Erst Koordination, dann Fachhochschule

So wollen Luzern und Zug die Pflegeinitiative vorantreiben

In den Spitälern herrscht Personalmangel. (Bild: zvg)

Der Fachkräftemangel in der Pflege spitzt sich zu, Spitäler müssen deswegen einen Teil ihrer Betten schliessen. Nun hat die Zentralschweizer Gesundheitsdirektorinnen- und Direktorenkonferenz (ZGDK) beschlossen, eine Koordinationsstelle zu schaffen. Diese soll sich für die Umsetzung der Pflegeinitiative starkmachen.

Jeden Monat schmeissen rund 300 Pflegefachleute den Bettel hin. Der Fachkräftemangel spitzt sich zu.

So waren im Luzerner Kantonsspital (Luks) Stand Mitte September beispielsweise 220 Stellen ausgeschrieben. Und wo kein Personal, da auch keine Betten: Das Spital kann nur jene Betten bewirtschaften, für die es genügend Personal hat. Deswegen musste das Luks vereinzelt auch Betten schliessen (zentralplus berichtete).

Zwar hat sich das Schweizer Stimmvolk vor einem Jahr für die Pflegeinitiative ausgesprochen. Die grosse Euphorie nach der Annahme ist aber verflogen. So sagte Miriam Rittmann, die Präsidentin des Zentralschweizer Pflegeverbands, im März 2022 zu zentralplus: «Wir befürchten, dass sich die Versprechen einiger Politiker als blosse Lippenbekenntnisse entpuppen.» Man dürfe sich nicht auf dem Ja ausruhen, denn die Erwartungen seien hoch, dass sich die Situation in der Pflege verbessere.

Gesundheitsdirektorenkonferenz will Koordinationsstelle schaffen

Auch die Gesundheitsdirektorinnen treibt die Frage um, wie sie dem Fachkräftemangel entgegenwirken können. Am Montag fand eine Sitzung der ZGDK statt.

Grund zur Sorge besteht durchaus: «Die einzelnen Betriebe und die Branche insgesamt beklagen nach rund zwei Jahren Pandemie vermehrt frühzeitige Berufsaustritte oder vorübergehende Austritte», teilt die ZGDK in einer Medienmitteilung mit. Und auch die Ausbildungszahlen seien rückläufig.

Deswegen will die ZGDK unter anderem eine Koordinationsstelle schaffen. Diese soll «eine wirkungsvolle Umsetzung der Pflegeinitiative in der Zentralschweiz sicherstellen», so die ZGDK weiter. «Die Koordinationsstelle soll zentrale Grundlage-Arbeiten wahrnehmen, Umsetzungsfragen klären und Umsetzungsvorschläge als Diskussions- und Entscheidungsgrundlagen für die Zentralschweizer Kantone erarbeiten und diese somit entlasten.»

Beratung und Koordination

Wie soll diese Koordinationsstelle genau aufgestellt sein? Antwort darauf gibt Hanspeter Vogler, Leiter Fachbereich Gesundheitswesen des Kantons Luzern. Er sagt, dass angedacht sei, die Stelle beim Bildungszentrum Xund anzusiedeln. Zu Beginn sei ein befristetes 50-Prozent-Pensum vorgesehen für die Einführungsphase der Pflegeinitiative beziehungsweise der Ausbildungsoffensive. Dann prüfe man, ob weiterer Bedarf an einer solchen Koordinationsstelle bestehe. «Aufgabe der Koordinationsstelle wird es aber nicht sein, politisch Druck auf die Kantone auszuüben – sondern sie zu beraten und zu koordinieren», so Vogler.

Die ZGDK plant auch andere Massnahmen. So will sie sich für die geplante Einführung einer «Zentralschweizer Woche der Gesundheitsberufe 2023» starkmachen – oder Kampagnen weiterhin unterstützen, mit denen man Quer- und Wiedereinsteigerinnen für die Pflegeberufe gewinnen will.

Enormer Druck in der Pflege – das hat auch etwas Gutes

Ist das nicht alles nur ein Tropfen auf den heissen Stein? Auf Anfrage sagt Miriam Rittmann: «Wir begrüssen die Schaffung der neuen Koordinationsstelle sehr. Ich bin überzeugt: Es ist eine Chance, wenn die Zentralschweizer Kantone zusammenspannen und mit einer Koordinationsstelle im Sinne der öffentlichen Hand mitgestalten und koordinieren können und Verantwortung übernehmen.»

