Verwirrung im Luzerner Wahlkampf

Startschuss von Merkis Kampagne sorgt für linke Kritik

Sozialdirektor Martin Merki. (Bild: Beat Blättler)

Stadtrat Martin Merki geniesst breiten Support: Sogar linke Politiker unterstützen seine Wiederwahl. Allerdings nicht seine Kandidatur zum Stadtpräsidenten. Doch genau das war auf Merkis Website kürzlich zu lesen. «Schludrigkeit», kritisiert die SP. Der Angegriffene spielt die Sache herunter.

Die Wahlen vom 29. März in der Stadt Luzern dürften doch noch spannend werden. Nachdem es zuerst nicht danach aussah, weil alle bisherigen Stadträte nochmals antreten und damit keiner der fünf Sitze frei wird. Doch mit seiner späten und überraschenden Kandidatur für das Stadtpräsidium sorgt Sozialdirektor Martin Merki nun noch für etwas Pfeffer im Wahlkampf (zentralplus berichtete).

Einen ersten Vorgeschmack darauf gab es am Wochenende. Auf Merkis Website war nämlich am Freitagabend zu lesen, dass er unter anderem von der früheren SP-Stadträtin Ursula Stämmer-Horst und dem ehemaligen grünen Stadtrat Ruedi Meier nicht nur als Stadtrat, sondern auch als Stadtpräsident unterstützt werde. Das ist insofern pikant, als es suggeriert, die beiden linken Ex-Magistraten würden für eine Abwahl des amtierenden SP-Stadtpräsidenten Beat Züsli einstehen.

So kam das Versehen zustande

Dem ist natürlich nicht so, wie Ruedi Meier auf Anfrage von zentralplus bestätigt. «Martin Merki macht einen guten Job als Sozialdirektor», begründet Meier, der von 2000 bis 2012 als erster grüner Stadtrat selber dieses Amt bekleidete, seinen Komiteebeitritt. Als Stadtpräsident unterstützt er jedoch Beat Züsli. «Es hat sich um ein technisches Versehen gehandelt, das innert kurzer Zeit behoben wurde.»

«Das ist einerseits relativ frech, andererseits zeugt es von Schludrigkeit.»

Claudio Soldati, SP-Präsident

Genau genommen handelt es sich um ein Versäumnis der Betroffenen. Stadtrat Martin Merki erklärt, er habe alle Komiteemitglieder am 5. Januar schriftlich über seine Kandidatur für das Stadtpräsidium informiert. Gleichzeitig habe er sie gebeten, sich zu melden, wenn sie sich unter diesen Umständen zurückziehen oder ihren Namen «nur» als Unterstützung für die Wiederwahl in den Stadtrat aufgeführt sehen wollten. 

Ein Hinweis, der einigen offenbar durch die Lappen ging. Bereits am Samstag war der Eintrag auf Merkis Website aber angepasst. Seither ist klar ersichtlich: Ursula Stämmer und Ruedi Meier unterstützen Merkis Wiederwahl in den Stadtrat, nicht aber seine Kandidatur fürs Stadtpräsidium. «Dafür habe ich Verständnis», sagt Merki, nachdem er mit beiden persönlich gesprochen habe.

SP ist «not amused»

Allerdings reagierten nicht alle gleichermassen gelassen. Gemäss dem Onlineportal Lu-Wahlen hat Merki mit seiner Panne einige Unterstützer verärgert. Inhaber und Redaktor der Plattform Herbert Fischer ist selber im Komitee von Merki, setzt sich aber – wie Stämmer und Meier – nur für dessen Wiederwahl in den Stadtrat ein.

Irrtümlich für kurze Zeit als Unterstützer von Stadtpräsident Martin Merki aufgeführt: Ursula Stämmer und Ruedi Meier (Screenshot Website Martin Merki)

Auch bei der SP kam die falsche Auflistung auf Merkis Website nicht gut an. Präsident Claudio Soldati findet es «nicht ganz sauber», dass die Mitglieder von Merkis Komitee von sich aus aktiv werden mussten, wenn sie seine Kandidatur fürs Stadtpräsidium nicht unterstützen. «Das ist einerseits relativ frech, andererseits zeugt es von Schludrigkeit. Zwei Attribute, die einem Kandidaten fürs Stadtpräsidium nicht so gut stehen.» 

Martin Merki hingegen sagt, er habe keine Reklamationen und ohnehin praktisch keine Reaktionen erhalten. «Ich bin überrascht, welche Bedeutung dieser Sache zugemessen wird, insbesondere deshalb, weil ich von Anfang an klar und sauber kommuniziert habe.»

Werden Samthandschuhe bald beiseite gelegt?

Wie viel Staub der Beitritt in ein Komitee aufwirbeln kann, zeigte eine Episode letzten Sommer. Anne-Sophie Morand, Vizepräsidentin der Luzerner FDP, unterstützte den SVP-Kandidaten Franz Grüter im Rennen um einen Ständeratssitz. Da ihre Partei auf ein Ticket mit der CVP setzte, wurde dies zum Gesprächsthema – und Morand trat kurz darauf aus Grüters Komitee zurück (zentralplus berichtete).

