Verwaltungsgerichts-Wahl

So viel kostete die Kandidatur von Stefan Thöni wirklich

Parat-Präsident Stefan Thöni (oben links) und Charly Keiser (unten rechts) werden wohl keine Freunde mehr. (Bild: Sturmbild: Johannes Plenio via unsplash | Bild Charly Keiser: Kanton ZG / Bild Stefan Thöni: zvg)

Stefan Thöni hat stille Verwaltungsgerichtswahlen verhindert. Ein Beschluss der Zuger Regierung zeigt auf, welche Kosten dies verursachte. Und ein Politikwissenschaftler betont, wie wichtig eine echte Auswahl ist.

Stefan Thöni äussert sich am Telefon hörbar zufrieden: 8’458 Stimmen hat er am Sonntag bei den Verwaltungsgerichtswahlen erreicht. Das ist für jemanden, der keiner der grossen Zuger Parteien angehört, ein beachtliches Ergebnis. 31,6 Prozent der Stimmberechtigten, die gültig wählten, hatten seinen Namen auf ihren Wahlzettel geschrieben. Dies sei der höchste Wert seiner bisherigen Kandidaturen, sagt Stefan Thöni.

Auch vom absoluten Mehr (11’079 Stimmen) war er gar nicht so weit entfernt. «Das Ganze läuft in die richtige Richtung», bilanziert der Kandidat der Parat-Partei. Und stellt schon gleich mal in Aussicht, auch bei anderer Gelegenheit wieder antreten zu wollen.

Ohne Stefan Thöni wäre es zu stillen Wahlen gekommen

«Zehntausende von Franken» koste die Kandidatur von Stefan Thöni die Steuerzahler «ein weiteres Mal», schrieb der frühere Journalist Charly Keiser Ende April in einem Leserbrief in der «Zuger Zeitung» (zentralplus berichtete).

Keiser bezog sich dabei auf eben diese Zuger Verwaltungsgerichtswahlen vom vergangenen Sonntag. Dabei ging es um die Besetzung zweier Ersatzrichter-Sitze. Ohne die Bewerbung von Thöni wäre es zu stillen Wahlen gekommen. Im erwähnten Text von zentralplus sprach Charly Keiser dann allerdings von Kosten im Umfang von «einigen tausend Franken».

Welche Kosten verursachte diese Wahl nun aber wirklich? Gleich vorneweg: «Zehntausende von Franken» waren es ganz sicher nicht.

Alle Kosten detailliert aufgelistet

Die Frage lässt sich ganz einfach und präzise beantworten – wenn man den entsprechenden Regierungsratsbeschluss vom 1. Februar 2022 konsultiert. Dort sind alle Kostenstellen fein säuberlich aufgelistet. Demnach betragen die Aufwendungen für den ersten Wahlgang insgesamt gerade mal 8’000 Franken. Primär geht es dabei um den Druck der Wahlanleitung (Flyer) im Betrag von 3’400 Franken und um den Druck des Wahlzettelbogens im Betrag von 4’300 Franken.

Weil an diesem Sonntag auch ein eidgenössischer Urnengang stattfand, waren keine zusätzlichen Zustellcouverts und Stimmzettelcouverts nötig. Ebenso entfielen allfällige zusätzliche Kosten für die Verpflegung des Personals der Wahlbüros.

Wenn immer möglich an einem Kombi-Termin

Gemäss dem erwähnten Regierungsratsbeschluss gingen die Einpack- und Versandkosten zu Lasten der Gemeinden. Dieser Posten kann vorliegend aber als vernachlässigbar bezeichnet werden, da die entsprechenden Ausgabenposten wegen der eidgenössischen Abstimmungen eh anfielen.

Landschreiber Tobias Moser erklärt denn auch: «Usanzgemäss unterbreitet die Staatskanzlei für die Festsetzung von Ergänzungswahlen dem Regierungsrat – wenn immer rechtlich vertretbar – als Wahltag einen sogenannten Kombi-Termin.» Damit ist ein Tag gemeint, an welchem gerade auch ein eidgenössischer Urnengang stattfindet. «So lassen sich die Ohnehin-Kosten senken, vor allem die Versandkosten für die Gemeinden.»

In den letzten zehn Jahren sei es – Irrtum vorbehalten – nie vorgekommen, dass eine vergleichbare Wahl separat, also ohne weitere zusätzliche Wahlen oder Abstimmungen durchgeführt wurde, so Landschreiber Moser.

10 Rappen je wahlberechtigte Person

Der Verweis auf die Kosten eines zweiten Wahlgangs ist müssig. Ein solcher wurde nicht nötig. Zudem: Wenn es tatsächlich zu einem zweiten Durchgang gekommen wäre, so könnte so oder so kaum mehr ernsthaft zur Diskussion gestellt werden, ob die Durchführung dieser Wahl nun sinnvoll gewesen sei oder nicht. Der Vollständigkeit halber trotzdem noch die entsprechende Zahl: Bei einem zweiten Wahlgang hätten sich zusätzliche Kosten im Betrag von 20’100 Franken ergeben.

Fazit: Relevant sind vorliegend die im Regierungsratsbeschluss vom 1. Februar aufgeführten Kosten von 8’000 Franken für den ersten Wahlgang. Um die Relationen zu sehen: 76’377 Personen waren am Sonntag wahlberechtigt. Wenn man von dieser Zahl ausgeht, so betrugen die Kosten dieser Wahl gerade mal 10 Rappen pro wahlberechtigte Person im Kanton.