Sie hofft, dass die Zentralschweizer Sektion des Pflegeverbands SBK auch als Partnerorganisation miteinbezogen wird. «Es ist wichtig, dass wir alle am selben Strick ziehen und gemeinsame Massnahmen planen.»

Weniger Einnahmen für Spitäler

Der Fachkräftemangel sei besorgniserregend, so Rittmann weiter. Sie spricht von einem Teufelskreis: Es sind fast 300 Menschen, die pro Monat aus den Pflegeberufen aussteigen. Es sind die Spitäler, die wegen des Personalmangels Betten schliessen müssen. «Dadurch verringert sich die Einnahmequelle für Spitäler – zugleich bleibt die Arbeit liegen und der Druck auf das zurückbleibende Personal steigt weiter», sagt Rittmann. Doch dies alles führe auch dazu, dass dadurch Kantone und Arbeitgeber in die Gänge kämen. «Der Druck durch diesen Teufelskreis ist mittlerweile derart gestiegen ist, dass es uns eben auch dazu bringt, neue Modelle zu denken. Das stimmt mich positiv, dass nun auch dank der Pflegeinitiative auf mehreren Ebenen etwas Bewegung in die Sache kommt.»

Gemäss Rittmann stehen die Arbeitgeber in der Pflicht, Arbeitszeitmodelle so zu gestalten, dass sie beispielsweise die Vereinbarkeit von Beruf und Familie fördern und Dienstpläne verbindlicher werden. Und das kostet etwas, betont Rittmann. «Wenn wir über die Umsetzung der Pflegeinitiative und bessere Arbeitsbedingungen sprechen, um psychischen Stress in den Pflegeberufen zu vermindern, so müssen wir auch darüber sprechen, dass wir dafür genügend Geld in die Hand nehmen müssen. Mehr Erholungszeit für das Pflegepersonal, das kostet.»

In der Zentralschweiz fehlt eine Fachhochschule

Bewegung gibt es in einer anderen Sache: Derzeit drängt sich die Frage auf, ob in der Zentralschweiz eine Fachhochschule nötig ist. Denn als einzige Region in der Schweiz hat die Zentralschweiz keinen eigenen Ausbildungsstandort für Pflege oder Pflegewissenschaften auf Bachelor- und Masterstufe. Das strafe Zentralschweizer Gesundheitsbetriebe mit mehreren Nachteilen ab. Studierende müssten für solche Ausbildungen die Region verlassen – und würden dann andernorts ins Berufsleben einsteigen.

Die HSLU hat in diesem Herbst den Auftrag erhalten, zusammen mit dem Bildungszentrum Xund spezifische Aus- und Weiterbildungsangebote zu prüfen, um dem Fachkräftemangel und der Abwanderung von Fachpersonal entgegenzuwirken. «Bis 2029 entsteht in der Zentralschweiz schätzungsweise ein Nachwuchsbedarf von 450 Pflegefachpersonen mit FH-Abschluss», sagt dazu Xund-Direktor Jörg Meyer. «Das Gros der regionalen Gesundheitsbetriebe befürwortet daher einen Ausbildungsstandort Zentralschweiz.»

Entscheid im kommenden Jahr

Miriam Rittmann pflichtet ihm bei. Sie betont die Wichtigkeit der Schaffung einer Fachhochschule, um der Talentabwanderung entgegenwirken zu können. «Die Herausforderungen im Pflegealltag brauchen neue Kompetenzen», sagt sie. «Die Arbeit muss auf mehr Fachleute mit entsprechenden Fähigkeiten verteilt werden.» Auch dies sei eine Massnahme, um die Pflegefachleute im Beruf zu halten.

Wie geht es mit der Idee weiter? Der Fachhochschulrat der HSLU, der Stiftungsrat von Xund und die Trägerkantone der HSLU haben nun grünes Licht gegeben für die Entwicklung konkreter Vorschläge von Ausbildungsangeboten in Pflege und Medizintechnik/Life Sciences.

Auch im Luzerner Kantonsrat fand eine dazu eingereichte Bemerkung klare Zustimmung. Voraussichtlich Ende 2023 soll der finale Entscheid des Konkordatsrates zur Projektumsetzung erfolgen. Entsprechend könnten bei einem positiven Entscheid im Herbst 2024 erste Aus- und Weiterbildungen starten.

Verwendete Quellen
  • Medienmitteilung der Zentralschweizer Gesundheitsdirektorinnen- und Direktorenkonferenz
  • Telefonat mit Miriam Rittmann
  • Medienmitteilung der HSLU & Xund zur Prüfung des ergänzenden FH-Angebots im Gesundheitsbereich
  • Telefonat mit Hanspeter Vogler
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