Die Airbnb-Initiative hat Folgen: Die SP geht mit breiter Brust in die Kantons- und Regierungsratswahlen. Anderswo sucht man nach Erklärungen.
Die Schweiz reibt sich verwundert die Augen: Ausgerechnet die Tourismusstadt Luzern gibt sich selber die restriktivste gesetzliche Bestimmung für die kommerzielle Vermietung von Ferienwohnungen. Mit der Annahme der Airbnb-Initiative mit 64,3 Prozent Ja-Stimmen begrenzt die Stadtluzerner Bevölkerung die Vermietung auf nur noch maximal 90 Tage im Jahr.
Weil der Gegenvorschlag der Stadt nicht einmal die 50-Prozent-Marke erreichte, kam es nicht zum Stichentscheid (zentralplus berichtete). Man mag es drehen und wenden, wie man will: Die SP als Urheberin der Initiative ist die grosse Gewinnerin – obwohl die Initiative aktuell bloss rund 400 Wohnungen oder 0,8 Prozent des Wohnungsmarktes betrifft (zentralplus berichtete). Der Stadtrat und die im Komitee «Kluge Lösung statt Verbot von Ferienwohnungen» versammelten Parteien SVP, FDP, Mitte, Grünliberale und Grüne haben den Urnengang verloren.
«Mit einem Wähleranteil von 27 Prozent und gegen alle anderen Parteien, von den Grünen bis zur SVP, haben wir 64 Prozent Ja-Stimmen geholt. Das ist ein grosser Erfolg für uns und zeigt die Dringlichkeit des Anliegens», unterstreicht Grossstadtrat Yannick Gauch, Präsident der SP Stadt Luzern, diesen wegweisenden Entscheid.
Er erkennt nicht nur in Luzern einen vordringlichen Bedarf an bezahlbarem Wohnraum. Gauch unterstreicht, wie sehr auch die Bevölkerung in anderen Teilen des Kantons von steigenden Mietkosten betroffen sind. Und er wagt die Aussage: «Die SP ist die einzige Partei, die sich konsequent für die Mieterinnen einsetzt. Das wird auch auf dem Land honoriert.» Vergeblich habe die SP versucht, die Grünen als Bündnispartner ins Boot zu bekommen.
Tourismus-Argument im Gegenvorschlag ist nicht durchgedrungen
Doch zurück zur Spurensuche. Was ist beim Komitee aus Mitte, Grünen, Grünliberalen, FDP und SVP nicht wunschgemäss verlaufen? Schliesslich hat auch die Stadt ihren Gegenvorschlag noch einmal nachkorrigiert, um möglichst alle Parteien hinter sich zu bringen und die Initiative abzuschmettern.
«Leider kann es zur Umsetzung einer rechtskräftigen Regelung der Airbnb-Regelung nun möglicherweise noch Jahre dauern.»
Kilian Buck, Vorstandsmitglied Grüne Stadt Luzern
Laut Michael Küchler, Co-Präsident der Grünliberalen der Stadt Luzern, lag es nicht an der fehlenden Werbung. Das Komitee habe in alle Stadtluzerner Haushalte Flyer geschickt: «Wir haben uns diese sehr direkt auf die Wählerinnen und Wähler ausgerichtete Massnahme einiges kosten lassen», sagt er gegenüber zentralplus.
Er bedauert, «dass die für Familien sehr attraktive Nische Airbnb so stark eingeschränkt wird». Das Argument des Komitees, mit dem Gegenvorschlag den Tourismus besser zu unterstützen als es die Initiative tut, sei nicht durchgedrungen.
«Auch der Gegenvorschlag war restriktiv»
Mirjam Fries, Fraktionschefin der Mitte, wehrt sich dagegen, die Dringlichkeit des Handlungsbedarfs verkannt zu haben. «Auch der Gegenvorschlag war restriktiv und hatte die Unterstützung einer klaren Mehrheit im Grossen Stadtrat», sagt sie. «Aber der Bevölkerung war er offenbar nicht restriktiv genug.» Im Nachhinein habe sich gezeigt, dass die Befürworter des Gegenvorschlags die Bevölkerung mit ihren Argumenten zu wenig erreicht hätten.
«Indem sie für den Gegenvorschlag eintraten, haben sich die Grünen in der Stadt Luzern geschwächt und wohnpolitisch unglaubwürdig gemacht.»
Yannick Gauch, Präsident SP Stadt Luzern
Sie betont, dass der Gegenvorschlag den grossen Vorteil gehabt hätte, dass er sehr rasch umsetzbar gewesen wäre. «Bei der Initiative sind mögliche Umsetzungen nun noch zu klären.»
Ins gleiche Horn bläst Kilian Buck, Vorstandsmitglied der Grünen, die gemeinsam mit der GLP am Ursprung des Gegenvorschlags standen (zentralplus berichtete): «Leider kann es zur Umsetzung einer rechtskräftigen Airbnb-Regelung nun möglicherweise noch Jahre dauern», führt er aus. «Mit dem Gegenvorschlag haben wir uns für ein Reglement eingesetzt, das etwas mehr Spielraum bot. Aber dieses wäre bereits ab diesem Juli in Kraft gewesen und hätte so das Airbnb-Wachstum klar begrenzt.» Doch weil der Gegenvorschlag für Anbieter von Ferienwohnungen eine zehnjährige Bestandsgarantie beinhaltete, vermochte dieses Argument nicht zu überzeugen.
Linksgrünes Bündnis: Ist es geschwächt oder gestärkt?
Was hat der vergangene Sonntag für Auswirkungen auf die Zusammenarbeit im links-grünen Lager? Die Gewinner mit Wortführer Yannick Gauch lassen es nicht aus, den Grünen einen Rüffel zu erteilen: «Indem sie für den Gegenvorschlag eintraten, haben sich die Grünen in der Stadt Luzern geschwächt und wohnpolitisch unglaubwürdig gemacht.»
Das ist starker Tobak. Anders klingt es bei den Grünen. Kilian Buck ist eher dazu geneigt, die Wogen zu glätten. Er erwartet nicht, dass die Abstimmung die linke Kantonsratsvertretung im Wahlkreis Stadt Luzern schwächt. «Bei unserer Grundhaltung zum Schutz des Wohnraums gab es mit der SP nie Differenzen. Darum sehe ich da keine Auswirkungen.»
Es bleiben Fragen offen
Dass sich die beiden in der Stadt sehr gut verankerten linken Parteien wieder finden, ist anzunehmen. Im Hinblick auf die Wahlen vom 2. April stellen sich daher mit dem Ausgang des vergangenen Abstimmungswochenendes folgende Fragen:
Wird die SP durch diesen Coup Sitzgewinne erreichen für den Wahlkreis Stadt Luzern im Kantonsrat? Falls ja, werden diese zulasten der Grünen gehen? Oder wird es neu eine links-grüne Mehrheit bei den Stadtluzerner Kantonsräten geben, so wie eben bereits seit längerer Zeit im Stadtparlament? Klar ist für den 2. April nur: Die SP tritt im städtischen Wahlkreis mit breiter Brust an.
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