Politik
Geplante Einführung des Klimarappens in Luzern

SP-Dilemma: Wenn sich Klimaschutz mit Sozialpolitik beisst

Wegen Massnahmen für den Klimaschutz steigt künftig die Stromrechnung. Ein sozialpolitisches Dilemma für SP-Grosstadträte Lena Hafen und Mario Stübi. (Bild: Adobestock/zvg) (Bild: Adobestock/zvg)

Essen, Autofahren, Strom und Heizen: Das alltägliche Leben kostet immer mehr. Und nun will die Stadt im Namen des Klimaschutzes die Stromrechnung teurer machen. Klima- und Sozialpolitik wird somit zum Balanceakt.

Das Gipfeli am Morgen, der Weg zur Arbeit und auch das Wohnen werden derzeit teurer. Durch globale Entwicklungen wie Corona und den Ukraine-Krieg zahlen Luzerner bereits 231 Franken pro Monat mehr als noch vor einem Jahr (zentralplus berichtete). Ein Ende ist vorerst nicht in Sicht, wohl eher das Gegenteil. Wie viel mehr Luzernerinnen 2023 für ihren Strom zahlen müssen, wird erst im August bekannt. Bis dahin kann noch viel passieren.

Stromzuschlag fürs Klima

Um die steigenden Preise abzufedern, sind linke Politiker auf allen Ebenen aktiv geworden. So ist in der Stadt Luzern ein Vorstoss von Lena Hafen und Mario Stübi (SP) hängig, der eine drohende Energiearmut verhindern soll (zentralplus berichtete). Auf Kantonsebene will Hasan Candan (SP) wissen, wie der Kanton Luzern auf die steigenden Nebenkosten reagiert (zentralplus berichtete). Und auf Bundesebene setzt sich Michael Töngi (Grüne) für eine Abfederung der hohen Nebenkosten ein.

Bloss: Rein mit Massnahmen gegen die hohen Nebenkosten ist es nicht getan. Denn auch ohne schwankende Ölpreise wird Wohnen künftig teurer. Und das ausgerechnet wegen des zweiten Steckenpferds der linken Parteien: wegen dem Klimaschutz. Neue Heizungen und Fassaden dämmen – energetische Sanierungen gehen ins Geld. Und die Politik befürchtet, dass diese Kosten letztlich auf die Mieterinnen abgewälzt werden (zentralplus berichtete).

«Dass wir nun handeln müssen, haben wir uns über Generationen hinweg mit unserem unbedarften Lebensstil selbst eingebrockt.»

Mario Stübi, SP-Grossstadtrat

Doch auch für die Kosten anderer Klimamassnahmen zahlen die Luzerner einen Zuschlag: Die Stadt Luzern plant, zur Finanzierung die Konzessionsgebühren schrittweise zu erhöhen. Dies schlägt sich dann in einer höheren Stromrechnung nieder. Zudem soll 2025 ein Klimarappen eingeführt werden – womit die jährliche Stromrechnung der Luzerner rund 60 Franken teurer wird (zentralplus berichtete). Und das ausgerechnet, wenn ein Vorstoss gegen Energiearmut hängig ist.

Klimaschutz oder Sozialpolitik? Für SP ist beides wichtig

Letztlich beisst sich der Klimaschutz mit einem grundlegenden Anliegen der SP: Dass das Leben für alle bezahlbar bleibt. Für Grossstadträtin Lena Hafen (SP) ist es trotzdem keine Entweder-oder-Frage: «Es ist notwendig, die Klimakrise jetzt anzugehen. Gleichzeitig müssen wir aber auch die sozialen Auswirkungen der Massnahmen beobachten und, wenn nötig, abfedernde Massnahmen beschliessen.»

Zudem zeige gerade die aktuelle Situation, wie unsicher die Preise fossiler Energie seien. Solche Teuerungen gehören auch zukünftig dazu – wobei es die finanziell Schwächeren am meisten trifft. «Mit erneuerbaren Energien wäre das Risiko viel geringer», so Hafen weiter.

Ins gleiche Horn bläst Co-Postulant Mario Stübi (SP): «Die Herausforderung des Klimawandels ist so gross und umfassend, dass die Bekämpfung nicht an den Kosten scheitern darf.» Dass dies mit höheren Rechnungen für alle verbunden ist, sei nun halt unbequem: «Dass wir nun handeln müssen, haben wir uns über Generationen hinweg mit unserem unbedarften Lebensstil selbst eingebrockt. Wir sind nun halt die Generation, die das gerade biegen muss.» Trotzdem schaue die SP, dass sie mit Vorstössen die sozialen Bedingungen verbessern könne. Bis dahin könne man die zusätzlichen Konzessionsgebühren zum Anlass nehmen, den eigenen Energiekonsum zu hinterfragen, so der Grossstadtrat.

Es bleibt also ein schwieriger Spagat. So schreibt auch Hasan Candan in seinem Vorstoss: «Es gilt, die Bevölkerung vor der drohenden Energiearmut zu schützen und die Akzeptanz zur Dringlichkeit der Erreichung der Klima- und Energieziele nicht zu schmälern.»

Luzern packt Gebühren drauf, Zug baut sie ab

Dass es auch anders geht, zeigt hingegen der Blick über die Kantonsgrenze: Während in Luzern die Konzessionsgebühren schrittweise erhöht werden, bauen die Zuger Gemeinden die Gebühren schrittweise ab. So verzichten bereits Zug, Risch, Baar und Walchwil auf die Gebühren der WWZ. In Cham wurden diese kürzlich um rund 50 Prozent gesenkt. Und in Unterägeri versucht die FDP mittels Motion die Gebühren ebenfalls abzuschaffen (zentralplus berichtete).

«Wir müssen auch die sozialen Auswirkungen der Massnahmen beobachten und, wenn nötig, abfedernde Massnahmen beschliessen.»

Lena Hafen, SP-Grossstadträtin

Wie Präsidentin Gabriela Ingold auf Anfrage erklärt, sei dies schon seit rund sechs Jahren ein Anliegen der FDP. Anlass dazu, dass das Thema jetzt wieder aufkommt, sei der sehr positive Jahresabschluss (zentralplus berichtete). Hinzu kommen die seit dem Ukrainekrieg gestiegenen Stromkosten. «So können wir den Steuerzahlern etwas zurückgeben.» Die FDP-Präsidentin von Unterägeri ist zuversichtlich, dass der Gemeinderat dem Anliegen nachkommt. «Im besten Fall direkt im Budget, damit die Motion in der Gemeindeversammlung im Dezember allenfalls bereits abgeschrieben werden könnte.»

Wieso ist das in der Leuchtenstadt nicht auch möglich? «Das ist einfach der Weg der Klimafinanzierung, den die Stadt Luzern gewählt hat», erklärt Stübi. «Und dieser wird von links bis rechts getragen.» Die Zuger hätten hingegen mit anderen Problemen zu kämpfen, wie beispielsweise bezahlbarem Wohnraum. «Sollte es aber irgendwann möglich sein, die Gebühren wieder zu senken – noch so gern!»

Verwendete Quellen
  • Telefonat Lena Hafen, SP-Grossstadträtin
  • Telefonat Mario Stübi, SP-Grossstadtrat
  • Informationen zu Konzessionsgebühren der WWZ der Zuger Gemeinden
  • Telefonat mit Gabriela Ingold, Präsidentin FDP Unterägeri
  • Informationen zur Gemeindeversammlung Cham vom Dezember 2021
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