Avenir Suisse gibt Zug schlechte Noten

So unfrei ist man im Kanton Zug

Freiheit ist schön. Aber wie frei ist Zug wirklich? Das hat Avenir Suisse genauer untersucht

(Bild: Montage zentralplus)

Während der Rest der Welt über Sicherheit nachdenkt, geht Avenir Suisse erfrischend andere Wege und misst die Freiheit in den Kantonen. Zug kommt dabei schlecht weg. Auch wenn mit Freiheit etwas anderes gemeint ist, als man auf den ersten Blick erwarten würde.

«Zivile Freiheit» – ein schönes Wort. Jedes Jahr vergleicht der liberale Thinktank Avenir Suisse die Kantone im Bezug auf «ökonomische Freiheit» und eben deren «ziviles» Gegenstück. Was genau damit gemeint ist – und weshalb das eine und das andere tatsächlich zusammengehören sollen – dazu später.

Erst mal die schlechte Nachricht: Der Kanton Zug war gerade noch auf dem 14. Platz. Und dann die noch schlechtere: Jetzt ist er auf dem 15. Platz. Und das nicht wegen der «ökonomischen Freiheit». Da sind wir auf Platz zwei (wartet nur, Schwyz, euch kriegen wir noch). Nein. Das Zuger Problem liegt laut Avenir Suisse in der fehlenden «zivilen Freiheit».

Die Freiheit zum Alkoholkonsum

Aber was ist damit überhaupt gemeint? Zivile Freiheit ist kein Begriff der universitären Forschung, sondern eine Wortschöpfung von Avenir Suisse. «Die zivilen Kriterien haben wir gewählt, um die liberale Ausrichtung der Kantone vergleichbar zu machen», sagt Tobias Schlegel von Avenir Suisse. Und die Faktoren, die das Konstrukt bilden, seien ganz klar aufgrund der «liberalen Haltung von Avenir Suisse gewählt worden».

«Wir sagen nicht, dass gewisse Kantone absolut besser oder schlechter sind.»

Tobias Schlegel, Avenir Suisse

Sprich: Der Freiheitsindex misst die Übereinstimmung der Kantone mit der politischen Haltung von Avenir Suisse. Dies anhand von Faktoren, die da zum Beispiel wären: Freie Schulwahl, Nichtraucherschutz (je näher an den Mindestvorgaben des Bundes, desto mehr Punkte), Videoüberwachung (je länger die Aufbewahrung von Aufnahmen, desto schlechter), Alkoholkonsumverbot (je weniger, desto besser), politische Mitspracherechte für Ausländer (gibt’s in Zug keine, also schlecht), fixe Radaranlagen (je weniger desto besser), Kirchensteuern für Unternehmen, und einige mehr.

«Das ist keine Wertung»

Die Stossrichtung ist klar: Da geht’s um Deregulierung. «Das ist aber keine Wertung», sagt Schlegel. «Wir sagen nicht, dass gewisse Kantone absolut besser oder schlechter sind. Natürlich finden wir zwar, dass weniger Verschuldung besser ist, oder dass es besser ist, wenn Ausländer darüber mitbestimmen können, was mit ihren Steuergeldern getan wird.» Der Index sei aber keine Streitschrift für Deregulierung. «Der Index macht keine absoluten Aussagen – er ermöglicht nur einen Vergleich unter den Kantonen.»

Trotz der klaren politischen Intention ist der Vergleich interessant. Besonders zwei Dinge ziehen Zug laut Schlegel nach unten: Das seit 2014 eingeführte Videoüberwachungsgesetz, das die Aufbewahrung von Videos über 100 Tage ermöglicht. «Und die lange Bearbeitungsdauer von Baugesuchen», sagt Schlegel. Das geht auch unter zivile Freiheit. «Das ist allerdings das einzige Kriterium, das wir nicht alleine aufgrund frei zugänglicher Statistiken erhoben haben. Die Daten hierfür haben wir vom Baublatt.» Das Baublatt verfolge alle einzelnen Baugesuche in den Kantonen.

Zug langsamer als andere Kantone

«Da wird also die tatsächliche Dauer der Verfahren gemessen», so Schlegel. Und da wirds interessant – denn hier steht der Kanton Zug seit 2014 plötzlich sehr schlecht da. Gerade in den Debatten zum Sparpaket wurden die überdurchschnittlichen Leistungen der Verwaltung immer wieder als Spargrund hervorgehoben. Ist der Kanton nun in Sachen Baubewilligungen im Vergleich mit anderen Kantonen gar nicht so schnell unterwegs wie gedacht?

Arnold Brunner ist der Generalsekretär der Baudirektion. Er sagt, der Ball liege bei den Gemeinden: «Der Kantonsrat hat den Gemeinden Fristen vorgegeben. Es handelt sich dabei um Ordnungsfristen. Die Baubewilligungsverfahren und die Einhaltung der Fristen obliegen der Kompetenz der Gemeinden.» Für den Entscheid über ein Baugesuch dürfen sich die Gemeinden laut Gesetz zwei Monate Zeit nehmen, falls es Einsprachen gibt drei Monate.

Das sei vergleichbar mit anderen Kantonen, sagt Brunner. «Es ist sogar eher kurz.» Aber natürlich liege die zeitliche Dauer auch in der Hand der Bauherren. «Wenn eine Bauherrschaft mit Einsprechern Verhandlungen führen möchte, kann das Verfahren länger dauern.» Wie lange die Gemeinden tatsächlich für die Bearbeitung brauchen, weiss man beim Kanton nicht. Brunner: «Der Kanton erhebt diese Daten nicht. Aber die Bauherrschaften können sich auf diese Fristen beziehen und bei den Gemeinden vorstellig werden, wenn das Verfahren zu lange dauern sollte.»

Wer ist am freisten? Der Durchschnitt.

Am Resultat könnten allerdings auch statistische Artefakte schuld sein. Nur weiss man das bei Avenir Suisse nicht genau. «Wir haben keine Rohdaten, sondern nur eine bereits ausgewertete Statistik der Kantone erhalten», sagt Schlegel. Wie viele Baugesuche im Kanton also tatsächlich in die Statistik eingeflossen sind, ist nicht klar – es könnte ein einziges aussergewöhnlich langes Bewilligungsverfahren für den Ausrutscher verantwortlich sein.

Wie frei oder unfrei ist man nun im Kanton Zug? Das lässt sich nur im Vergleich zu anderen Kantonen betrachten, wenn es nach Avenir Suisse geht. Und da gibt es ein Freiheits-Vorbild. Der einsame und langjährige Spitzenreiter der Liste: der Kanton Aargau. Dabei ist der Aargau nicht besonders herausragend. Nur besonders durchschnittlich. «Der Aargau ist weder in der ökonomischen noch in der zivilen Freiheit an der Spitze», sagt Schlegel. «Aber der Mix stimmt.» Und von der grossartigen Zersiedelungs-Freiheit haben wir noch gar nicht angefangen.

So sieht der Index von Avenir Suisse aus: Alle Werte unter 50 sind unter dem interkantonalen Durchschitt. Besonders bei den zivilen Freiheiten (gelbe Balken) ist Zug deutlich unter dem Durchschnitt.

So sieht der Index von Avenir Suisse aus: Alle Werte unter 50 sind unter dem interkantonalen Durchschitt. Besonders bei den zivilen Freiheiten (gelbe Balken) ist Zug deutlich unter dem Durchschnitt.

(Bild: Screenshot zentralplus)

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