«Politiker haben Vorbildfunktion»

Stiftung gegen Rassismus kritisiert Nationalrat Thomas Aeschi

Thomas Aeschis Äusserung im Nationalrat wird als rassistisch kritisiert. (Bild: Archivbild: Screenshot Nationalratsdebatte)

Der Auftritt von Thomas Aeschi im Nationalrat ist in der Schweizer Rassismus-Chronologie gelandet. Für Geschäftsleiterin Dina Wyler ist klar: Der Zuger Politiker nutzt die Situation aus, «um gegen Minderheiten zu hetzen».

War die Äusserung von Thomas Aeschi letzte Woche im Nationalrat rassistisch oder nicht? Die Frage gibt derzeit in den sozialen Medien viel zu reden. Wörtlich sagte der Zuger SVP-Fraktionschef im Bundeshaus: «Ausländer, welche in der Ukraine wohnen, aber eben nicht Ukrainer sind, sollen in ihr Heimatland zurückgehen. Es darf nicht sein, dass Nigerianer oder Iraker mit ukrainischen Pässen plötzlich 18-jährige Ukrainerinnen vergewaltigen!»

Rassistisch? Thomas Aeschi widerspricht

In der SRF-Sendung «Arena» präzisierte Aeschi am Freitag, dass er in seinem Votum Bezug genommen habe auf die Vergewaltigung einer ukrainischen Frau in Deutschland. Die beiden Täter, ein Nigerianer und ein Iraker, hätten einen ukrainischen Pass besessen (zentralplus berichtete). Er stritt ab, dass die Aussage rassistisch gewesen sei.

Moderator Sandro Brotz widersprach dem Zuger Nationalrat. Die eidgenössische Kommission für Rassismus hat sich klar dazu geäussert. Aeschi habe rassistische Stereotype genutzt, um eine Gruppe von Menschen pauschalisierend als Vergewaltiger und Kriminelle darzustellen. Dafür wiederum wird nun der SRF-Moderator auf Twitter teils heftig kritisiert. Er habe sich als Richter aufgespielt, meinen einzelne User. Brotz kontert, es sei seine Aufgabe als Journalist, «die Dinge klar beim Namen zu nennen».

2021 landeten zwei SVP-Nationalräte in der Chronologie

In der Zwischenzeit taucht der Fall auch in der Chronologie «Rassismus in der Schweiz 2022» auf, welche die Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus (GRA) seit 1992 führt. Die Organisation verurteilt die «rassistischen Äusserungen von Nationalrat Thomas Aeschi aufs Schärfste», wie Geschäftsleiterin Dina Wyler auf Anfrage schreibt. Während sich die meisten Politiker mit der zentralen Frage beschäftigten, wie die Situation der Tausenden von Geflüchteten verbessert werden könne, «nutzt Nationalrat Aeschi die Situation, um gegen Minderheiten zu hetzen und negative Stereotype zu fördern», kritisiert sie.

Die Chronologie erfasst alle öffentlich gewordenen rassistischen Vorfälle. 2021 landeten auch Medienberichte im Zusammenhang mit den SVP-Nationalräten Erich Hess und Andreas Glarner in der Zusammenstellung. «Die Vorfälle zeigen, dass auch Politiker:innen, die ja eigentlich eine Vorbildfunktion haben sollten, rassistische Äusserungen machen», meint Wyler.

«Gerade weil Nationalrat Aeschi durch sein Amt Immunität geniesst, ist es umso wichtiger, dass seine Aussage glasklar als das benannt ist, was sie ist – Rassismus.» 

Dina Wyler, Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus

Dass gerade diese Vorfälle von Social Media und den Medien aufgegriffen und diskutiert würden, sei ein wichtiges Zeichen, dass Rassismus in unserer Gesellschaft und vor allem in unserem Parlament keinen Platz hätten. «Gerade weil Nationalrat Aeschi durch sein Amt Immunität geniesst, ist es umso wichtiger, dass seine Aussage glasklar als das benannt ist, was sie ist – Rassismus», so Wyler.

Sie fordert Aeschis Parteikollegen, die verschiedenen Fraktionen und vor allem auch die Parteileitungen auf, dass sie sich von solchen Aussagen distanzieren und sich «unmissverständlich gegen Hetze und Hass im Bundeshaus aussprechen».

