Sparen? Wenn da nur die Heimbewohner nicht wären
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Das Interesse an der Baarer Info-Veranstaltung zur Sparpaket-Abstimmung war doch sehr überschaubar. (Bild: wia)
100 Millionen Franken. So viel will der Kanton Zug sparen – jedes Jahr. Damit das Volk auch weiss, worum es dabei geht, traf man sich am Montag in Zug zum öffentlichen Schlagabtausch. Unterhaltsam war’s, gestritten wurde. Und man weiss nun, dass sich Befürworter wie Gegner um die Heimbewohner sorgen.
Schon wieder wollen die sparen! Sparen wohin das Auge reicht, geht gar nicht, wir wehren uns, und wie! Und dann packen sie ihre Mistgabeln, Fackeln, Kellen und Kochtöpfe und wehren sich lauthals, dass es sogar die in Sihlbrugg hinten hören.
Aber nichts da. Bei der Podiumsveranstaltung zum zweiten Entlastungsprogramm, über das die Zuger Bevölkerung am 27. November abstimmen wird, sind keine wütenden Mobs dabei. Niemand schnaubt bereits im Voraus, nur ein paar verschränkte Arme sind in den spärlich besetzten Reihen zu sehen. Zählt man die Journalisten und die anwesenden Politiker ab, bleiben wohl noch ein knappes Dutzend Otto-Normalverbraucher, die sich tatsächlich zur Vorlage informieren wollen.
«Oder wie man so schön sagt… Entlastungspaket»
Radka Laubacher, SRF-Journalistin führt ein in die Materie. Bereits 18 Jahre arbeite Sie beim SRF. Und noch nie sei ein Sparpaket – «oder wie man so schön sagt, ein Entlastungspaket» ein Thema gewesen.
Der Zuger Finanzdirektor Heinz Tännler übernimmt. Er wolle einen Überblick schaffen, beginnt bei den Boomjahren. Ja, da war die Welt noch in Ordnung. Steuern runter, Firmen rein, alles gut. Und dann, 2013, auf einen Schlag tiefrote Zahlen. Tännler sagt: «Wenn wir nichts getan hätten, wären 2020 alle liquiden Mittel dahingeschmolzen.»
«Wir haben die verdammte Pflicht, die Finanzen 2020 in den Griff zu bekommen.»
Heinz Tännler, Zuger Finanzdirektor
Darum also die Entlastungspakete. Das erste ist im Gange, über das zweite stimmen wir bekanntlich in einem Monat ab. Und Tännler beschönigt nichts: «Auch das zweite Entlastungspaket löst unser Problem in der laufenden Rechnung nicht.» Man müsse deshalb sehen, dass man nicht über die Verhältnisse lebe und das Geld vernünftig ausgebe. «Und selbst dann ist nicht die Frage, ob es eine Steuererhöhung geben wird, sondern wie.» Oder etwas vehementer: «Wir haben die verdammte Pflicht, die Finanzen 2020 in den Griff zu bekommen.»
Achtung, das sind nicht Prozent, sondern Millionen
Der Volkswirtschaftsdirektor Matthias Michel übernimmt, geht auf die Details ein. Darauf, dass man in einem ersten Punkt die Aufwände anschaue, dass man Personalstellen einfriere, und nur in einem gewissen Teil tatsächlich Sparmassnahmen ergreife. Michel zeigt Donut-Diagramme: «Hier müssen Sie aufpassen. Diese 10,8 bei der Bildung, das sind nicht Prozente, das sind Millionen.» Und er sagt, was schon viele vor ihm gesagt haben: «Wichtig ist, dass alle Bereiche einen Beitrag leisten, denn es ist ein solidarisches Paket.»
«Es ist auch eine Verantwortung gegenüber unseren Kindeskindern, dass wir nicht irgendwelche Schulden in eine nächste Generation verpflanzen.»
Heinz Tännler, Zuger Finanzdirektor
Heinz Tännler übernimmt wieder, und betont: «Dieses Sparpaket ist ein erster Teil, damit unsere Finanzen gesunden können. Es ist auch eine Verantwortung gegenüber unseren Kindeskindern, dass wir nicht irgendwelche Schulden in eine nächste Generation verpflanzen.»
Laubacher bittet die eigentlichen Podiums-Teilnehmer aufs Podest. Mit dabei sind die vier Kantonsräte Dzari Dzaferi (SP) und Esther Haas (ALG) auf der Sparpaket-Nein-Seite, Pirmin Frei (CVP) und Cornelia Stocker (FDP) auf der Ja-Seite.
Die erste Frage der Moderatorin ist eine persönliche. «Bei welcher Massnahme zucken Sie zusammen?» Stocker erklärt: «Wenn ich sehe, dass bei den Leuten gespart wird, die im Heim sind, und die sowieso nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen. Da fragte ich mich schon, ob die Regierung vielleicht über die Stränge geschlagen hat.» Und sie betont, dass sie aber dennoch fürs Entlastungspaket sei.
Pirmin Frei hat – gemeinsam mit der ganzen CVP – Mühe mit dem Eigenbetreuungsabzug, der gekürzt wurde. «Da gab es heftige Diskussionen. Und wenigstens haben wir da nicht den totalen Kahlschlag einfahren müssen, sondern eine schweizerische Mittelwegs-Lösung erreicht.»
