Ablehnung der Spange Nord stösst Bund sauer auf

Stauproblem: Astra-Direktor liest der Stadt Luzern die Leviten

Mischten sich unter die Verkehrsprominenz: Astra-Chef Jürg Röthlisberger (links) und Robert Küng (rechts). In der Mitte steht André Kirchhofer vom Nutzfahrzeugverband Astag.

(Bild: les)

Bypass und Spange Nord sollen dereinst die Luzerner Verkehrsprobleme lösen. Nur, der Widerstand gegen die beiden Strassenprojekte ist heftig. Das sorgt für Kritik seitens des Bundes. «Schwer nachvollziehbar», sagt der Direktor des Bundesamts für Strassen (Astra), Jürg Röthlisberger, zu den Bedenken der Stadt, und vermutet ein Dogma.

Das Verkehrshaus der Schweiz hat diesen Mittwoch eine neue Verkehrs-Ausstellung eröffnet (siehe Box am Ende des Artikels). Und dabei geizte man nicht mit Prominenz: Rennsport-Ikone Peter Sauber war ebenso vor Ort wie Miss Schweiz Lauriane Sallin. Aus der Politik waren unter anderem der Luzerner Regierungsrat und Baudirektor Robert Küng und der Direktor des Bundesamt für Strassen (Astra) Jürg Röthlisberger anwesend.

Letztere beiden Herren sind derzeit für die zwei wichtigsten verkehrspolitischen Strassenprojekte im Raum Luzern verantwortlich: das Bundesprojekt Bypass und das kantonale Projekt Spange Nord. Beide sind jedoch sehr umstritten. Gegen den Bypass macht die Krienser Bevölkerung mobil, sie wünscht sich eine Verlängerung des Tunnels (zentralplus berichtete). Bei der Spange Nord stellt sich die Stadt quer, Stadtrat Adrian Borgula bezeichnet das Projekt als für die Bevölkerung «nicht zumutbar» (zentralplus berichtete).

Heftiger Gegenwind also für den Strassenverkehr. Doch was sagt der Bund dazu? zentralplus sprach mit dem Chef der Schweizer Strassen, Jürg Röthlisberger.

zentralplus: Herr Röthlisberger, sind Sie mit dem Auto nach Luzern gekommen?

Jürg Röthlisberger: Klar, wie immer. Ich verhalte mich antizyklisch, wenn ich kann. Das heisst, ich fuhr bereits um 5 Uhr morgens los. Ich stand also keine Minute im Stau.

zentralplus: Wie prioritär wird die Verkehrsproblematik in und um Luzern beim Astra behandelt?

Röthlisberger: Sie steht ganz weit vorne. Die Nationalstrassenprojekte in den Agglomerationen beschäftigen uns intensiv. Wie in der ganzen Schweiz ist der Verkehr auch in Luzern primär hausgemacht. Der Durchgangsverkehr beträgt durchschnittlich nur rund 20 Prozent. Die Lösungsfindung betrifft also auch die lokalen Strassennetze sehr stark.

Busenfreunde Küng und Röthlisberger?

An der Veranstaltung nahm auch der Luzerner Regierungsrat Robert Küng teil. Er lobte die gute Zusammenarbeit mit dem Astra: «Gerade letzte Woche gab es wieder ein Treffen. Man kann fast von freundschaftlichen Gesprächen sprechen.» Auch Küng ist glühender Anhänger beider Projekte, wie er erst kürzlich im zentralplus-Interview sagte.

zentralplus: Der Bypass ist ein Bundesprojekt. Mit diesem soll der nationale Durchgangsverkehr aus der Stadt ferngehalten werden. Gleichzeitig verlangen Sie, dass der Kanton die Spange Nord realisiert. Weshalb treiben Sie nicht einfach unabhängig der Luzerner Planungen ihr Projekt voran?

