Luzerner Gemeinden nehmen Stellung

Stellvertreter könnten bald Parlamentsmitglieder ersetzen

Könnten Stellvertreter bald abwesende Politiker vertreten? Im Bild: Sitzung des Krienser Einwohnerrats. (Bild: zvg)

Stellvertreter sollen abwesende Gemeindeparlamentarier im Parlament ersetzen dürfen, fordert ein Luzerner Mitte-Politiker. Die Regierung hat Verständnis für das Anliegen und will Änderungen prüfen.

Krankheit, Mutterschaft oder Militärdienst. Das sind nur einige der Gründe, weshalb Abgeordnete in Gemeindeparlamenten nicht an Ratssitzungen teilnehmen können. Laut dem Mitte-Kantonsrat Tobias Käch ist dies ein Problem. Denn Luzerner Gemeindeparlamente haben lediglich zwischen 30 und 48 Mitglieder. «Fehlen einzelne Mitglieder, hat dies aufgrund der ausgeglichenen Mehrheitsverhältnisse auf die demokratischen Entscheide teilweise grossen Einfluss.»

Der Kanton soll daher die rechtlichen Grundlagen schaffen, damit Stellvertreter abwesende Gemeindeparlamentarier ersetzen können. Der Mitte-Politiker hat dazu im Kantonsrat einen Vorstoss eingereicht. Mitunterzeichnet haben diesen auch Politiker von SP, Grünen und GLP.

Abwesenheiten nicht überall ein Problem

Jetzt hat der Regierungsrat seine Stellungnahme zum Vorstoss eingereicht. Dieser zeigt sich offen für das Anliegen. Auf den ersten Blick erstaunlich, da der Kantonsrat auf Antrag der Regierung eine Stellvertreterlösung im Jahr 2019 ablehnte. Die Regierung sprach damals von einem «nichtexistierenden Problem» (zentralplus berichtete).

Doch bei Gemeindeparlamenten sieht dies die Kantonsregierung anders: «Bei Gemeindeparlamenten mit 30 bis 48 Mitgliedern fallen bereits einzelne abwesende Ratsmitglieder und ihre Stimmen stärker ins Gewicht als im 120-köpfigen Kantonsrat.» Mit der Stellvertreterlösung könnten die Gemeinden gewährleisten, dass bei längeren Absenzen die Mehrheitsverhältnisse in den jeweiligen Parlamenten bestehen bleiben, heisst es vonseiten der Regierung. Zudem werde die Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Milizengagement gesteigert.

Gemäss Vorstoss könnten die Gemeinden selbst entscheiden, ob sie die Stellvertreterlösung einführen möchten. Bis anhin ist dies den Gemeinden nicht möglich, da die entsprechenden gesetzlichen Grundlagen auf Kantonsebene fehlen. Sollte der Kantonsrat den Vorstoss annehmen, würde der Kanton klären, ob vonseiten der Gemeinden überhaupt ein Bedürfnis nach einer Stellvertreterlösung besteht.

Gemeinden wollen Änderungen prüfen

zentralplus hat in den Luzerner Gemeinden, die ein Parlament kennen, nachgefragt. Die Gemeinden Emmen und Horw zeigen sich offen für eine Stellvertreterlösung. «Sollten auf kantonaler Ebene die notwendigen gesetzlichen Grundlagen geschaffen werden, würde die Gemeinde Emmen die Einführung einer Stellvertreterlösung im Einwohnerrat eingehend prüfen, um die damit verbundenen Chancen und Risiken für den hiesigen Parlamentsbetrieb abschliessend beurteilen zu können», schreibt der Emmer Kommunikationsleiter Philipp Bucher auf Anfrage.

«Eine Stellvertretung mag eine Lösung sein, hat aber auch ihre Kehrseite, denn die kontinuierliche Auseinandersetzung mit Sach- und politischen Fragen kann man nicht einfach auf eine Stellvertretung übertragen», schreibt der Horwer Gemeinderat Hans-Ruedi Jung. Abwesenheiten im Gemeindeparlament seien immer wieder ein Thema. Ein dringlicher Bedarf nach einer Stellvertreterlösung «ist bisher aber nicht genannt worden», sagt Jung.

Ebikon führt 2024 ein Parlament ein (zentralplus berichtete). Die Gemeinde könne sich derzeit zu den Fragen von zentralplus nicht konkret äussern, «da uns die Erfahrung eines Gemeindeparlaments bislang fehlt und der Einwohnerrat künftig im Rahmen der Geschäftsordnung über eine Stellvertreterlösung entscheiden wird», schreibt der Kommunikationsverantwortliche Anian Heierli.

Die Stadt Luzern will sich derzeit nicht zur Anfrage äussern, da Anfang Jahr ein Vorstoss zur Stellvertreterlösung im Grossen Stadtrat eingereicht wurde. «Zu Gegenständen, zu denen ein parlamentarischer Vorstoss hängig ist, nimmt die Stadt Luzern praxisgemäss keine Stellung», antwortet Stadtschreiberin Michèle Bucher.

Stellvertreter sollen nicht explizit gewählt werden

In der Schweiz kennen bereits die Kantone Bern und Aargau Stellvertreterlösungen für kommunale Parlamente. Weitere Kantone haben solche für ihre Kantonsparlamente eingeführt.

Die Stellvertretungslösung kann unterschiedlich ausgestaltet werden. Ein Modell sieht vor, dass die Stimmberechtigten die Ersatzleute explizit wählen müssen. Ein anderes Modell sieht vor, dass die Stellvertreter ähnlich wie Ersatzleute von den Listen nachrücken. Sie müssen somit nicht gewählt werden. Der Luzerner Regierungsrat würde dieses Modell bevorzugen. Die Kantonsverfassung müsste in diesem Fall nicht angepasst werden.

Das Geschäft geht nun zur Behandlung in den Kantonsrat.

Verwendete Quellen
  • Stellungnahme des Regierungsrats zur Motion Käch
  • Schriftlicher Austausch mit den Medienstellen der Gemeinden Ebikon, Emmen, Kriens, Horw und Luzern
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1 Kommentar
  • Profilfoto von Marie-Françoise Arouet
    Marie-Françoise Arouet, 30.05.2023, 14:50 Uhr

    Also:
    Ich wähle eine QLBGS+-Person und kriege die meiste Zeit einen SLBTHQ&-Stellvertreter. Das wäre aber gar nicht in meinem Sinn.

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