Steinhauser will für neue Partei ins «Stöckli»

Stefan Thöni: «Ich nerve auf jeden Fall»

Stefan Thöni muss dieses Jahr nichts für den Wahlkampf selbst berappen. (Bild: Barbara Inglin)

Stefan Thöni ist Ex-Pirat, Computerspezialist, und ohne Brille fast blind: Wie das alles zusammenhängt – und warum er jetzt für den Ständerat kandidiert.

Mit 14 Jahren übernahm Stefan Thöni die Kontrolle über den Schulcomputer. Der Lehrer hatte zuvor behauptet, sein Gerät von Macintosh sei unverwundbar. Thöni bezweifelte das – und fand eine Lücke im System. «Ich wollte ihm nur aufzeigen, dass er sich irrt», sagt Thöni und lacht. Die Episode zeigt exemplarisch: Thöni kennt sich aus mit Computern. Und wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat, gibt er nicht auf.

Mittlerweile ist er ausgewiesener Informatiker mit ETH-Abschluss und eigener Firma. Und mit seiner Hartnäckigkeit ärgert der 34-Jährige nicht mehr die Lehrerschaft, sondern Politiker und Verwaltungen. 

Sehbehinderung als Hauptgrund

Doch zuerst kamen die Computer, dann die Politik. Schon als Zehnjähriger bastelte Thöni zuhause in Spiez an alten Geräten herum. Das Digitale, Abstrakte faszinierte ihn. «Hauptgrund dafür ist sicher meine Sehbehinderung», sagt Thöni. Schon als Kind sieht er extrem schlecht, mit Brille erreicht er gerade einmal einen Viertel des normalen Sehvermögens. In der Schule kann er die Schrift an der Wandtafel nicht entziffern. 

«Wie viele Piraten bin ich für die Politik hinter meinem Computer hervorgekommen.»

Stefan Thöni

Thöni muss jedes Mal nach vorne laufen um zu lesen, was an der Tafel steht. Selbst von Hand etwas aufzuschreiben, ist ihm ein Graus. Thöni versucht, sich den Schulstoff anders zu merken, trainiert damit sein abstraktes Denkvermögen. Eine Fähigkeit, die in der Informatik gefragt ist. Gleichzeitig helfen ihm elektronische Hilfsmittel, seine Sehschwäche auszugleichen. Da er Strassenschilder nicht lesen kann, verlässt er sich aufs GPS. Am Bildschirm kann er, dicht davor sitzend und dank grosser Darstellung, lesen, was für ihn in Büchern kaum zu erkennen ist. 

Für Politik hinter Computer hervorgekommen

Vor zehn Jahren noch war Thöni, wie er selber sagt, eher introvertiert. Doch dann kommen die Piraten. Nach dem Vorbild in Schweden und Deutschland gründen sie 2009 in der Schweiz eine eigene Partei. Sie haben sich den Kampf gegen ausufernde Urheberrechte und zunehmende staatliche Überwachung auf die Fahne geschrieben. Themen, die auch Thöni beschäftigen.

Noch im gleichen Jahr tritt er der Partei bei und engagiert sich auf nationaler Ebene und beim Aufbau der Piratenpartei Zentralschweiz. «Wie viele Piraten bin ich für die Politik hinter meinem Computer hervorgekommen», sagt Thöni. Von 2014 bis 2015 leitet er die Zentralschweizer Piraten, danach amtet er für drei Jahre als Co-Präsident der Piratenpartei Schweiz.

Wie damals in der Schule will Thöni auch in der Politik Ungereimtheiten aufdecken. Statt um IT-Kenntnisse geht es ihm jetzt um Transparenz und Rechtsstaatlichkeit. Wenn er sich ärgert, macht er nicht mehr die Faust im Sack, sondern spricht bei Behörden vor, verlangt Akteneinsicht und stellt kritische Fragen. Auf den Ämtern in Zug kennt man ihn mittlerweile. «Ich nerve auf jeden Fall», sagt Thöni. «Aber die Beamten wissen auch, dass ich kein Querulant bin, sondern dass meine Anliegen Hand und Fuss haben. Und dass ich hartnäckig bleibe.»

