Stadtluzerner Politikerin fordert Unisex-WCs an Schulen
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In den meisten Stadtluzerner Schulhäusern gibt es wohl nur Toiletten, die explizit für Jungs oder für Mädchen angeschrieben sind. Doch was, wenn man weder Junge noch Mädchen ist? Die Luzerner SP-Grossstadträtin Regula Müller findet die jetzige Situation unhaltbar – und fordert Unisex-Toiletten für alle.
Das stille Örtchen. Für viele von uns nur ein Ort, um sein Geschäft zu erledigen – für andere kann der Gang dahin unangenehm werden oder dazu führen, dass sie sich ausgeschlossen fühlen oder schikaniert werden. «Wir alle brauchen einen sicheren Ort zum Pinkeln», sagte schon der kanadische Schriftsteller und LGBT-Anwalt Ivan Coyote in einem Ted-Talk.
Sogenannte «Butch»-Frauen, also lesbische Frauen, die eher ein «maskulines» Auftreten haben, würden aus der Damentoilette gejagt. Geschlechtsneutrale Menschen hätten keinen sicheren Platz zum Pinkeln und Trans-Frauen, die «nicht das Privileg eines routinierten Passings» genössen, würden diskriminiert, schrieb Trans-Aktivist Justin Adkins in einem Blog für die «Huffpost».
SP-Politikerin fordert Unisex-Toiletten, um Diskriminierung vorzubeugen
Toiletten geben auch hierzulande zu reden. So findet SP-Grossstadträtin Regula Müller: Auch an den städtischen Volksschulen soll sich keine Person mehr wegen des Geschlechts ausgeschlossen fühlen. In einem kürzlich eingereichten Postulat fordert sie, dass es künftig in städtischen Schulhäusern und in Turnhallen Unisex-Toiletten und Garderoben gibt. Müller fordert den Stadtrat auf zu überprüfen, inwiefern diese bei Neubauten und Sanierungen möglich sind.
«Jugendliche sollten sich nicht für eine geschlechtsspezifische Toilette oder Garderobe entscheiden müssen, wenn sie das nicht können oder wollen.»
Regula Müller, SP-Grossstadträtin
«Nicht alle Menschen fühlen sich einem der beiden Geschlechter zugehörig – das wissen wir schon lange und das sollten wir auch endlich anerkennen», sagt Regula Müller auf Anfrage von zentralplus. Von Lehrpersonen weiss sie, dass es für Trans-Jugendliche, die sich bereits im Prozess der Geschlechtsumwandlung befinden oder kurz davorstehen, derzeit Schwierigkeiten im Schulalltag gibt. «Sie können sich beispielsweise nicht vorstellen, sich vor anderen auszuziehen, weil sie noch nicht operiert sind und sich daher in ihrem Körper unwohl fühlen.»
Ein wichtiges Zeichen für Offenheit und Toleranz
Die Politikerin findet, dass bezüglich Schutz von non-binären und Trans-Jugendlichen noch einiges gemacht werden muss. Gerade an Schulen, wo diese viel Zeit verbringen. Dort dürfe keine Diskriminierung stattfinden. «Die jetzige Situation an Schulen ist für Trans-Jugendliche oder Jugendliche, die sich weder als Junge noch als Mädchen definieren, unhaltbar, wenn nicht sogar prekär. Sie sollten sich nicht für eine geschlechtsspezifische Toilette oder Garderobe entscheiden müssen, wenn sie das nicht können oder wollen», sagt Regula Müller.
Zudem ist sie überzeugt, dass geschlechtsneutrale Toiletten auch ein Zeichen für solche Kinder und Jugendliche sein können, dass man als Schule dem Thema offen und tolerant gegenübersteht. «Eine solche Kultur wirkt sich positiv auf Jugendliche aus, die sich noch nicht geoutet haben.»
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An Zürcher Kantonsschule haben sich Betroffene gewehrt
Ein Blick über die Kantonsgrenze zeigt, dass es die von Regular Müller geforderten Toiletten bereits gibt – und sie gut ankommen. So etwa an der Kantonsschule Enge in Zürich. Dort gibt es seit diesem März zwei geschlechtsneutrale Toiletten.
Begonnen hat alles mit einer E-Mail einer Schülerin, erklärt Patricia Eichholzer, Adjunktin und Leiterin zentrale Dienste der Kantonsschule. «In einer E-Mail hat uns eine Schülerin darauf hingewiesen, dass es an unserer Schule viel mehr Jungs- als Mädchen-Toiletten gibt.» Man sei dann über die Bücher gegangen und habe realisiert, dass es tatsächlich ein Ungleichgewicht gibt. Kurzerhand wechselte man ein grösseres Herren-WC mit einem Frauen-WC aus. Baulich wurde nichts geändert – ausser der Beschriftung.
«Trans- oder non binäre Jugendliche – auch solche, die sich noch nicht geoutet haben – werden dadurch wahrgenommen, sie fühlen sich gehört.»
Patricia Eichholzer, Adjunktin Kantonsschule Enge
«In diesem ganzen Prozess kamen gender-neutrale Jugendliche auf die Schülerorganisation zu mit dem Input: Wenn ihr schon etwas in Sachen Toiletten macht, wieso führt ihr dann nicht auch gleich ein geschlechtsneutrales WC ein?» Gesagt, getan – kurzerhand hat man ein Behinderten- und ein Lehrpersonen-WC für geschlechtsneutrale Jugendliche beschriftet. «Das Ganze war wirklich keine Hexerei oder viel Aufwand», sagt Eichholzer.
Die Erfahrungen sind positiv
Das Ganze hat als Pilotversuch gestartet – im Sommer wird man die Erfahrungen reflektieren und überprüfen, ob die geschlechtsneutralen Toiletten bleiben dürfen. Eichholzer beobachtet aber jetzt schon eine positive Veränderung: «Trans- oder non binäre Jugendliche – auch solche, die sich noch nicht geoutet haben – werden dadurch wahrgenommen, sie fühlen sich gehört. Sie melden sich jetzt bei uns – und wehren sich.» Beispielsweise haben die Abschlussklassen eine Motto-Woche geplant, in der sich Männer als Frauen und Frauen als Männer verkleiden sollten. «Geschlechtsneutrale Jugendliche haben darauf reagiert und gesagt, dass sie sich dadurch diskriminiert fühlen. Dieses Motto-Thema wurde dann gestrichen. Noch vor ein paar Jahren hätten sich Betroffene wohl kaum zu wehren getraut.»
Es sind kleine Schritte, sagt Eichholzer. «Aber wir spüren, dass sich etwas entwickelt und wir dem Zeit und Raum geben wollen. Es ist schön, dass betroffene Jugendliche aus solchen Änderungen Mut schöpfen und ihre Stimme erheben.»
In Zürich sind solche Toiletten kein Novum. Die Universität Zürich und die ETH haben ebenfalls bereits genderneutrale Toiletten. Auch bei den Neubauten sind WCs eingeplant, welche die Studierenden unabhängig von ihrem Geschlecht benutzen können, wie der «Tagesanzeiger» berichtete.
Auch in Luzern gibt es bereits Unisex-Toiletten – zum Beispiel im Hotel Anker. An der Hochschule Luzern wurden 2019 am Departement Soziale Arbeit drei sogenannte «All-Gender-Toiletten» eingeweiht. Diese stellen den Versuch dar, «der Vielfalt von geschlechtlichem Erleben Rechnung zu tragen», sagte Diversity-Beauftragter Daniel Kunz damals gegenüber zentralplus.