Stadt Luzern: Grünliberale als Steigbügelhalter der SVP
Die geplante Listenverbindung von Mitte, FDP, SVP und GLP für die kommenden Luzerner Kantonsratswahlen schlug hohe Wellen. Jetzt zeigt die Linke mit dem Finger auf die Grünliberalen. So mache sich die Partei unglaubwürdig. Andere sehen es deutlich entspannter.
Knapp sechs Monate sind es noch bis zu den nächsten Kantonsratswahlen in der Stadt Luzern. Dann werden sich voraussichtlich das erste Mal zwei Blöcke gegenüberstehen. Die Bürgerlichen in einer Listenverbindung von FDP, Mitte, SVP und GLP. Und die Linken, vertreten durch SP und Grüne (zentralplus berichtete).
Die Bürgerlichen erhoffen sich den Erhalt von Sitzen und verweisen auf gute Zusammenarbeit in der Vergangenheit. Doch was sagen die Linken zum Schulterschluss der Grünliberalen mit Rechts?
SP kritisiert, Grüne sind versöhnlich
Die Listenverbindung sei noch nicht von allen Parteimitgliedern bestätigt, meint Yannick Gauch, Präsident der SP Stadt Luzern auf Anfrage von zentralplus. Komme es jedoch dazu, mache sich insbesondere die GLP unglaubwürdig. Mit einem solchen Pakt würde die GLP zum Steigbügelhalter der rechtsnationalen SVP.
«Arithmetische Spielereien werden auf dem Buckel der Bevölkerung ausgetragen.»
Yannick Gauch, Präsident SP Stadt Luzern
«Ich glaube nicht, dass die GLP-Wählerinnen bereit sind, mit ihrer Stimme eine rassistische und homophobe Partei zu unterstützen, die teilweise den Klimawandel leugnet», so Yannick Gauch. Die Grünliberalen würden ihre «arithmetischen Spielereien» auf dem Buckel der Bevölkerung austragen.
Ein wenig entspannter sehen das die Grünen. Auch sie seien überrascht worden vom Verhalten der GLP. Die Reduktion auf zwei unversöhnliche Lager werde der Realität aber nicht gerecht. «Wir Grünen suchen stets sachlich mit allen Parteien den Dialog und loten Möglichkeiten für gemeinsame Lösungen aus», schreibt Elias Steiner, Co-Präsident die Grüne Stadt Luzern, auf Anfrage.
GLP erklärt: Die Berechnungen geben uns recht
Die GLP habe sich aufgrund von Berechnungsmodellen für die bürgerliche Listenverbindung entschieden, sagt Marcel Dürr, Präsident der GLP Stadt Luzern. Sie rechnen damit, so den 2019 knapp gewonnenen dritten Sitz im Kantonsrat halten zu können. Eine Verbindung mit den Linken hätte der Partei nach den Berechnungen nicht geholfen.
Inhaltlich sind durch die grüne und liberale Politik der Partei verschiedene Überschneidungen im politischen Spektrum möglich. Die GLP der Stadt Luzern sei überzeugt, die Wählerinnen würden das anerkennen. Sorgen, Wähler zu verlieren, macht sich die Partei nicht.
GLP – Meisterin der Listenverbindung
Der Optimismus kommt nicht von ungefähr. Die nationale GLP machte in der Vergangenheit sehr gute Erfahrungen mit Listenverbindungen. Unter dem früheren Präsidenten und «Listen-König» Martin Bäumle schmiedeten die Grünliberalen schweizweit Allianzen mit Parteien von links bis rechts. Auch bei den Nationalratswahlen 2019 profitierte die Partei von der Zusammenarbeit mit CVP, BDP und EVP – und gewann fünf Sitze.
Eine Partei könne sich so weit von ihren politischen Inhalten entfernen, wie es der Wähler goutiere.
Tobias Arnold, Politikwissenschaftler vom Luzerner Think Tank Interface
Der derzeitige GLP-Präsident Jürg Grossen äusserte sich vor Kurzem gegenüber der «NZZ»: Die Grünliberalen planen auch für die kommenden Nationalratswahlen eine Vielzahl von Listenverbindungen mit der Mitte. Berechnungen zeigten, dass diese Verbindung am vielversprechendsten sei – politischer Inhalt spiele keine Rolle.
Eine Partei könne sich so weit von ihren politischen Inhalten entfernen, wie es der Wähler goutiere, erklärt Tobias Arnold, Politikwissenschaftler vom Luzerner Think Tank Interface. «Das muss man in der Basis spüren.»