Kampf bis vor Bundesgericht

Für seine Anliegen geht Thöni nötigenfalls bis vor Bundesgericht. So hat er sich die Herausgabe von Gemeinderatsprotokollen in seiner Wohngemeinde Steinhausen erstritten. Aktuell kämpft er vor dem höchsten Gericht gegen die seiner Meinung nach zu hohen Gebühren, welche ihm das Verwaltungsgericht für die Akteneinsicht verrechnet hat. 

Thöni vertritt seine Fälle vor Gericht selbst. Darum hat er, neben seinem 100-Prozent-Job als Start-Up-Mitbegründers und seinem politischen Engagement, ein Fernstudium in Jus in Angriff genommen. «Mein zweites Hobby neben der Politik», wie er sagt. 

Und immer wieder stellt sich Thöni zur Wahl: 2014 kandidiert er als Regierungs- und Kantonsrat, ein Jahr darauf will er erstmals ins nationale Parlament. 2018 folgen Kandidaturen als Verwaltungsrichter und als Gemeindepräsident von Steinhausen. Die Bemühungen bleiben erfolglos. Thöni stört es nicht, er hat als Vertreter einer Kleinstpartei damit gerechnet. «Es geht mir darum, eine Alternative anzubieten. Man kann nicht immer nur schimpfen, dass die anderen alles falsch machen, sondern muss auch Verantwortung übernehmen.»

Ständeratswahlkampf mit neuer Partei

Darum tritt er bei den anstehenden nationalen Wahlen ein weiteres Mal an. Diesmal für die erst jüngst gegründete, von ihm präsidierte «Partei für Rationale Politik, Allgemeinde Menschenrechte und Teilhabe», kurz PARAT. Mit den Piraten hat Thöni abgeschlossen. Weil ihre Politik nicht über Netzthemen hinausgeht.

Stefan Thöni

Stefan Thöni ist in Spiez im Berner Oberland aufgewachsen. Nach dem Informatikstudium an der ETH Zürich arbeitete er während neun Jahren für die Crypto AG in Steinhausen im Kanton Zug. 2018 gründete Thöni gemeinsam mit ehemaligen Arbeitskollegen die IT-Firma Gapfruit AG. Thöni ist Single und wohnt in Steinhausen. 

Und weil er und seine Zentralschweizer Mitpiraten sich mit der Mutterpartei überworfen haben. Diese hatte toleriert, dass sich ein ins Winterthurer Stadtparlament gewählter Piratenvertreter der SVP-Fraktion anschloss. PARAT zählt aktuell fünf Mitglieder. Die Partei will sich einsetzen für die individuelle Freiheit, die wirtschaftliche und politische Teilhabe aller Menschen und den Klimaschutz. 

Das Wahlkampfbudget ist mit rund 2'000 Franken bescheiden und reicht gerade einmal für den Druck einiger Flyer und Plakate. Standaktionen sind keine geplant, Einladungen zu Podien sind noch keine eingegangen. «Wir wollen mit der Kandidatur vor allem unsere Partei ins Gespräch bringen und vielleicht ein paar Mitglieder gewinnen», sagt er. 

An einen Wahlsieg glaubt nicht einmal Thöni selbst. Zumindest nicht dieses Mal. Das grosse Ziel bleibe aber das nationale Parlament. Oder nach abgeschlossenem Jus-Studium eine Richterstelle. Thöni will auf jeden Fall dranbleiben. Man glaubt ihm aufs Wort. 

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1 Kommentar
  • Profilfoto von André Dünner
    André Dünner, 24.09.2019, 07:54 Uhr

    Irgendwelche Beeinträchtigungen in irgendeiner Weise besagen nichts aus über das gesamte Können eines Menschen. Egal welchen Geschlechts, egal welcher Ethnie, egal welchen Alters, egal …

    Ich erinnere mich an Eddie the Eagle – Alles ist möglich
    Und schon war er in der Luft, sprang und stand, wurde in seiner Art Wahrzeichen für Durchstehvermögen.

    So wohl gibt es noch weitere.

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