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Versteckt, unsicher, umstritten: Der Luzerner Strassenstrich im Ibach gilt als gefährlich. Ein Laufhaus, ein Wohnhaus oder ein neuer Standort sollen Abhilfe schaffen, doch die Suche ist schwierig.
Luzern denkt um: Nach jahrelanger Kritik am gefährlichen Strassenstrich im Ibach prüft die Stadt jetzt konkrete Alternativen. Zur Debatte stehen ein Laufhaus, ein Wohnhaus mit Arbeitsplätzen für Sexarbeiterinnen – und ein ganz neuer Standort für den Strassenstrich.
Denn seit Jahren schimpfen Politikerinnen, Stadtrat und Fachberaterinnen für Sexarbeiterinnen über die Zustände: Der Strassenstrich, abgelegen im Industriegebiet, verdrängt an den Stadtrand, ist zu gefährlich.
Versteckt statt sichtbar
Das finden auch die beiden Mitte-Grossstadträte Luzi Andreas Meyer und Senad Sakic-Fanger. Sie finden in ihrem Postulat harte Worte: «Die Situation im Ibach ist für die Betroffenen prekär und das Thema Strassenstrich für die Stadt Luzern gelinde gesagt ein Skandal: Das Projekt Strassenstrich Ibach ist falliert.»
Im Gegensatz zu Basel – wo Strassenprostitution mitten in der Stadt geschieht – finden hier weder Beizengänger noch Gottesdienstbesucherinnen noch Stadtspaziergänger per Zufall den Weg ins Ibach. Soziale Kontrolle gibt es nicht (zentralplus berichtete).
Um den Strassenstrich sicherer für die Arbeiterinnen zu machen, hat die Stadt gemeinsam mit dem Verein Lisa, der sich in Luzern für die Interessen von Sexarbeiterinnen einsetzt, bereits eine Notrufsäule aufgestellt. Der Strassenstrich ist seit einiger Zeit auch offiziell beschildert. Diesen Februar hat der Verein zudem einen zweiten Container eröffnet, in dem sich Prostituierte rund um die Uhr zurückziehen können.
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Mitte-Politiker wollen ein «Dach» für Sexarbeiterinnen
Weitere Massnahmen sind in Abklärung. So untersucht die Stadt derzeit, ob künftig Videokameras die Geschehnisse rund um den Strassenstrich aufzeichnen sollen. Zudem denkt er über bessere Verrichtungsboxen und zusätzliche Arbeitszimmer nach (zentralplus berichtete).
Die beiden Mitte-Grossstadträte aber wollen keine «Symptombekämpfung», wie sie schreiben. Sie fordern mit ihrem Vorstoss, dass die Stadt gemeinsam mit dem Verein Lisa und der Polizei einen geeigneten Arbeitsort evaluiert. Es brauche ein Gebäude oder eine Containersiedlung, damit Prostituierte unter besseren Bedingungen arbeiten könnten – idealerweise an einem Ort mit sozialer Kontrolle durch Nachbarn.
Diese Räume sollte die Stadt dem Verein Lisa als Arbeitsort zur Verfügung stellen. Weiter fordern sie den Stadtrat auf, mit dem Verein Lisa eine Leistungsvereinbarung abzuschliessen, um die Finanzierung langfristig zu sichern.
Das städtische Reglement macht es schwer
Nun liegt die Stellungnahme des Stadtrats zum Mitte-Postulat vor. Schon lange ist klar: Eine einfache Verlegung des Strassenstrichs ist nicht möglich – denn das städtische Reglement sieht sogenannte Sperrzonen zum Schutz der Anwohnenden vor.
So ist käuflicher Sex an Strassenabschnitten, wo Häuser stehen, die nicht geschäftlich genutzt werden, verboten. Ebenso an ÖV-Haltestellen. Das Reglement ist seit 2012 in Kraft. Damit wurden Prostituierte aus den Wohngebieten im Tribschen- und Kreuzstutzquartier getrieben.
«Es zeigt sich, dass es kaum Alternativen gibt.»
Luzerner Stadtrat
Das Reglement schränkt gemäss Stadtrat die Suche nach alternativen Standorten stark ein. Er hält fest, dass nach Gesprächen mit dem Verein Lisa und der Polizei nur wenige Optionen bleiben: «Es zeigt sich, dass es kaum Alternativen gibt.»
