Parlament fühlt sich übergangen

Sonntagsverkauf in Luzern: Regierung erntet massive Kritik

Ein Bild zu Zeiten vor Corona: Um diesen Status quo wiederherzustellen, will Fabian Peter bessere Rahmenbedingungen. (Bild: Emanuel Ammon/Aura)

Wirtschaftsdirektor Fabian Peter setzt sich auf nationaler Ebene für Lockerung der Ladenöffnungszeiten ein. Der Sonntagsverkauf soll in Luzern möglich werden. Prompt hagelt es Kritik: Er umgehe damit den lokal ausgehandelten Kompromiss und den Willen des Parlaments, so der Vorwurf.

Die Ladenöffnungszeiten sind im Kanton Luzern ein heisses Eisen. Damit haben sich die Jungfreisinnigen 2013 deutlich die Finger verbrannt. Ihre Initiative zur Liberalisierung der Öffnungszeiten wurde mit rund 69 Prozent Nein-Stimmen deutlich bachab geschickt. Nach jahrelangem Ringen hat sich das Parlament schliesslich auf einen Kompromiss geeinigt: Die Ladenschlusszeiten wurden ausgedehnt, dafür fiel einer der Abendverkäufe (zentralplus berichtete).

Luzerner Läden fühlen sich umgangen

Eineinhalb Jahre später sollen die Regeln nun erneut gelockert werden, findet der Luzerner Wirtschaftsdirektor Fabian Peter. Zusammen mit seinen Amtskollegen in Zürich und Tessin fordert er auf nationaler Ebene, dass in touristischen Städten die Ladenöffnungszeiten gelockert werden. Bisher stand diese Option nur «Kur-, Sport-, Ausflugs-, und Erholungsorten» offen. Die Wirtschaftsdirektionen begründen dies mit der Wiederbelebung der Innenstädte nach dem Ausbleiben der Touristinnen. Und damit, dass man einheitliche Spiesse für alle Kantone und Regionen will.

Peters Engagement erntet viel Kritik aus Luzern. Der Luzerner Gewerkschaftsbund sowie der Detaillistenverband werfen ihm vor, er ignoriere den Willen der Stimmbevölkerung und Ladenbesitzer. Sie haben in einer Medienmitteilung angekündigt, «die Aushebelung der Sonntagsruhe» vehement zu bekämpfen (zentralplus berichtete).

Der Geschäftsleiter des Luzerner Gewerkschaftsbunds, SP-Kantonsrat Marcel Budmiger, macht auch gleich Nägel mit Köpfen: Mit einer dringlichen Anfrage fragt er den Regierungsrat, ob er die Haltung Peters teile. Auch bei anderen Luzerner Politikern sorgt die Meldung für rote Köpfe. Die Mitte Luzern spricht gar von einem «Buebetrickli» und fragt die Regierung, wie diese Peters Engagement im Hinblick auf den bisherigen Kompromiss beurteile (zentralplus berichtete).

Grosser Handlungsspielraum für künftigen Tourismus

In seiner Antwort stärkt der Luzerner Regierungsrat dem Wirtschaftsdirektor Fabian Peter den Rücken. Der Städtetourismus schaffe Arbeitsplätze und trage zur Attraktivität von Luzern als Wirtschaftsstandort bei. Diesen gelte es deshalb mit «neuen Konzepten und gezielten Korrekturen der regulatorischen Rahmenbedingungen» zu fördern. Die Regierung will mehr auf den Nah-Tourismus und längere Aufenthalte setzen.

Während touristische Bergregionen freie Hand in der Gestaltung ihrer Öffnungszeiten hätten, ist dies in den Städten nicht möglich. «Im Hinblick auf die Erarbeitung des kantonalen Tourismusleitbildes sollen die Voraussetzungen und der Handlungsspielraum möglichst gross sein», so die Luzerner Regierung.

«Zum Thema Ladenöffnungszeiten hat das Volk alles gesagt.»

Armin Hartmann, Präsident der SVP-Fraktion

Den Vorwurf des «Buebetrickli» weist die Regierung entschieden zurück. Mit dem nationalen Vorgehen werde sich nicht per se etwas an den Ladenöffnungszeiten im Kanton Luzern ändern. Erst nachdem dieses Anliegen national aufgenommen wird, könnten auf kantonaler Ebene weitere Schritte diskutiert werden. Bis zu allfälligen Änderungen ist es deshalb noch ein langer Weg. Deshalb habe die Regierung nicht alle Betroffenen und die Luzerner Stimmbevölkerung dazu informiert.