Zahl der rassistischen Zwischenfälle steigt

Die GRA-Stiftung hat diesen Montag ihren Jahresbericht präsentiert. Im Vergleich zum Vorjahr weist die Chronologie des Jahres 2021 mit 87 Fällen einen Zuwachs an rassistischen Vorfällen auf (Vorjahr 67). «Ein Grund für die Zunahme der Vorfälle liegt in der anhaltenden Covid-19 Pandemie und den damit einhergehenden Massnahmenprotesten und öffentlichen Äusserungen von Massnahmen- und Impfgegner:innen», heisst es im Bericht.

In diesem Zusammenhang habe es eine deutliche Zunahme an holocaust-relativierenden Vorfällen gegeben. «Auch wenn diese Vorfälle nicht per se antisemitisch waren, verwässern sie in ihrer Gesamtheit das Geschichtsverständnis und sind daher alles andere als harmlos», so der Bericht weiter. Eine Zunahme von Vorfällen habe es ebenfalls bei Sachbeschädigungen und Schmierereien gegeben, wobei nationalsozialistische Symbole, wie das Hakenkreuz, sich besonders häuften.

Verwendete Quellen
  • Chronologie «Rassismus in der Schweiz» 2022
  • Votum von Thomas Aeschi in der Debatte «Krieg in der Ukraine»
  • Rassismusbericht der GRA Stiftung
  • Mailkontakt mit Dina Wyler, Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus (GRA)
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2 Kommentare
  • Profilfoto von oliver.heeb
    oliver.heeb, 27.03.2022, 11:21 Uhr

    Die Art und Weise, wie NR-Aeschi das Thema vorgebracht hat, ist unakzeptabel und zu vereinfachend. Es irritiert auf eine befremdliche Weise, dass Vertreter der SVP immer wieder in diese unsäglichen Fettnäpfe reinlaufen.
    Der Kontrollverlust im Zusammenhang mit der Migrationskrise von 2015 macht aber auch deutlich, dass es durchaus legitim ist, das dahinterliegende Problem anzusprechen. Wer den Zustrom von Flüchtlingen und Migranten nicht kontrolliert, der stellt die Sicherheit des Landes auf das Spiel. Wer erinnert sich nicht an den Sylvester vor dem Kölner Dom, Anis Amri, Bataclan und vieles mehr?
    In diesem Zusammenhang ist die Frage berechtigt, wer die Drittstaatler mit Ukrainischen Pässen sind, woher sie ursprünglich kommen, wie sie eine Ukrainische Staatsbürgerschaft erhalten haben und, ob sie allenfalls ein Sicherheitsrisiko darstellen. Zumindest soviel ist aber auch bekannt: dass viele junge Menschen aus ärmeren Ländern in der Ukraine studieren, weil die Lebenshaltungs- und Studienkosten für sie dort gerade noch erschwinglich sind.

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  • Profilfoto von Oliver Heeb
    Oliver Heeb, 27.03.2022, 10:55 Uhr

    Die Art und Weise, wie NR-Aeschi das Thema vorgebracht hat, ist unakzeptabel und zu vereinfachend. Es irritiert auf eine befremdliche Weise, dass Vertreter der SVP immer wieder in diese unsäglichen Fettnäpfe reinlaufen.
    Der Kontrollverlust im Zusammenhang mit der Migrationskrise von 2015 macht aber auch deutlich, dass es durchaus legitim ist, das dahinterliegende Problem anzusprechen. Wer den Zustrom von Flüchtlingen und Migranten nicht kontrolliert, der stellt die Sicherheit des Landes auf das Spiel. Wer erinnerts sich nicht an den Sylvester vor dem Kölner Dom, Anis Amri, Bataclan und vieles mehr?
    In diesem Zusammenhang ist die Frage berechtigt, wer die Drittstaatler mit Ukrainischen Pässen sind, woher sie ursprünglich kommen, wie sie eine Ukrainische Staatsbürgerschaft erhalten haben und, ob sie allenfalls ein Sicherheitsrisiko darstellen. Zumindest soviel ist aber auch bekannt: dass viele junge Menschen aus ärmeren Ländern in der Ukraine studieren, weil die Lebenshaltungs- und Studienkosten für sie dort gerade noch erschwinglich sind.

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