Littauerboden? Lieber nicht
Die Exekutive nennt nur einen möglichen Standort: den Littauerboden. Diesen würde aber die Luzerner Beratungsstelle für Sexarbeitende nicht optimal finden hinsichtlich Erreichbarkeit und sozialer Kontrolle. «Sollten weitere Standorte ins Auge gefasst werden, müsste das städtische Reglement angepasst werden», schreibt der Stadtrat. Vermutlich regt sich dann aber Widerstand aus den jeweiligen Quartieren.
Deswegen schielt die Stadt auch auf die Agglogemeinden. Sie hat den Gemeindeverband LuzernPlus beauftragt, eine Übersicht zu erstellen, an welchen alternativen Standorten in den Gemeinden Ebikon, Emmen, Horw, Kriens und Luzern ein Strassenstrich überhaupt möglich wäre.
Laufhaus oder Wohnhaus – Struktur statt Strasse
An einem neuen Ort soll auch ein Gebäude für die Prostituierten bereitstehen. Entweder als Laufhaus oder als Wohnhaus mit Arbeitsplätzen. Bei einem Laufhaus bräuchte es eine Betreiberin, die Sexarbeitern Räume zur Verfügung stellt und diese koordiniert. Die Betreiberin würde eine zentrale und steuernde Funktion einnehmen.
Bei einem Wohnhaus mit Arbeitsplätzen würden verschiedene Räume zur Verfügung gestellt, die Sexarbeiterinnen fürs Wohnen und Arbeiten mieten könnten. Dafür sollen normale Mietverträge aufgesetzt werden.
Beide Konzepte hätten gemäss Exekutive «erhebliche Folgekosten» zur Folge. Abschätzen kann er diese noch nicht.
Nachfrage nach Strassenprostitution bleibt
Der Verein Lisa geht davon aus, dass ein Laufhaus oder ein Wohnhaus mit Arbeitsplätzen die Strassenprostitution nicht ersetzen würde – dafür seien Angebot und Kundschaft zu unterschiedlich. Der Luzerner Verein präferiert das Konzept eines Wohnhauses mit Arbeitsplätzen.
«Ein Wohnhaus mit Arbeitsplätzen zu fairen Preisen könnte der Ausbeutung in der Indoor-Sexarbeit entgegenwirken», schreibt dazu Eliane Burkart, die Geschäftsleiterin von Lisa auf Anfrage von zentralplus. «Indoor» meint Prostitution in Sexetablissements. «Wir kennen Sexarbeitende, welche indoor arbeiten und horrende Mietpreise für ihre Arbeitszimmer bezahlen.» In der Rolle einer Vermieterin sieht sich Lisa aber nicht – sie versteht sich primär als beratende Organisation.
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Burkart blickt nach Genf. Eine Stiftung, gegründet von einer Hilfsorganisation, hat zwei Gebäude im Viertel Pâquis erworben. In diesen bieten sie rund 40 Sexarbeiterinnen Wohnungen an – die deutlich unter den sonstigen Wucherpreisen liegen.
Zurück nach Luzern: Sexuelle Dienstleistungen auf der Strasse liessen sich laut dem Verein nur dann sicherer anbieten, wenn sich die Arbeitszimmer direkt beim Strich befänden. Ein geeignetes Gebäude gibt es dort laut Stadtrat jedoch nicht – die einzige städtische Liegenschaft an der Reusseggstrasse 11 ist schadstoffbelastet.
Wer wird Laufhausbetreiberin?
Ob Laufhaus oder Wohnhaus: Beide Modelle bräuchten eine Betreiberin oder einen Vermieter. Und auch der Stadtrat sieht sich nicht in der Rolle einer Laufhausbetreiberin oder Vermieterin eines Wohnhauses für Prostituierte.
Der Stadtrat zeigt sich hingegen bereit, das Postulat zumindest teilweise entgegenzunehmen. Ein städtisches Gebäude steht zwar nicht zur Verfügung – doch der Stadtrat signalisiert Offenheit, die Idee eines Lauf- oder Wohnhauses in Gespräche mit gemeinnützigen Bauträgern und sozialen Organisationen einzubringen.
Gemeinsam mit den Nachbargemeinden will die Stadt nun prüfen, wo sich ein solches Modell in Kombination mit einem Strassenstrich realisieren liesse. Wie offen diese sind, muss sich zeigen.
- Postulat 11 der Mitte Stadt Luzern
- Stellungnahme des Stadtrates auf das Postulat 11
- Schriftlicher Austausch mit Eliane Burkart, Geschäftsleiterin des Vereins Lisa
- Reglement über die Strassenprostitution in Luzern
- Medienmitteilung des Vereins Lisa vom Februar 2025
- Artikel von «Le Temps» und «20 Minuten»