Mit diesen Antworten sind die Parlementarierinnen in der Kantonsratsdebatte nur mässig zufrieden. Markus Gehrig (Mitte) ist skeptisch, dass die angestrebten Änderungen der Regeln den einheimischen Tourismus beflügeln. Er gehe eher davon aus, dass mit dem Sonntagsverkauf in Luzern die «Schmuck- und Uhrenwüste künstlich beatmet wird». Denn kleinere Läden könnten die angestrebten Anpassungen gar nicht stemmen.

Auch Marcel Budmiger (SP) findet, man könne den Tourismus anders fördern. Die negativen Auswirkungen auf die Direktbetroffenen davon seien jedoch sicher. Bereits jetzt hätten Detailhandelsangestellte harte Arbeitsbedingungen.

«Die Unternehmen hängen nicht gern am Tropf des Staates. Wir müssen nun kreativ sein und neue Entwicklungen begrüssen.»

Ursula Berset, Kantonsrätin der GLP

Die Mitte und die SP erhalten dabei von beiden Seiten des politischen Spektrums Unterstützung. Armin Hartmann (SVP) kritisiert insbesondere das Vorgehen der Regierung. Diskussionen zu Ladenöffnungszeiten seien ein emotionales Thema, das eine gewisse Vorsicht gebiete. Die Regierung habe diese vermissen lassen. Er warnt von einem schweren Stand beim Volk: «Zum Thema Ladenöffnungszeiten hat das Volk alles gesagt.»

Auch die Junge Grüne/Grüne-Fraktion findet das Vorgehen Peters «unsensibel». Zwar sei kantonal noch nichts geändert, so Fabrizio Misticoni, doch die Regierung offenbare damit eine klare Haltung für den Sonntagsverkauf in Luzern. Dies, obwohl dessen positive Auswirkungen für die erklärten Ziele fraglich seien.

Freisinnige fordern Mut zu Veränderungen

Schützendeckung erhält die Regierung hingegen wenig überraschend von den Freisinnigen. Die GLP unterstütze die Haltung der Regierung, erklärte Ursula Berset. «Die Unternehmen hängen nicht gern am Tropf des Staates. Wir müssen nun kreativ sein und neue Entwicklungen begrüssen», so Berset. Zudem weist sie ihre Ratskollegen darauf hin, dass ein etwaiger Entscheid nicht ohne die Zustimmung des Kantonsrats gemacht werde.

Auch Heidi Scherer der FDP nimmt ihren Parteikollegen in Schutz. Bereits vor der Pandemie habe sich das Einkaufsverhalten stark geändert. Nun gelte es, sich dieser veränderten Welt anzupassen und dafür sei Flexibilität gefragt.

Und wie stehen Direktbetroffene dazu? Josef Williner, der Präsident der City Vereinigung Luzern, lässt durchblicken, dass er der Öffnungszeiten-Debatte nicht abgeneigt ist. Um den Tourismus wieder anzukurbeln, brauche es «eine Diskussion über verschiedene Möglichkeiten», wie er auf Anfrage schreibt.

«Dass sich der Regierungsrat mit der Zukunft vom Tourismus auseinandersetzt und sich bezüglich konkurrenzfähigen Rahmenbedingungen Gedanken macht, begrüssen wir deshalb sehr.» Eine Kehrtwende? Als der Schweizer Tourismus im Sommer 2020 ein ähnliches Anliegen aufs Tapet brachte, bezweifelte er noch dessen Wirksamkeit (zentralplus berichtete).

Verwendete Quellen
  • Gemeinsame Medienmitteilung des Luzerner Gewerkschaftsbunds und Detaillistenverbands Kanton Luzern
  • Gemeinsame Medienmitteilung Wirtschaftsdirektion Zürich, Tessin, Luzern
  • Abstimmungsresultate Volksabstimmung 9. Juni 2013 zu Ladenöffnungszeiten
  • Anfrage A 781 von Marcel Budmiger vom 24. Januar 2022
  • Anfrage A 773 von Markus Gehrig vom 24. Januar 2022
  • Antworten des Luzerner Regierungsrats zu den Anfragen
  • Verfolgung der Debatte im Kantonsrat vom 25. Januar
  • Mail-Verkehr mit Josef Williner, Präsident City Vereinigung Luzern
  • Vergangene Medienberichte von zentralplus
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1 Kommentar
  • Profilfoto von Rudolf 1
    Rudolf 1, 29.01.2022, 12:28 Uhr

    Nochmals: So lange den Verkäuferinnen ein Gesamtarbeitsvertrag mit einem Mindestlohn von 23 CHF vorenthalten wird, werden die Stimmberechtigten auch keinen erweiterten Ladenöffnungszeiten zustimmen.

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