Noch immer keine Steuererhöhung
Esther Haas hat Mühe bei der Streichung der Ergänzungsleistung für Heimbewohner, und abgesehen davon: «Bin ich enttäuscht, dass im ganzen zweiten Paket die Steuern nicht angeschaut wurden.» Und auch Zari Dzaferi fühlt sich mit den Heimbewohnern verbunden, zudem erklärt er: «Ich bin nicht einverstanden mit den Personalkürzungen und der Ansicht, dass man zum Personal Sorge tragen muss. Man kann nicht mit weniger Zeit die gleiche Leistung erbringen, insbesondere wenn es um die Bildung geht.»
«Betrachtet man den Lehrerlohn nach Berücksichtigung der Lebenskosten, belegt der Kanton Zug den jämmerlichen 19. Platz.»
Esther Haas, Kantonsrätin ALG
Es solle also vielerorts gespart werden. Und dennoch, so gibt Radka Laubacher zu bedenken, gibt es kaum Widerstand in der Bevölkerung, so wie das etwa in Luzern aktuell der Fall sei (zentralplus berichtete). Cornelia Stocker gibt zu bedenken, dass die Lehrerlöhne auch trotz Entlastungspaket hoch seien. «Nur die Zürcher werden besser entlöhnt.» Esther Haas sieht den Grund eher darin, dass die Zuger geduldig seien, zum Kanton Zug stünden und sich deshalb wohl noch nicht gewehrt hätten. Und sie sagt: «Betrachtet man den Lehrerlohn nach Berücksichtigung der Lebenskosten, belegt der Kanton Zug den jämmerlichen 19. Platz.»
Pirmin Frei nimmt kein Blatt vor den Mund: «Heute haben wir in Zug eine ausserordentlich gute Bildung. Es befremdet mich, wenn nun die Lehrer ihre Löhne so hervorstreichen. Ich finde, man kann von ihnen erwarten, dass Sie mit den Einbussen leben können.» Das war ein direkter Seitenhieb an den Sekundarlehrer Zari Dzaferi.
Ein Sammelsurium an Massnahmen
Dieser lacht ungläubig, dementiert, die Lehrerlöhne hervorgehoben zu haben und ergänzt: «Das Sparpaket beinhaltet vielmehr ein Sammelsurium von Massnahmen zum Abbau in der Bildung. Und das ist gewaltig. Die meisten dieser Massnahmen haben einen direkten Einfluss auf die Unterrichtsqualität.»
«Das ist das Resultat aus einer falschen Finanzpolitik.»
Zari Dzaferi, Kantonsrat SP
Wo denn Dzaferi sparen würde, lautet die nächste Frage. Er antwortet: «Das Problem liegt doch beim nationalen Finanzausgleich. Wir müssen mal schauen, wie wir in diese Situation gekommen sind, dass wir so viel zahlen müssen. Das ist das Resultat aus einer falschen Finanzpolitik.» Vielmehr ist Dzaferi der Ansicht, man hätte viel eher die Steuern erhöhen sollen.
Das lässt sich der Finanzdirektor nicht gefallen. «Wir hätten also früher reagieren sollen? Ich frage mich, wie wie wir denn dagestanden wären, wenn wir dem Zuger Stimmvolk bereits vor zwei Jahren – als wir noch einen grossen Ertragsüberschuss vorweisen konnten – eine Steuererhöhung angekündigt hätten!»
Und warum kommt man denn nicht jetzt mit einer Vorlage zur Steuererhöhung? Frei erklärt: «Das Problem können wir nicht kurzfristig mit höheren Steuern lösen, da wir keine Zeit haben. Eine Steuerrevision braucht etwa zwei Jahre.»
Es ist doch wie im Privathaushalt
Stocker gibt sich in der Debatte ziemlich pragmatisch: «Es ist wie im Privathaushalt. Wenn man dort sparen muss, kocht man vielleicht ein einfacheres Menü oder fährt weniger in die Ferien. Und wir sind jetzt auf der Schwelle, an der’s langsam ans Lebige geht.» Sie macht eine Faust und dreht sie um – eine Würgbewegung? – «und es stehen neue Gewitterwolken am Himmel. Wir können aber jetzt nicht bei anderen Kantonen betteln gehen, wenn wir im schweizweiten Vergleich noch immer über den Verhältnissen leben.»
«Wir dürfen nicht vergessen, dass die Reichen viel mobiler sind als etwa der Abwart von dieser Schule.»
Cornelia Stocker, Kantonsrätin (FDP)
Auch von der Idee Haas’, die Reichen mittels Steuererhöhung stärker zur Kasse zu bitten, hält Stocker nichts: «Wir dürfen nicht vergessen, dass die Reichen viel mobiler sind als etwa der Abwart von dieser Schule, und deshalb viel schneller den Ort oder das Land verlassen. Wir müssen sie deshalb pfleglich behandeln.»
Das Fazit des Abends. Wir wissen jetzt, dass das Sparen nicht einmal vor Heimbewohnern halt macht. Wir wissen, dass die Regierung mit einer Steuererhöhung liebäugelt – einfach noch nicht heute und morgen. Und wir wissen, dass wir sowohl mit als auch ohne Sparpaket in der Suppe hocken. Das Volk kann einzig mitentscheiden, wie diese schmecken soll.
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