Röthlisberger: Wir wollen den Bypass Luzern – dieses Projekt ist bei uns ganz oben. Damit allerdings die Stadt entlastet werden kann, braucht es zwingend auch die Spange Nord. Der Kanton und die Stadt müssen in der Lage sein, dieses Projekt vor dem Volk durchzubringen, das ist ein ganz wichtiger Puzzlestein.

zentralplus: Setzt man dem Kanton nicht das Messer an die Gurgel, wenn man sagt: Den Bypass gibt’s nur mit der Spange Nord?

Röthlisberger: Das habe ich nicht gesagt. Es gibt kein entweder oder. In der Schweiz muss man die Volksentscheide akzeptieren. Es ist nun aber ganz entscheidend, dass die Politik der Bevölkerung erklärt, warum dieses Element Spange Nord nötig ist. Ich finde, der Kanton macht hier einen guten Job. Ich hoffe, das verfehlt seine Wirkung nicht. Tatsache ist: Der Bypass Luzern ist ein Zwei-Milliarden-Projekt. Und das kann seine positive Wirkung für die Stadt nur dann vollständig entfalten, wenn auch die Spange Nord kommt.

zentralplus: Was heisst das konkret? «Ohne Spange Nord kein Bypass» oder gibt’s doch noch Auswege? Es entsteht der Eindruck, sowohl das Astra wie auch der Kanton Luzern eiern bei der Antwort auf diese Frage herum.

Röthlisberger: Dann stellen wir das gerne klar. Der Bypass und die Spange Nord sowie die verkehrlich flankierenden Massnahmen auf dem Stadt- und Kantonsstrassennetz bilden ein Gesamtkonzept, sind vollständig miteinander abgestimmt und verzahnt. Sie bedingen einander gegenseitig, sollen die gewünschten positiven Effekte auch vollständig abgerufen werden können. Insofern ist klar, dass wir hier von einem Gesamtsystem sprechen, wo Bund, Kanton und Stadt je ihren Beitrag leisten sollen.

«Ich habe schon sehr Mühe zu verstehen, weshalb sich die Stadt dermassen wehrt gegen diese tolle Medizin.»

Dass die Genehmigungsprozedere unterschiedlich und auch unterschiedlich schnell sind, ist dabei selbstredend und hinzunehmen. Luzern ist in diesem Punkt keine Ausnahme, vielmehr die Regel, und mit dieser Unterschiedlichkeit im Projektprozedere bis zur Baureife – mithin mit dieser Unsicherheit – müssen die beteiligten Partner umgehen können, ohne immer gleich die harte Frage nach dem «Sein oder Nichtsein» zu stellen.

zentralplus: Das Problem des Kantons ist, dass die Stadt bockt. Mit den neuen politischen Verhältnissen, Stichwort Öko-Allianz, fährt die Stadt gerade in der Verkehrspolitik eine neue Linie. Was sagen Sie dazu?

Röthlisberger: Ja gut, es gibt die grundsätzlichen Bedenken gegen neue Strassen. Hier habe ich aber schon sehr Mühe zu verstehen, weshalb sich die Stadt dermassen wehrt gegen diese tolle Medizin. Aus unserer Sicht ist die Spange Nord nun mal das bestmögliche Projekt, super abgestimmt mit dem, was der Bund plant. Es ist sehr schwer nachvollziehbar. Denn es wäre für den Kunden, also den Verkehrsteilnehmer, aber auch für die Stadtentwicklung die beste Lösung. Die Ablehnung resultiert wohl vor allem auf einer dogmatischen Ebene, auf diese wollen wir uns aber nicht begeben. Wir bleiben lieber sachlich, und dort überzeugen die Projekte.

Jürg Röthlisberger, Direktor Bundesamt für Strassen (Astra), sprach zu den Anwesenden.

Jürg Röthlisberger, Direktor Bundesamt für Strassen (Astra), sprach zu den Anwesenden.

(Bild: PPR/Patrick Huerlimann)

zentralplus: Ein weiteres grosses Thema ist der Aufstand der Krienser Bevölkerung, welche eine Verlängerung des Tunnels fordert. Könnte es da ein Entgegenkommen seitens des Bundes geben?