SVP wollte Listenverbindungen 2021 abschaffen lassen
Die neue Verbindung nützt auch der SVP. Dabei wollte die Kantonspartei 2021 solche Verbindungen noch verbieten lassen. Sie argumentierte damals, das System sei nicht mehr nachvollziehbar. Die Wählerinnen wüssten nicht mehr, welcher Partei man zu einem Sitzgewinn verhelfe. Ausserdem gehe es nur noch um Wahltaktik und nicht um Programminhalte.
«Man kann argumentieren, dass die Heterogenität, wie sie in der Gesellschaft vorkommt, mit zwei Blöcken nicht mehr so abgebildet wird.»
Tobias Arnold
Der Regierungsrat Luzern stellte sich damals gegen den Vorschlag. Den Parteien und ihren Listenverbindungen seien durch kritische Medien und die öffentliche Meinung Grenzen gesetzt. Ein komplettes Verbot würde Jungparteien benachteiligen. Denn diese seien auf Listenverbindungen angewiesen, um einen Sitz zu bekommen. Die Motion der SVP wurde schliesslich abgelehnt.
Die Blockbildung entspannt nehmen
So sieht es auch Tobias Arnold, Politikwissenschaftler bei Interface. Auch wenn Listenverbindungen häufig kritisch beäugt werden, sind sie aus demokratischer Sicht per se nichts Gutes oder Schlechtes. Sie sind lediglich ein strategisches Instrument, um als Partei das Maximum herauszuholen, erklärt er.
«Man kann argumentieren, dass die Heterogenität, wie sie in der Gesellschaft vorkommt, mit zwei Blöcken nicht mehr so abgebildet wird.» Trotzdem seien die Wählerinnen nicht eingeschränkt, da man alle seine Stimmen einer Partei innerhalb der Listenverbindung geben könne. «Es ist nicht wie in den USA, wo sich der Wähler wirklich zwischen zwei Blöcken entscheiden muss», sagt Arnold.
Ich empfehle, sich von den Listenverbindungen nicht zu sehr ablenken zu lassen.
Tobias Arnold
Unsicheren Wählerinnen rät der Experte Folgendes: «Ich empfehle, sich von den Listenverbindungen nicht zu sehr ablenken zu lassen. Wenn man eine Partei unterstützen möchte, sollte man alle Stimmen dieser Partei geben.» Es könne zwar sein, dass andere Parteien durch die Listenverbindung mit profitieren, die Stimmen zählen am Ende aber für die Sitze der gewählten Partei.
Bürgerliche Allianz als Dauerlösung?
Die Kantonsratswahlen dienen auch als Teststrecke für die städtischen Wahlen 2024. Ob es dann zum selben Bündnis kommen wird, ist noch nicht sicher. Die GLP beispielsweise macht ihre Entscheidung vom Wahlausgang im kommenden Jahr abhängig. Wenn sich die Prognosen bestätigten, sei eine solche Listenverbindung auch 2024 nicht ausgeschlossen, teilt Marcel Dürr mit.
Auch die Grünen wollen Allianzen schmieden. Die grössten inhaltlichen Überlappungen gebe es sicherlich mit der GLP und der SP, schreibt Elias Steiner. Man werde auch für die städtischen Wahlen 2024 das Gespräch suchen. Die SP bleibt auf Abstand. Es sei zu früh, etwas zu städtischen Listenverbindungen 2024 zu sagen, teilt Yannick Gauch mit. Dass die GLP gemeinsame Sache mit der SVP mache, sei aber «alles andere als vertrauensbildend».
- Schriftlicher Austausch mit Yannick Gauch
- Schriftlicher Austausch mit Marcel Dürr
- Schriftlicher Austausch mit Elias Steiner
- Telefonat mit Tobias Arnold
- Motion Dieter Haller, Kantonsrat SVP
- Stellungnahme des Luzerner Regierungsrats zur Motion Dieter Haller
- Artikel im «NZZ Magazin»
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Bruno Blume, 09.11.2022, 17:49 Uhr Damit unterstützen alle, die GLP einlegen, auch die SVP, die anti-grüne Partei. Wozu also noch GLP wählen?
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Etwas mehr Gleichgewicht würde den Parlamenten im Kanton (zu bürgerlich) und in der Stadt (zu links) aber sicher gut tun.👍5Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runterSandro, 09.11.2022, 00:28 Uhr Mich verwundert das nicht. Die GLP hat lediglich bemerkt, dass der radikale Weg den die Grünen und die SP seit Jahren einschlagen viel zu extrem ist und tendieren nun halt eher in die Mitte. Ich finde das nur vernünftig. Desshalb steigen sie noch lange nicht mit der SVP ins Bett.
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Hanswurst, 08.11.2022, 22:41 Uhr Für mich erschliesst sich immer weniger, was die Wischiwaschi-Partei eigentlich für Grundsätze hat, ausser der Bewahrung politischer Macht. Dafür steigt sie anscheinend mit allen ins Bett.
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