Den kleinen Aufreger um Merkis Komitee kann man womöglich auch als Indiz verstehen, dass der Wahlkampf langsam Fahrt aufnimmt. Inhaltlich kamen die Differenzen der Kandidaten bisher zwar kaum zum Ausdruck und Merki scheut sich, seinen Ratskollegen direkt anzugreifen. Doch klar ist: Die Kandidatur des 57-Jährigen fürs Stadtpräsidium fordert Amtsinhaber Züsli stärker heraus als jene von SVP-Quereinsteiger Silvio Bonzanigo, der inzwischen seinen Rückzug angekündigt hat (zentralplus berichtete).

Denn Merki ist vor vier Jahren mit dem besten Resultat in den Stadtrat gewählt worden und geniesst breite Unterstützung. Das belegt sein Komitee mit über 200 Mitgliedern, die aus unterschiedlichen Parteien und Bereichen stammen.

Ist auf linker Seite Nervosität zu spüren? «Den Angriff auf Beat Züsli nehmen wir ernst, denn es ist ein gefährlicher Angriff auf ein soziales und ökologisches Stadtpräsidium», so Claudio Soldati. Der SP-Präsident spricht von einer Richtungswahl zwischen einer «offenen und sozialen» und einer «konservativen und bürgerlichen» Stadt.

Gleichwohl ist er zuversichtlich, dass Züsli die Wiederwahl schaffen wird. Anders als vor vier Jahren würden Merki mit dem Frontalangriff aufs Stadtpräsidium die Stimmen aus dem Mitte-Links-Lager fehlen, glaubt er.

Wenn linke Politiker das SP-Zweierticket kritisieren

Dass ein Angriff polarisiert und Stimmen kosten kann, könnte jedoch auch die SP zu spüren bekommen. Sie hat bereits letzten Herbst bekannt gegeben, dass sie mit der ehemaligen Grossstadträtin Judith Dörflinger einen zweiten SP-Sitz im Stadtrat erobern will (zentralplus berichtete). Obwohl sich das Zweierticket nicht gegen eine bestimmte Partei richtet, drängt die SP damit auf die Abwahl eines amtierenden Stadtrates. Das goutieren nicht alle.

«Es ist im Interesse einer fortschrittlichen Sachpolitik, dass nebst den Freisinnigen auch die CVP und die Grünliberalen in der Exekutive eingebunden sind.» 

Ruedi Meier, alt Stadtrat

Der ehemalige Stadtrat Ruedi Meier, der dem gewerkschaftlichen Flügel der Grünen angehört, unterstützt zum Beispiel die Wiederwahl aller fünf bisherigen Stadträte. Denn er setzt sich explizit für Konkordanz im Stadtrat ein – und erteilt damit den Expansionsgelüsten der SP eine Abfuhr. «Klar ist die SP die grösste Partei, aber mit einem zweiten Sitz wäre Rot-Grün im Stadtrat übervertreten», sagt Meier. «Es ist im Interesse einer fortschrittlichen Sachpolitik, dass nebst den Freisinnigen auch die CVP und die Grünliberalen in die Exekutive eingebunden sind.» 

Eine Einschätzung, die SP-Präsident Claudio Soldati natürlich nicht teilt. Angesichts der Wähleranteile und im Vergleich mit den anderen Parteien sei die SP mit einem Sitz «massiv untervertreten», argumentiert er. Bei den kantonalen Wahlen im März 2019 erreichte die SP in der Stadt mit 26,1 Prozent das beste Resultat aller Parteien.

Nicht nur bei ihrem Stadtpräsidenten, sondern auch bei der Wahl des fünfköpfigen Stadtrates kann die Stadtluzerner Stimmbevölkerung am 29. März also richtungsweisende Weichen stellen.

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Silvio Bonzanigo
    Silvio Bonzanigo, 14.01.2020, 19:53 Uhr

    «Der ehemalige Stadtrat Ruedi Meier, der dem gewerkschaftlichen Flügel der Grünen angehört, unterstützt zum Beispiel die Wiederwahl aller fünf bisherigen Stadträte. Denn er setzt sich explizit für die Konkordanz ein.» (Zentralplus, 14.01.2020).

    Die Aussage von Ruedi Meier ist nicht korrekt und hätte von der Redaktion überprüft werden müssen! Die Sitzverteilung gemäss Referenzwert Grossstadtratswahlen 2016 aufgrund Konkordanz müsste nämlich so aussehen:

    SP, 1 Sitz, Quotient 1,230
    FDP, 1 Sitz, Quotient 0,8654

    ❗️SVP, 1 Sitz, Quotient 0,7532 ❗️

    CVP, 1 Sitz, Quotient 0,719
    Grüne, 1 Sitz, Quotient 0,6383
    GLP, 0 Sitz, Quotient 0,337

    Wer also die Wiederwahl aller Mitglieder des Stadtrates befürwortet, handelt GENAU ENTGEGEN der Konkordanz!

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  • Profilfoto von Dunning-Kruger
    Dunning-Kruger, 14.01.2020, 07:23 Uhr

    Sehe mich in diesem unhaltbaren Verhalten nur bestätigt: Vordergründig mimt Merki stets den freundlich lächelnden, umsichtigen, feinfühligen Mittfünziger, der es mit allen nur gut meint. Dabei sollte man ganz grundsätzlich gegenüber Politikern schon mal ein gesundes Mass an Skepsis gegenüberbringen, um nicht sofort mit scheinheiligen Argumenten nachhaltig eingelullt zu werden! Das ist bei Merki nicht anders. Zudem: Im Krieg, in der Liebe und im Wahlkampf ist ja bekanntlich alles erlaubt!

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