Röthlisberger: Grundsätzlich muss unser Projekt mehrheitsfähig und genehmigungsfähig sein. Der Bundesrat hat das generelle Projekt genehmigt, bereits mit einer Kondition, die rund 90 Millionen Franken schwer ist. Der Tunnel wird bereits um 200 Meter verlängert. Insofern finden wir, dass diese durchaus legitimen Anliegen aufgenommen wurden. Wenn man nun noch viel weiter gehen möchte, dann muss man nochmals über die Kosten sprechen. Die Region müsste mitzahlen.

zentralplus: Es gibt immer wieder Stimmen, die im Bypass schon jetzt eine Papierleiche sehen. Was sagen Sie dazu?

Röthlisberger: Eine Papierleiche gibt’s definitiv nicht. Es ist unsere Aufgabe, die Projekte, welche Bundesrat und Parlament beschlossen haben, reif zu bekommen, gemeinsam mit den Kantonsregierungen sind wir auf gutem Weg. Die Diskussionen laufen ständig, Änderungen am aktuellen Projekt sind meist mit Kosten verbunden. Will man das wirklich, wird man auch hier darauf zurückkommen müssen, wie die Kosten aufgeteilt werden sollen.
 

Verkehrshaus eröffnet neue Ausstellung

Anlass für den Aufmarsch an Prominenz aus dem Bereich der Automobil-Branche war die Eröffnung der neuen Ausstellung in der Halle Strassenverkehr. Diese präsentiert sich neu über drei Stockwerke mit völlig neuen Objekten. Grosser Wert wurde auf den Erlebnischarakter und die Interaktivität gelegt, wie das Verkehrshaus mitteilt. Ein neues Zwischengeschoss präsentiert eine Zwei- und Dreiradausstellung.

Zum 200-Jahr-Jubiläum des Fahrrades, das im Jahr 2017 gefeiert wird, werden Spezialkonstruktionen ausgestellt. Weiter bereichern Monteverdi-Fahrzeuge in einer Wechselausstellung die Halle Strassenverkehr. Diese gelten als Bestandteil des industriellen Kulturgutes der Schweiz. Mit «See you» legt die Beratungsstelle für Unfallverhütung bfu einen Publikumsschwerpunkt im Erdgeschoss. 

Mittels Autorennen wurde die Ausstellung eröffnet. Robert Küngs Wagen blieb weiss, weil sich der Kanton Luzern derzeit keine Lackierung leisten könne.

Mittels Autorennen wurde die Ausstellung eröffnet. Robert Küngs Wagen blieb weiss, weil sich der Kanton Luzern derzeit keine Lackierung leisten könne.

(Bild: les)

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3 Kommentare
  • Profilfoto von Samuel Kneubuehler
    Samuel Kneubuehler, 14.04.2017, 01:35 Uhr

    @tavares
    Die Lösung sind nicht neue Strassen. Luzern braucht keinen Bypass. Aber der Bypass braucht die Spange Nord und umgekehrt. Sonst würde die neue Autobahn kaum ausgelastet.

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  • Profilfoto von waldisst
    waldisst, 13.04.2017, 13:12 Uhr

    Das ist ein Supergesamtkonzept aus dem letzten Jahrtausend! Absolut daneben ein solches Projekt als Spange zu bezeichnen wenn ganze Quartiere durch den Verkehr zerschnitten werden.
    Da wären doch ganz andere Ideen gefragt.

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    • Profilfoto von Tavares
      Tavares, 13.04.2017, 13:25 Uhr

      Ein Projekt kategorisch abzulehnen ist das eine, jedoch konstruktive Kritik zu machen das andere.
      Leider hat noch niemand von den Nein-Sagern aufgezeigt, was die bessere Lösung ist, welche in etwa gleich viel kostet (oder gar noch günstiger ist?).
      Nur mit ÖV lässt sich das leider nicht machen, und der ÖV selber steckt ja zeitweise auch im Stau, der würde von einer besseren Anbindung auch profitieren (bspw. der Bus Neuenkirch – Bhf Luzern)

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