden die Reihentests ab der 4. Primarklasse weiterhin zweimal pro Woche durchgeführt, die Maskenpflicht ist damit obsolet. Da die Berufsschüler jedoch häufig nur einmal in der Woche zum Unterricht müssen, fällt die Möglichkeit der Reihentests weg. Auch der nötige Abstand kann im Schulzimmer aus Platzgründen nicht immer eingehalten werden. Daher war für die Entscheidungsträgerinnen klar: Es müssen sich genügend Schüler impfen lassen.

Aus diesem Grund wurde der Impfaufruf lanciert. Denn die Zahlen zeigen: Gerade unter Jugendlichen ist die Impfquote noch tief. Gemäss aktuellen Zahlen des BAG haben sich knapp 21 Prozent der 10- bis 19-Jährigen im Kanton Zug vollständig gegen Corona impfen lassen (zentralplus berichtete).

Die 85-Prozent-Quote wurde gemäss Informationen von zentralplus vom Kantonsarzt Rudolf Hauri vorgeschlagen. Das Bundesamt für Gesundheit BAG nämlich beteuert auf Anfrage, keine solche Quote in Umlauf gebracht zu haben. Mit dieser werde kein Druck erzeugt, betonte die Regierungsrätin gestern im Gespräch mit zentralplus. Das oberste Ziel sei die Unterbindung der Virenverbreitung.

Kommt hinzu: Sollte der Bundesrat nächsten Mittwoch definitiv beschliessen, dass Corona-Tests für Ungeimpfte ab Oktober kostenpflichtig werden, könnten sich Jugendliche jetzt noch rechtzeitig impfen lassen.

Wallis geht mit ungeimpften Schülern hart ins Gericht

Nur ein zentraler Punkt bleibt offen: Wie genau soll festgestellt werden, ob 85 Prozent einer Klasse geimpft ist? Angesprochen darauf verweist der Rektor des GIBZ ebenfalls auf die eingereichte Anfrage der SVP. Der Gesamtregierungsrat müsse diese und die weiteren Fragen nun innert 30 Fragen beantworten. Bis es so weit ist, seien die Schulen zu keiner Antwort legitimiert.

Klar ist hingegen, dass Zug mit der Thematik nicht alleine dasteht. Deutlichen Druck auf die Schülerinnen übt der Kanton Wallis aus. Dort müssen nur Gymi- und Berufsschüler, die nicht geimpft sind, weiterhin Masken tragen. Nur wer geimpft, getestet oder genesen ist, wird auf dem Schulareal von der Maske befreit, berichtet «20Minuten». Die Schüler müssen in einer schriftlichen Erklärung Auskunft über ihren Impfstatus geben. Bei Falschangaben drohen 5000 Franken Busse.

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Michel Mortier
    Michel Mortier, 21.08.2021, 12:47 Uhr

    Wir leben in einer Demokratie. Warum werden die Schüler und Schülerinnen in jeder Klasse nach einer Diskussion nicht gefragt, ob sie zustimmen oder nicht? Warum muss das die Politik entscheiden?

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    • Profilfoto von mvonrotz
      mvonrotz, 23.08.2021, 12:15 Uhr

      Sorry, aber eine Schule war und ist keine Demokratie. Dort gibt es Regeln und Vorschriften und Anordnungen und Schüler haben nun mal da kein Mitspracherecht. Der Kanton gibt die Vorschriften für die Schulen und dort kann vom Stimmvolk über die Wahl der Politiker sowie Initiativen/Petitionen Einfluss genommen werden.

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