«Das Preisschild ist klein»

Vor diesem Hintergrund sagt Stefan Thöni: «Seien wir ehrlich: Das Preisschild ist klein. Wahrscheinlich kostet den Steuerzahler eine einzige unnötige Ehrenrunde über Lausanne schon mehr als dieser erste Wahlgang.» Darüber spreche komischerweise fast niemand im Kanton Zug. Im Vorfeld sagte Thöni zudem: «Ein zweiter Wahlgang ist zwar theoretisch möglich, aber durch die absurde Zuger Definition des absoluten Mehrs quasi ausgeschlossen.»

Damit meinte er den Umstand, dass im Kanton Zug das absolute Mehr sehr tief angesetzt ist. Zudem werden leere Stimmen nicht berücksichtigt. All das verhindert in sehr vielen Fällen, dass es zu einem zweiten Wahlgang kommt. «Meiner Meinung nach wäre der Sinn eines absoluten Mehrs, dass ein Amtsträger von einer Mehrheit der Stimmenden getragen wird.»

Kandidatur mit «nettem Nebeneffekt»

Stefan Thöni ergänzt: «Ich finde, die Stimmberechtigten sollten die Möglichkeit haben, keine der vorgeschlagenen Personen zu wählen, so dass die Parteien dann andere Kandidatin oder Kandidaten aufstellen müssen.»

Für seine Kandidatur vom vergangenen Sonntag führt Thöni auch grundsätzliche Überlegungen an: «Ich möchte, dass die Menschen im Kanton über ihre Richter Bescheid wissen und sich damit beschäftigen, welche Menschen sie gerne auf der Richterbank hätten. Zudem hat meine Kandidatur jeweils den netten Nebeneffekt, dass die Volksparteien zumindest formell qualifizierte Kandidaten aufstellen müssen, was insbesondere bei den Ersatzrichtern des Verwaltungsgerichtes in der Vergangenheit wohl nicht immer der Fall war.»

Demokratie braucht Wettbewerb

Auf Anfrage äussert sich Marc Bühlmann, Professor für Politikwissenschaften der Universität Bern, zur Frage der stillen Wahlen. «Aus demokratietheoretischer Perspektive kann sehr wohl behauptet werden, dass es sich faktisch nicht um demokratische Wahlen handelt, wenn es keine echte Auswahl gibt.»

In verschiedenen Massen für die Qualifizierung von Regierungssystemen seien Wahlen mit mehr als einer Bewerbung gar zentrales und grundlegendes Element, damit ein Staat als Demokratie qualifiziert wird. «Es braucht Wettbewerb, damit man hier von Demokratie spricht», so Marc Bühlmann. Stillen Wahlen hafte immer ein wenig etwas «Undemokratisches» an.

Einseitige Besetzungen verhindern

«Kandidierende, die in stillen Wahlen gewählt wurden, mussten sich nicht gegen Konkurrenz durchsetzen und wurden streng genommen ja auch nicht von der Stimmbevölkerung gewählt. Es wird gar von Korruption oder von Filz gesprochen, weil ganz bestimmte Personen ausgewählt werden und es allenfalls zu einer einseitigen Besetzung von Gremien kommen kann.»              

Allerdings seine stille Wahlen nichts Illegitimes, sondern im Gesetz explizit vorgesehen. «Auf lokaler Stufe kommt es ja sehr häufig dazu, dass die Bevölkerung froh ist, dass sich überhaupt jemand findet, der ein Amt übernehmen kann. Und wer das nicht möchte, der kann sich dann eben auch selber zur Wahl stellen – eben so, wie das Stefan Thöni macht.»

Verwendete Quellen
  • Leserbrief von Charly Keiser in der «Zuger Zeitung»
  • Regierungsratsbeschluss vom 1.2.22 (betreffend die Ergänzungswahl von zwei Ersatzmitgliedern des Zuger Verwaltungsgerichtes)
  • Telefongespräche und Mail-Austausch mit Stefan Thöni
  • Schriftliche Auskunft von Landschreiber Tobias Moser
  • Mail-Austausch mit Marc Bühlmann, Universität Bern
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4 Kommentare
  • Profilfoto von Rudolf 1
    Rudolf 1, 22.05.2022, 05:16 Uhr

    «Zudem hat meine Kandidatur jeweils den netten Nebeneffekt, dass die Volksparteien zumindest formell qualifizierte Kandidaten aufstellen müssen, was insbesondere bei den Ersatzrichtern des Verwaltungsgerichtes in der Vergangenheit wohl nicht immer der Fall war.» – 

    Nur die Parteien bieten Gewähr für auf Herz und Nieren geprüfte Kandidaten. Wer sich selbst aufstellt, ist von niemandem darauf geprüft worden, ob er die Bedingungen erfüllt. Die Wählenden kaufen die Katze im Sack und allfällige Leichen im Keller.

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    Andreas Tanner, 20.05.2022, 22:04 Uhr

    Wieviel kostet uns Charly Keiser als „Kommunikationschef“ der Baudirektion jährlich?

    Skandalös, dass sich ein Kadermitarbeiter des Kanton so über demokratisch legitime Kandidaturen äussert! RR Florian Weber muss hier konsequent handeln und Rechenschaft bzgl, den Äusserungen seines Kommunikationschefs abgeben!

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    Paul, 20.05.2022, 16:02 Uhr

    Gut gemacht! Nuschel nuschel ist vorbei! Jeder hat das Recht dazu anzutreten. Gratulation zum guten Ergebnis! Respekt!

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    mebinger, 20.05.2022, 10:28 Uhr

    Es ist völlig Wurst, was es gekostet hat, das ist Demokratie! Die etablierten Parteien sollten sich fragen, weshalb sie so versagen, das er über 8000 Stimmen macht

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